Auch wenn der Bau von Frachtschiffen mittlerweile gänzlich eingestellt ist, haben die deutschen Werften bei anderen Schiffstypen ihre Stärken, beispielsweise bei der Fertigung von Arbeits-und Aufsichtsschiffen, aber auch bei Flusskreuzfahrtschiffen
Großes Potenzial bietet vor allem der Bereich Arbeits- sowie Aufsichtsschiffe, wie sie von Wasser- und Schifffahrtämtern eingesetzt werden. Solche Einheiten werden für eine Vielzahl von Aufgaben benötigt, die von Mess- und Instandsetzungen bis hin zur Gewährleistung der Sicherheit auf den Binnenschifffahrtsstraßen reichen. Zu ihren Aufgabenbereichen zählen unter anderem Peilarbeiten sowie das Aufspüren von Untiefen, die dann von anderen Spezialschiffen beseitigt werden, um die Schifffahrt nicht zu gefährden.
Auf den Bau von Arbeitsschiffen haben sich insbesondere die Schiffswerft Bolle, Schiffswerft Barthel sowie die Schiffbau- und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde (SET) fokussiert. Prahme kommen hauptsächlich von der Neuen Oderwerft aus Eisenhüttenstadt oder von der Schiffswerft Fischer aus Könnern, wenngleich auch die oben genannten Unternehmen ebenfalls Prahme herstellen. Eine Kompetenz der Neuen Ruhrorter Schiffswerft mit Sitz in Duisburg ist derweil die Fertigung von Schubleichtern und Klappschuten.
Nach Auskunft der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) zählen rund 1.400 Einheiten zum Bestand deutscher Wasserstraßen und Schifffahrtsämter. Viele von ihnen gelten als überaltert und nicht mehr zeitgemäß. Nicht selten seien sie 50 oder 60 Jahre alt, einige sogar 100 Jahre oder noch älter, so die GDWS. Entsprechend gebe es hier Bedarf an zahlreichen Ersatzneubauten.
Im Binnenbereich werden aktuell vier Schwimmgreifer ersetzt. Neu gebaut werden zudem zwei Verkehrssicherungsprahme, ein Taucherschiff, sechs Aufsichtsboote mit Schubeigenschaften (zwei davon mit Eisbrecherfunktion), ein Schwimmgreifer und ein Arbeitsschiff mit Eisbrechereigenschaften.
Darüber hinaus sind für 2018/19 als größere Maßnahmen der Ersatz von drei Schwimmgreifern, drei Arbeitsschiffen mit Eisbrechereigenschaften sowie die Ersatzbeschaffung von vier Kontroll- und Peilbooten vorgesehen.
Je nach Schiffstyp könne die Produktionsphase von der Erstellung der Pläne bis hin zur Auslieferung ein Jahr oder länger in Anspruch nehmen. Folglich gelte es, sich frühzeitig Gedanken zu machen, welche Neubauten beauftragt werden sollen, so die GDWS.
Personalengpass in den Ämtern
Ein Problem sind nach Auskunft der GDWS die knappen Kapazitäten in den Wasserstraßen- und Schifffahrtsämtern. Nach Angaben des Zentralverbands der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) sind Anfang Februar dieses Jahres 104,8 Planstellen in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) nicht besetzt gewesen. Darüber hinaus befänden sich 54 Dienstposten im laufenden Ausschreibungsverfahren und 224 im laufenden Besetzungsverfahren. Die Zahlen gingen aus einer schriftlichen Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine Frage des Abgeordneten Mathias Stein (SPD, Kiel) hervor, heißt es.
Die WSV betreibt und unterhält die Bundeswasserstraßen und die dazugehörigen Anlagen wie Schleusen, Brücken und Schiffshebewerke. Das fehlende Personal behindere die Arbeit der WSV und beeinträchtige damit die Leistungsfähigkeit der deutschen Verkehrsinfrastruktur. Personalengpässe würden die ohnehin schon viel zu langwierigen Planungs- und Bauverfahren zusätzlich verzögern, so der ZDS.
Die vorhandenen Kräfte seien in der Vergangenheit mit Fragen und Projekten zu Instandhaltungen bereits vollständig ausgelastet gewesen und hätten sich nicht auch noch um Ausschreibungen für Neubauten kümmern können, heißt es vonseiten der GDWS.
Demnächst mehr Beauftragungen?
Das soll sich künftig ändern, denn es soll eine Gruppe, bestehend aus drei Personen gegründet werden, die sich verstärkt dem Thema Neubauten widmen soll. In einem ersten Schritt gelte es zu überlegen, welche Schiffe auf Altersgründen außer Dienst gestellt werden müssten und wie viele Ersatzneubauten dementsprechend zu beschaffen seien.
Da dem Neubau-Thema künftig also durch die Arbeitsgruppe eine höhere Bedeutung beigemessen wird und es genügend Bedarf an Ersatzneubauten gibt, ist davon auszugehen, dass künftig die Zahl der Bestellungen ansteigen könnte.
Da die Zahl der Werften, die sich auf solche Art Schiffstypen spezialisiert haben, jedoch begrenzt ist, befürchtet die GDWS, dass es auch bei den Werften zu Kapazitätsengpässen kommen könnte, wenn sich die Zahl der beauftragten Neubauten erhöht.
Eine weitere Kompetenz des deutschen Schiffbaus ist die Fertigung von Personenschiffen und Flusskreuzfahrtschiffen. Nicht nur nationale, sondern auch internationale Unternehmen setzen diesbezüglich auf die Fähigkeiten der deutschen Schiffbauunternehmen. Das gilt vor allem für den Bau von Flusskreuzfahrtschiffen. Viking River Cruises platziert seit Jahren Aufträge bei der zur Werftgruppe Meyer gehörenden Neptun Werft. Insgesamt entstanden in Rostock-Warnemünde und teilweise auch in Papenburg mehr als 50 Schiffe für die amerikanische Reederei. Die Einheiten der Longships-Klasse werden mittlerweile in Serie gefertigt.
In den Bau von Flusskreuzfahrtschiffen ist auch die MV Werften Wismar eingestiegen. Nach der Übernahme durch die Genting Gruppe präsentierte das Schiffbauunternehmen im vergangenen Jahr seine ersten beiden Neubauten. Es handelte sich um die »Crystal Bach« und die »Crystal Mahler« für Crystal River Cruises. In diesem Jahr sollen die beiden verbleibenden Schiffe »Crystal Debussy« und »Crystal Ravel« dem Auftraggeber übergeben werden, die das Quartett komplettieren.
Thomas Wägener