Laut dem Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) widerlegen eine Studie der BfG und aktuelle Messungen des WDR die These der hohen Schadstoffbelastung durch Binnenschiffe, die zuletzt für viel Aufsehen gesorgt hatte.
Mit der These, dass Dieselfahrverbote in Innenstädten ihre Wirkung verfehlen, da die Stickoxidbelastung maßgeblich durch vorbeifahrende Binnenschiffe verursacht werde, sorgte Michael Schreckenberg, Gutachter und Physikprofessor an der Universität Duisburg-Essen, in den vergangenen Wochen in den Medien für Aufsehen. Er berief sich auf Daten aus einer von ihm betreuten Masterarbeit eines Physikstudenten.
Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt e.V. (BDB) hatte schon kurz nach den ersten Äußerungen von Prof. Schreckenberg Zweifel an der wissenschaftlichen Fundiertheit der Behauptungen angemeldet. Die Arbeit des Studenten mit dem Titel »Technische und ökologische Auswirkungen alternativer Kraftstoffe auf die Entwicklung des zukünftigen regionalen Verkehrssystems« liegt nun vollständig vor. Der BDB sieht seinen Zweifel nun als berechtigt an. Von dem betreuenden Professor seien »sehr eigenwillige und im Ergebnis nicht haltbare Schlüsse« aus der Arbeit seines Studenten gezogen worden, so der Verband.
Studien von Bundesanstalt für Gewässerkunde und Umweltbundesamt
Eine von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Auftrag gegebene Untersuchung zur Luftqualität an den Bundeswasserstraßen habe bereits 2015 aufgezeigt, dass die in der Fahrrinne emittierten Schadstoffe von Binnenschiffen – und damit auch deren Stickoxidausstoß – bereits am Flussufer praktisch nicht mehr nachweisbar seien, erklärt der BDB. Das Umweltbundesamt (UBA) habe die Studie der BfG erst vor wenigen Tagen auf seiner Internetseite in einem wissenschaftlichen Bericht mit dem Titel »Stickstoffoxidemissionen durch Binnenschiffe« zitiert. »Die mittlere NO2-Zusatzbelastung, die durch die NOx-Emission der Binnenschifffahrt auf Mittel- und Niederrhein verursacht wird, nimmt demnach überproportional und sehr schnell mit Entfernung von der Fahrrinne ab«, folgert das UBA darin. Bestätigt werde damit auch, dass der Versuch, den Schadstoffausstoß der Schifffahrt mit Messgeräten vom Ufer aus zu messen, fehlgehen muüsse und daraus abgeleitete Ergebnisse reine Spekulation seien. Schließlich würden dann auch Emissionen aus anderen Quellen wie dem Straßenverkehr, dem Schienen- und Flugverkehr, der Industrie oder der privaten Verbraucher »mitgemessen«, heißt es vonseiten des BDB.
Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hat im Rahmen seiner Aktion »Abgasalarm« erstmals einen Monat lang flächendeckende Stickoxid-Werte in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf gemessen und ist nun zu Erkenntnissen gelangt, die die Ergebnisse der BfG-Untersuchung bestätigen: »Keine Auffälligkeiten in der Nähe des Rheins«, lautet das Fazit des WDR. Emissionen längs des Rheins tragen laut Atmosphärenforscher Robert Wegener »allenfalls zur generellen Hintergrundbelastung in Düsseldorf bei«. Die Messungen zeigten, dass die Stickoxidwerte im Rheinufertunnel und an dessen Tunnelöffnungen mit in der Spitze 145,2 Mikrogramm pro Kubikmeter mehr als viermal so hoch seien wie der in Düsseldorf gemessene Durchschnittswert (33,5 Mikrogramm pro Kubikmeter). Dies verdeutliche, dass die Stickoxidbelastung an Punkten mit hohem Autoverkehr am höchsten sei, berichtet der BDB.
Zweifel auch bei DST
Das Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST) in Duisburg, eine der führenden Forschungseinrichtungen für die europäische Binnenschifffahrt, äußert ebenfalls Zweifel an dem Gehalt der getätigten Aussagen. Die Fachleute des DST sind laut BDB der Auffassung, dass die in der Masterarbeit und in den dort zugrunde gelegten Modellen angesetzte Motorenleistung der Binnenschiffe deutlich zu hoch ist. Dadurch würden die Emissionsszenarien für die Binnenschifffahrt künstlich vergrößert und »aufgeblasen«. Dies belegten beispielsweise umfangreiche Messungen an Bord verschiedener Binnenschiffe im kürzlich abgeschlossenen europäischen Forschungsprojekt »PROMINENT«. Angesichts der strengen Grenzwerte, die neue Motoren in der europäischen Binnenschifffahrt ab 2019 bzw. 2020 erfüllen müssten, erscheine auch der in der Masterarbeit angesetzte Rückgang der Emissionen im Zeitraum 2015 bis 2030 um lediglich 6,9 % zu gering. Für PKW werde in dem Szenario, das Prof. Schreckenberg für seine Aussagen bemühe, für den gleichen Zeitraum ein Rückgang des NOx-Ausstoßes um 86 % angenommen.
»Zu kritisieren ist schließlich, dass in der von Prof. Schreckenberg betreuten Masterarbeit Emissionsdaten der Binnenschifffahrt aus dem Jahr 2012 verwendet wurden, indem auf altes TREMOD-Datenmaterial des ifeu-Institutes zurückgegriffen wurde. In der Zwischenzeit erfolgte Modernisierungen in der Binnenschifffahrt wurden demnach nicht berücksichtigt«, beklagt der Branchenverband.
Verfasser: »Kein Angriff auf die Binnenschifffahrt«
Bemerkenswert sei, dass der Verfasser der Masterarbeit in der Zwischenzeit selbst verkündet habe, dass seine Untersuchung »keinen Angriff auf die Binnenschifffahrt« darstellen solle. Es müsse schließlich berücksichtigt werden, dass Stickoxidemissionen der Schiffe aufgrund der Flüchtigkeit und Verwirbelung gar nicht in dem Maße bei der Bevölkerung ankämen. Die Studie nehme deshalb in erster Linie die Auswirkungen technologischer Veränderungen im Straßenverkehr auf die Emissionen in den Fokus, betrachtet jedoch – entgegen des in der Öffentlichkeit entstandenen Eindrucks – gar nicht die Schadstoff-Immissionen und damit die eigentliche Belastung für die Anwohner, folgert der BDB.
Der Verband erwartet nun, dass Prof. Schreckenberg dem Beispiel seines Studenten folgt und seine Aussagen – ebenso öffentlichkeitswirksam wie seine bisherigen Einlassungen – in das rechte Licht rückt.