Schwere und sperrige Güter auf das Binnenschiff zu verladen lohnt sich, weil es auf dem Wasser weniger Barrieren gibt als auf Schiene oder Straße. In Österreich finden Anbieter und Nachfrager zueinander
Wenn der Zug mit dem Schiff fährt, dann klingt das im ersten Augenblick etwas unverständlich, ist es aber nicht, wenn der Hintergrund bekannt ist. Schwere und sperrige Güter wie beispielsweise Zuggarnituren mit dem Schiff über die Donau statt mit Lkw oder Bahn zu transportieren ist einfacher, unkomplizierter und beinahe unbeschränkt möglich. Bei den Abmessungen, Gewichten und Sperrigkeiten ist die Schifffahrt deutlich im Vorteil gegenüber Schiene und Straße. Rotorblätter für Windkraftwerke, schwere Landmaschinen, Schwerlastkrane, Reaktorteile, Zuggarnituren und was sonst noch an Fracht unter das Thema »High & heavy« fällt, werden zwar schon häufig auf der Donau transportiert, doch es könnte mehr sein, wünscht sich Bettina Matzner, bei der österreichischen Wasserstraßengesellschaft viadonau zuständig als Projektmanagerin für die Transportabwicklung. Gemeinsam mit fünf Kollegen steht sie potenziellen Verladern aus der Wirtschaft für Fragen und Antworten zur Verfügung. Zudem versucht das Team um Matzner die Binnenschiffer mit den potenziellen Kunden zusammenzubringen, damit per Saldo mehr Güter auf die österreichische Donau kommen – wie das politisch immer wieder betont und erhofft wird.
Suche nach Potenzial
Mitte März dieses Jahres lud der österreichische Verein Netzwerk Logistik (VNL) in den Donauhafen Enns zu einer Informationsveranstaltung über das Thema »High & Heavy« mit dem Fokus Binnenschifffahrt. 34 Teilnehmer aus der Schifffahrtsbranche sowie aus der donauaffinen Logistikbranche und Verlader aus verschiedenen Industriezweigen waren gekommen, um sich zu informieren, welche Transportmöglichkeiten für sperrige und schwere Güter es auf der Donau gibt.
Seit 2012 lanciert viadonau verschiedene Initiativen, um Verladern die Donau als attraktive Alternative zu Straße und Schiene ins Bewusstsein zu rücken. Die Initiativen scheinen nicht ohne Wirkung zu bleiben. »Wir haben von den schifffahrtstreibenden Unternehmen Rückmeldungen, dass sie neue Projekte und Kunden bekommen haben, die ihre Güter mit dem Binnenschiff befördern«, weiß Matzner aus Erfahrung. Unterstützt werden die viadonau-Bemühungen mit verschiedenen online verfügbaren B2B-Plattformen wie einer Liste über die für den »High&Heavy«-Umschlag in Frage kommenden Donauhäfen.
»Vorteile ins Bewusstsein rufen«
Für Gerhard Wagner, Geschäftsführer und Miteigentümer der österreichischen Niederlassung der Schwergutlogistikfirma Bolk hat die Binnenschifffahrt Zukunft. Bolk wickelt europaweit Schwer- und Sperrguttransporte ab und verfügt über eigene Terminals und Hafenanlagen entlang der Donau und markante Umsteigestellen zwischen Land und Donau sind die Häfen Passau und Russe in Bulgarien. Auf dieser Strecke versucht man so nah wie möglich mit dem Schiff an die Versender und Empfänger heranzukommen, sagt Wagner. Es sei oft gar nicht leicht die verladenden Kunden von den Vorteilen des Wassertransports zu überzeugen, weil dieser mitunter viel zu wenig im Bewusstsein präsent sei. Hier gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, zumal auf der Straße wegen der administrativen Komplexität möglichweiser schon bald nicht mehr viel Schweres und Sperriges zu fahren sein wird. Wagner sieht die Binnenschifffahrt als konservative Branche, die sich modernisieren, die mehr Innovationsgeist zeigen sollte. Und vor allem sollte sie kundenorientierter sein.
Auf der Straße diktiert der Kunde die Verfügbarkeit des Lkw, auf dem Wasser ist es der Binnenschiffer, der dem Kunden sagt, was möglich ist. Dass Innovationen in der Binnenschifffahrt nicht so rasch vorankommen liege daran, dass Schiffsmotoren, Schiffe und Bargen Betriebsmittel seien, die viele Jahre im Einsatz stünden, und daher Innovationszyklen einen längeren Zeithorizont hätten, erklärte Matzner.
Das sieht auch Alexander Rubchev so, Schiffsagent bei der bulgarischen Binnenschiffreederei Donau Star BG, die »die einzige Reederei in Europa ist, die einen Liniendienst mit Ro/Ro-Schiffen auf der Donau anbietet.« Alle 18 Tage fährt das Schiff von Passau bis nach Russe in Bulgarien und bedient Häfen entlang der Route, so Enns, Wien oder Bratislava. Je nach Ladung werden die Häfen flexibel angelaufen. Transportiert werden sperrige und schwere Güter die rollen, aber auch Container beispielsweise von Budapest nach Wien. In dem Fall sind es meist leere Boxen, die doppellagig transportiert werden. Verlader müssen sich landseitig nicht um den Vor- und Nachlauf kümmern, »das organisieren wir und unsere Kunden haben nur einen Ansprechpartner«. Auf der Landseite gibt es eine Kooperation mit dem Schwergutlogistiker Bolk.
Dass Donau Star in Enns anlegt, freut Enns-Hafen-Geschäftsführer Werner Auer sehr, zumal sich der Hafen als trimodale Drehscheibe zwischen Wasser, Schiene und Straße versteht, aber auch als Wirtschafts- und Produktionsstandort. Insgesamt rund 2.200 Menschen sind bei den im Hafen Enns angesiedelten 55 Firmen beschäftigt. 680.000 t Fracht und 315.000TEU wurden 2017 am Containerterminal CTE umgeschlagen. CTE ist eine eigene Gesellschaft, die das Container-Handling organisiert. Luft nach oben ist vorhanden, denn die Umschlagskapazität der Anlage liegt den Angaben zufolge bei 400.000TEU. Der Hafen ist international mit den Seehäfen mit der Bahn gut vernetzt, pro Tag werden 17 Züge abgefertigt, die Zielhäfen sind Hamburg, Rotterdam, Triest, Bremerhaven, Koper oder Piräus. In 17 Stunden ist der Zug in Hamburg, in 10 Stunden in Koper und in 48 Stunden in Piräus, wo die chinesische Reederei Cosco im großen Stil als Partner in den Hafen eingestiegen ist.
Auf 500ha erstrecken sich die vom Hafen Enns verwalteten Flächen, 353ha sind derzeit entwickelt. Grund und Boden sowie die Infrastruktur liegen in Händen des Hafens, die Suprastruktur können die Unternehmen selbst gestalten, so Auer. Dieses Public-Private-Partnership-Modell habe sich gut bewährt. Im Vorjahr wurde im Hafenbereich eine LNG-Tankstelle eröffnet. »Wir sehen bei LNG in Europa eine sehr dynamische Entwicklung«, so der Manager. Weil der Trend in Richtung LNG in der Logistik-Branche nicht aufzuhalten sei. Eine belgische Spedition mit einer Flotte von 1.500 Lkw habe erst kürzlich 500 Fahrzeuge auf LNG-Betrieb umgestellt. Auer denkt in großen Dimensionen und sieht den Hafen als Kristallisationspunkt bei der Entwicklung der neuen Seidenstraße zwischen China und Europa. Die internationale Aufmerksamkeit auf Enns zu lenken sei das Ziel für die kommenden Jahre.
Josef Müller