Entscheidende Faktoren für den Erfolg eines Hafens sind nicht allein die Umschlagstrukturen vor Ort, sondern mindestens genauso wichtig ist seine Anbindung ans Hinterland. Binnenschifffahrt und Bahn spielen auch in Rotterdam eine wichtige Rolle
Daher ist die Aussage des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, vom September 2017, der Hafen seines Bundeslandes sei Rotterdam, nicht nur ein Kompliment, sondern auch eine Verpflichtung für einen Hafenbetrieb, der im Jahr rund 105.000 Binnenschiffe bedient, sagt Emile Hoogsteden, Vice President Containers, Breakbulk & Logistics beim Hafen Rotterdam.
Neben Nordrhein-Westfalen sind auch andere Regionen für Rotterdam von Bedeutung. Die wichtige Trasse in Richtung Genua führt die Rhein-Achse bis ans Mittelmeer fort: Süd- und Südwestdeutschland spielen für die Binnenschifffahrt eine wichtige Rolle, Bayern, Baden-Württemberg, Österreich sowie Mittel- und Ostmittteleuropa sind für die Zuganbindung Wachstumsregionen. Nach und von Österreich sowie Mittel- und Osteuropa werden im Container-Segment in allen Modalitäten rund 1Mio.TEU jährlich umgeschlagen, sagt Hoogsteden,. Nach Bayern und Baden-Württemberg seien es insgesamt rund 1,5Mio.TEU, und auch die Anbindung an die neue Seidenstraße über Tilburg ins chinesische Chengdu sei eine Chance.
Nur Häfen, die auf alle Modalitäten ein gleiches Augenmerk legen, bieten eine gute Umschlagqualität. Denn Bahn, Zug und Lkw ergänzen sich je nach Hinterlandregion. So habe zum Beispiel die Eisenbahn bei einer Entfernung von über 500km durchaus Vorteile gegenüber dem Lkw, weil die Kosten von Wartepausen und daraus resultierenden Übernachtungen oder eines zweiten Fahrers entfielen, erläutert Hoogsteden. Das innerholländische Hinterland sei wiederum oft am effektivsten über eine Binnenschifffahrtroute angeschlossen.
Sich aber nur auf einen Verkehrsträger zu verlassen, sei fahrlässig. Die Binnenschifffahrt habe zum Beispiel eine zusätzliche Rolle gespielt, als im Sommer dieses Jahres nach den Gleissperrungen bei Rastatt die Binnenschifffahrt die Ausfälle auf der Rotterdam–Genua-Trasse habe auffangen müssen. Umgekehrt habe im Sommer 2016 das Niedrigwasser die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene notwendig gemacht.
Eine flexible Unterstützung der jeweils besten Transportoption umfasst zum einen Strukturmaßnahmen auf dem Hafengelände. Allein für infrastrukturelle Maßnahmen reinvestiert der Hafenbetrieb Rotterdam jedes Jahr nach eigenen Angaben rund 200Mio.€. Zum anderen wird die Hinterlandanbindung durch den Auf- und Ausbau von Relationen unterstützt. Darüber hinaus spielt auch ein optimaler digitaler Informationsfluss für alle Beteiligten entlang der gesamten Supply Chain eine große Rolle.
Bedeutung der Binnenschifffahrt
Insgesamt transportieren Binnenschiffe nach Hafenangaben jährlich etwa 3,6Mio.TEU im Container-Bereich vom und zum Rotterdamer Hinterland. Positiv habe sich die im Dezember 2016 von 75 auf 300m verbreiterte Breeddiep-Verbindung von und zu den Maasvlakte-Terminals zwischen dem Calandkanal und dem Nieuwe Waterweg ausgewirkt, so die Hafenbehörde.
Aber auch kurz- und mittelfristig muss ein Hafen auf akute Belastungsspitzen gemeinsam mit Partnern, Verladern und Spediteuren reagieren. Aktuell initiiert der Hafen Rotterdam eine Reihe von Treffen mit niederländischen, deutschen und Schweizer Verladern, Transportunternehmen, Terminalbetreibern und Reedereien. Gemeinsam beschließen alle Beteiligten Vereinbarungen über die effizientere Abfertigung der Containerbinnenschifffahrt entlang der ganzen Logistikkette von und nach Rotterdam.
»Die Hafenbetriebe wirken auch beim Aufbau der Infrastruktur für den notwendigen Informationsaustausch mit«, sagt Hoogsteden. Ein flexibler und direkter Informationsaustausch – im Idealfall in Echtzeit – ermögliche eine optimale Ausschöpfung vorhandener Kapazitäten.
Für eine zuverlässige und konkurrenzfähige Binnenschifffahrt arbeitet der Hafen mit Vertretern der Seehafen- und Binnenterminals, Depots, Schiffsoperateuren und Reedereien sowie der niederländischen Wasser- und Schifffahrtsdirektion Rijkswaterstaat an der Informationsplattform Nextlogic, die 2018 live online gehen soll und jetzt schon im Testbetrieb läuft: Durch eine verbesserte Qualität und einen höheren Deckungsgrad an Information plant das System neutral und integral die Zuweisung der Terminal- und Depotslots. Kaianlagen, Krane und Binnenschiffe sollen so zuverlässiger und besser genutzt werden, weil Nachfrage und Angebot an Abfertigungskapazitäten zusammengeführt werden. Ebenso soll das Bündeln der Container nach Terminal, Zielort oder Binnenschiff die Anzahl der Calls senken und die durchschnittliche Menge des Warenumschlags für jeden Call vergrößern. Zudem steht für alle Beteiligten eine transparente Leistungsmessung des Systems – in Nextlogic oder auch durch den Barge Performance Monitor – als Planungshilfe bereit.
Bedeutung der Eisenbahn
Bei insgesamt über 250 etablierten Shuttle-Verbindungen ist der Zug in Deutschland für Nordrhein-Westfalen und die Rheinregion in Hessen von großer Bedeutung. Baden-Württemberg und Bayern sind wichtige Wachstumsregionen. Die erst jüngst erfolgte Verdoppelung der Frequenz des Mosel-Express zwischen Trier und Rotterdam durch den Operator Am Zehnhoff-Söns belegt das Marktpotenzial der Schiene, sagt Hoogsteden.
Auch vor Ort im Hafen Rotterdam hilft der Schienenverkehr beim beschleunigten Umschlag der Container. So übernahm die Hafenbehörde in diesem Jahr alle Anteile am PortShuttle-Dienst, um die schienengebundene Anbindung aller Container-Terminals auf dem Hafengelände sicher zu stellen. Durch diese Verbindungen sinken die Kosten für den Austausch von Containern auf bis zu 20%. Angeboten wird zudem eine umweltfreundliche Alternative für den Transport von Containern auf der Straße. Auch andere Partner, wie etwa die niederländische Zollbehörde, beschleunigen die Abfertigung von Containerzügen. In Rotterdam rollen die Waggons dank eines Zug-Scan-Systems durch die Zollkontrolle – Container über eine Länge von 60km werden so in einer Stunde gescannt, ohne geöffnet werden zu müssen, informiert Hoogsteden.
Synchromodalität im Hafen
Der PortShuttle, welcher auch Seeterminals anbindet, zeigt, wie letztlich alle Modalitäten flexibel zusammenwirken müssen. Flexibilität, bis hin zur Synchromodalität bei Hinterlandverbindungen, wird vom Hafen unterstützt. Deswegen arbeitet der Hafen vor Ort auch an der hafeninternen Container Exchange Route (CER). Nach Auskunft Hoogstedens werden nach Abschluss der Bauarbeiten voraussichtlich im Jahr 2019 mehr als 1Mio. Container jährlich ausgetauscht. Züge, Schiffe und Feederschiffe müssten dann nicht mehr einzeln zu allen Terminals fahren. Die Route werde Container- und Zug-Terminals, Empty Depots, den Zoll und das Distributorengelände Distrikpark miteinander verbinden und dabei den sonstigen Verkehr nur minimal beeinträchtigen. Auch das operative Verfahren (Zoll, Dokumente und Verwaltung) werde sich vereinfachen, sagt der Logistikexperte.
Alle Beteiligten könnten zudem durch Online-Planungstools wie Navigate am Bildschirm die bestmögliche Verbindung zwischen Hinterland, Oversea und Shortsea digital ihre Verbindungen planen.
Konzentration auf Bahn und Schiff
Sowohl aus Gründen der Nachhaltigkeit als auch der Schnelligkeit, Qualität und Effizienz des Umschlags fördert der Hafen Rotterdam gerade Binnenschiff und Zug als Verkehrsanbieter der Zukunft. Eine Steigerung des bahngestützten Verkehrs auf 20% im Jahr 2035 (gegenüber 13% 2012) sowie eine konstante Entwicklung der Binnenschifffahrt von 43% im Jahr 2012 auf 45% 2035 sind Ziele, deren Umsetzung der Umwelt und auch der Binnenland-Anbindung zu Gute kommen werden, blickt Hoogsteden voraus.