Die Schadenminderungspflicht erlegt dem Geschädigten grundsätzlich auf, die Reparatur eines Schadens, der nicht fahrt- oder wohnbehindernd ist, nur bei Gelegenheit eines anstehenden Werftaufenthaltes auszuführen oder zu Zeiten, in denen das Schiff ohnehin nicht gewinnbringend hätte eingesetzt werden können. Dies gilt aber nur, wenn die Gelegenheit zur Reparatur in einem zeitlich absehbaren nahen Zeitpunkt ernsthaft in Betracht kommt. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, bei geringfügigen Reparaturen auf Bordmittel zurückzugreifen. Der Geschädigte muss nicht die nächstgelegene Werft anlaufen.
Die Höhe des Nutzungsverlustes kann abstrakt anhand der indexierten Liegegeldsätze nach § 32 BinSchG a.F., konkret durch Beweis eines genau bezifferten entgangenen Gewinns oder abstrakt/konkret durch Vorlage der Einfahrergebnisse drei Monate vor und nach der Havarie, respektive der Reparatur berechnet werden. Nutzungsverlust ist nicht zwingend tageweise abstrakt zu berechnen, sondern kann auch stundenweise berechnet werden.
Urteil des Rheinschiffahrtsgerichtes Duisburg-Ruhrort vom 4. April 2018, Az.: 5 C 11/16 BSchRh, rechtskräftig (der Rechtsstreit wurde durch Vergleich endgültig beendet).
… hat das Amtsgericht – Rhein-Schifffahrtsgericht – Duisburg-Ruhrort … für Recht erkannt:
Aus den Gründen:
Die Klägerin war am 04.12.2015 Alleineigentümerin des Schubverbandes Schubschiff »X« und des mit eigener Maschinenanlage versehenen Leichters »Y«.
Der Schubverband ist 19392 m lang, 11,45 m breit und hat einen maximalen Tiefgang von 3,70 m. Die Hauptmaschine hat eine Leistung von 1.760 kw. Das Ladevermögen beträgt 5.920,006 t.
Die Beklagte ist Eigentümerin des Tankmotorschiffes »Hoop 9.
Am 04.12.2015 kam es bei Rhein-km 785 zu einer Havarie zwischen dem Schubverband und dem überholenden TMS »Hoop 9«. An den beteiligten Schiffen des Schubverbandes entstanden Schäden. Diese wurden in der kontradiktorischen Schadenstaxe vom 02.02.2016 festgehalten und mit 5.885,00 € taxiert. Die Schäden waren weder fahrt- noch wohnbehindernd. Der für die Beklagte tätige Sachverständige, Ing. O, erklärte in der kontradiktorischen Schadenstaxe den Vorbehalt, dass die Reparatur »bei Gelegenheit« ausgeführt werden könne. Die Haftung der Eigentümerin von TMS »Hoop 9« für die Folgen der streifenden Kolision steht außer Streit.
Die Klägerin begehrt Schadensersatz in Gestalt von Nutzungsverlust.
Das Heck des SL »Y« weist an Steuerbord und an Backbord angebrachte schlanke, pollerartige Zylinder auf (»Einfahrpin«; nl. »petbolder«), zwischen die der Kopf des SS »X« genau passt. Zwischen dem Kopf und den Pinnen besteht ausreichend Spiel, so dass sich beide Schiffe im Höhenniveau bewegen können, solange sie nicht fest durch Draht verkoppelt sind. Bei der Havarie wurde unter anderem der Steuerbordpin nach innen verbogen.
Der Schubverband wurde von der Klägerin seit 1999 eingesetzt. Er befördert im Rundlauf Schüttgüter wie Kohle von den ARA-Häfen zu Berg und vom Oberrhein Container nach ARA. Zwei Besatzungen wechseln sich in B-Fahrt rund um das Jahr ab.
Die Kollision ereignete sich am 04.12.2015 um 5:20 Uhr. Um 10:30 konnte die Reise nach Freigabe seitens der WSP fortgesetzt werden. Zwischen 16:30 und 18:30 Uhr machte der Schubverband im Hafen ljzendoorn für die Besichtigung durch die eigenen Experten fest. Am 11.12.2015 wurde die Reise für 2 Stunden für die gegnerischen Experten in Houten unterbrochen …
Die Klägerin hatte in der Zwischenzeit Schüttguttransporte und einen Containertransport durchgeführt. Der letzte Transport endete am 24.12.2015 mit dem Löschen der Container in Antwerpen um 11.00 Uhr. Die Kollisionsschäden an dem Schubverband wurden nach dem 24.12.2015 repariert. Der SV wurde am 31.12.2015 nach Rotterdam zum Terminal APM geführt, der am 01.01.2016 um 14 Uhr den Betrieb aufnahm. Die Schiffe wurden beladen.
Die Klägerin macht 204 Stunden Nutzungsausfall, dies sind 8,5 Tage, geltend. Sie legt dabei einen Tagessatz von 6.190,45 € zu Grunde. Dies macht einen Betrag von 52.618,83 € aus …
Die Klägerin ist nunmehr hälftige Eigentümerin des Schubverbandes. In einem Kaufvorvertrag (Voorlopig Koopovereenkomst) vom 20.11.2015 war der Verkauf des SV von T an die B vorgesehen.
Entscheidungsgründe
Schifffahrtsüblich ergeht zunächst ein Grundurteil …
Die Klägerin hat … dem Grunde nach … einen Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns in Form von Nutzungsausfall. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass dem Schiffseigner ein Schaden entsteht, wenn er sein Schiff zeitweilig nicht gewerblich nutzen kann. Der Zeitraum des Nutzungsausfalls umfasst all diejenige Zeit, in der das geschädigte Schiff havariebedingt nicht eingesetzt werden kann. Zu dem Zeitraum gehört nicht nur die eigentliche Reparaturzeit. Hierzu zählen auch die Zeiten für die Fahrt zur und von der Werft, Löschung und Umschlag aufgrund der Havarie, Notreparatur und Verschleppung (Bemm/von Waldstein, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl. Einführung Rn. 53; ähnlich von Waldstein/Holland, a.a.O., Binnenschiffahrtsgesetz, 5. Aufl., § 92 b, Rn. 47 ff; OLG Köln Urteil vom 15.01.2002 AZ 3 U 144/01, ZfB 2002, Sammlung Seite 1873 f).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin Anspruch auf Nutzungsausfall für einen Zeitraum von insgesamt 4 Tagen und 5 Stunden.
Dieser Zeitraum setzt sich zusammen aus
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5 Stunden am 04.12.2015 in der Zeit nach der Anfahrung um 5:20 bis zur Wiederaufnahme der Fahrt um 10:30 Uhr,
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2 Stunden am 04.12.2015 in der Zeit vom 16:30 bis 18:30, in denen der Experte der Klägerin D an Bord war, weiteren
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2 Stunden am 11.12.2015, in denen der Experte der Beklagten an Bord war,
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3 Tagen, die kontradiktorisch als Reparaturdauer festgelegt wurden‚ sowie
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20 Stunden, die jeweils zehn Stunden Fahrt zur Werft und zurück zur Ladestelle berücksichtigen …
1.2 Stundenweise Abrechnung. Es bestehen keine Bedenken gegen eine stundenweise Abrechnung des Nutzungsausfalls. So hat auch das OLG Köln (OLG Köln Urteil vom 15.01.2002 AZ 3 U 144/01, ZfB 2002, Sammlung Seite 1873 f) Nutzungsausfall nicht für zwei volle Tage, sondern nur für 36 Stunden zugesprochen. Zur Begründung hat der Senat ausdrücklich ausgeführt, wie viele Stunden für Fahrten zur Werft und zurück anzurechnen seien und welche Pflichten dem Schiffseigner im Rahmen der Schadensminderungspflicht oblagen.
1.3 3 Tage. Der Klägerin steht für drei Tage Reparaturdauer Nutzungsverlust zu. Dies ist in der kontradiktorischen Taxe so festgestellt worden.
1.3.1
Kein Verstoß gegen Schadensminderungspflicht durch zeitnahe Reparatur.
Die Klägerin hat nicht dadurch gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, dass sie nicht bis zu einem regulären Werftaufenthalt gewartet hat, um die Reparaturen durchzuführen … Die Schadensminderungspflicht erlegt dem Geschädigten … hinsichtlich des Nutzungsausfalls auch grundsätzlich auf, die Reparatur eines Schadens, der nicht fahrt- oder wohnbehindernd ist, nur bei Gelegenheit eines anstehenden Werftaufenthaltes auszuführen oder zu Zeiten, in denen das Schiff ohnehin nicht gewinnbringend hätte eingesetzt werden können.
Dies bedeutet aber nicht, dass ein Schiff möglicherweise jahrelang ohne Reparaturen fahren oder bei geringfügigen Reparaturen immer auf Bordmittel zurückgegriffen werden muss. Es lässt sich im Rahmen der Schadensminderungspflicht keine den Eigentümer des geschädigten Schiffes betreffende Verpflichtung zur Reparatur bei Gelegenheit rechtfertigen, wenn diese Gelegenheit nicht in einem zeitlich absehbaren nahen Zeitpunkt ernsthaft in Betracht kommt (Rheinschifffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 29.05.1998 3 U 177/97 BSchRh ZfB 1998, Sammlung Seite 1717 ff; Rheinschifffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 17.03.2009 – 3 U 36/08 BschRh; von Waldstein/Holland, a.a.O., § 92 b Rn. 47). Ein solcher Werftaufenthalt stand nicht an und war auch nicht absehbar.
Die Klägerin hat zur Überzeugung des Gerichts den Beweis erbracht, dass der SV im Oktober 2015 für eine Summe von etwa 130.000,00 € instandgesetzt worden ist. Damit stand aller Voraussicht nach ab dem Zeitpunkt der Havarie binnen Jahresfrist kein Werftaufenthalt an, um bei dieser Gelegenheit die Schäden mit zu beheben. Dies hat die Vernehmung des Zeugen F ergeben … Insgesamt fasste er zusammen, dass das Schiff »umfangreich repariert« und für den Verkauf »brandneu gemacht« wurde …
1.3.2 Keine Reparatur anlässlich eines »Ohnehin« Werftaufenthalts. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts aus den genannten Gründen gleichfalls fest, dass während der Reparaturzeit über die Weihnachtstage 2015 keine anderen Reparaturen durchgeführt worden sind …
1.4 2 x 10 Stunden Fahrten zur Werft und zurück. Der Klägerin steht auch Nutzungsverlust zu für die Fahrten von der letzten Löschstelle zur Werft und zurück. Dies gilt unabhängig davon, wann die Reparatur durchgeführt wurde. Das Gericht geht davon aus, dass die Reparatur auch zu einem anderen Zeitpunkt bei der Werft H in Dordrecht durchgeführt worden wäre. Die Klägerin war aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung heraus nicht verpflichtet, eine andere näher als ihre Stammwerft gelegene Werft ausfindig zu machen und diese mit den Reparaturarbeiten zu beauftragen …
2.
Kein darüberhinausgehender Nutzungsverlust
Der Klägerin steht kein Nutzungsausfall für weitere Tage zu. Sie hat durch die Reparatur über die Weihnachtstage des Jahres 2015 gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen.
Grundsätzlich kann zwar der Geschädigte den ihm genehmen Zeitraum aussuchen, in dem er havariebedingte Schäden beheben lassen will (von Waldstein, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung, Einführung Rn. 44). Arbeitsfreie Tage (Samstage, Sonntage, Feiertage, Streiktage) sind aber nur dann zusätzlich zu den Reparaturtagen zu ersetzen, wenn die Reparatur einen Zeitraum von mehr als 5 Arbeitstagen in Anspruch nimmt (von Waldstein, a.a.O., Rn. 53; von Waldstein/Holland, a.a.O., § 92 b, Rn 47 mit Nachweisen).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Klägerin verpflichtet, den Schubverband so vorzulegen, dass bei einer Reparaturzeit von drei Tagen nicht drei zusätzliche Ausfalltage anfielen. Die Klägerin hätte den SV so vorlegen sollen und können, dass die Arbeiten innerhalb der Arbeitswoche erledigt werden konnten. Dass dies fahrtbedingt nicht möglich gewesen wäre, hat die Klägerin nicht hinreichend dargetan …
Die Käufer (dabei zu 1/2 die Klägerin selbst) des Schubverbandes hatten sich mit einer Übergabe statt am 01.01.2016, wie im vorläufigen Kaufübereinkommen vorgesehen, am 04.01.2016 einverstanden erklärt.
In der Zeit ab dem 01.01.16 (Beladung bei APM in Rotterdam) hat die Klägerin demnach eine Reise durchgeführt, obwohl die Übergabe am 01.01.2016 nach Abschluss der Reparaturen am 31.12.2015 möglich gewesen wäre. Eine Reparatur im Anschluss hätte mit den Käufern ausgehandelt werden können. In dem Kaufvertrag, der erst am 27.12.2015 und somit nach der Havarie geschlossen worden ist, ist unter Punkt 2 der Kaufbedingungen aufgeführt, dass die tatsächliche Lieferung des Schiffs in Dordrecht am 4. Januar 2016 erfolgen soll, jedoch spätestens am 1. Februar 2016 (»… 2. De feitelijke levering van het schip dientte geschieden te Dordrecht op 4 januari 2016, doch uiterlijk op 1 februari 2016«). Insofern wurde der Liefertermin 1. Januar 2015, der noch im Kaufvorvertrag vom 20.11.2015 vorgesehen war, ohnehin bereits abgeändert.
Die Schiffe waren nach dem klägerischen Vorbringen außerdem über 16 Jahre, bzw. über 10 Jahre im Einsatz rund um die Uhr. Es handelte sich um langjährig gebrauchte Binnenschiffe. Dass der Miterwerber von dem Kauf wegen der geringfügigen Mängel am Kasko Abstand nehmen würde, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Die Schadenssumme stand mit 5.885,00 € fest. Bei einem entsprechenden Preisnachlass hätten die Erwerber die Schiffe dann bei dem nächsten Werftaufenthalt mit reparieren lassen können.
Im Übrigen war der Klägerin bekannt, dass sie jeweils im 1. Quartal die niedrigsten Einfahrergebnisse erzielen würde. Auch unter diesem Gesichtspunkt hätte nichts näher gelegen, als die Reparatur in die Zeit Anfang Januar 2016 zu legen. Es war der Klägerin auch zuzumuten, trotz des beschädigten Pins auf der Steuerbordseite über die Feiertage zum Jahreswechsel weitere Fahrten zu unternehmen. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass Containerfahrten mit dem Pin, so wie er durch die Havarie beschädigt wurde, nicht möglich waren. Die Klägerin trägt insofern selbst vor, dass Containerfahrten nicht ausgeschlossen, sondern nur unter erschwerten Bedingungen möglich waren, insbesondere im Hinblick auf das Laden und Löschen …
Insgesamt ist daher Nutzungsverlust für die Dauer von 4 Tagen und 5 Stunden zu zahlen.
3. Die Höhe des Nutzungsverlustes ist nach Wahl der Klägerin zu berechnen. Dies erfolgt entweder abstrakt im Wege vereinfachter Schadensschätzung durch Heranziehung der Liegegeldsätze nach § 32 BinSchG a.F. (OLG Köln Urteil vom 22.01.2008, AZ 3 U 77/2008, ZfB 2008, Sammlung Seite 1974 ff; BGH Urteil vom 16.12.2008 AZ VI ZR 48/08 ZfB 2009, Sammlung Seite 2008 ff) oder konkret durch Nachweis eines genau bezifferten entgangenen Gewinns, den die Klägerin zu beweisen hätte.
Eine weitere Form der Schätzung ist die abstrakt/konkrete Form, bei der nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts die Einfahrergebnisse von drei Monaten vor der Havarie und drei Monaten nach dieser bzw. nach der Reparatur heranzuziehen sind. In diesem Falle für den Zeitraum 04.09.2015 bis 04.12.2015 und für den vom 01 01.2016 bis 31.03.2016 …