Anfang und Ende des Verklarungsverfahrens stehen zur Disposition des Antragstellers. Erklärt der Antragsteller, dass das Verklarungsverfahren ohne weitere Beweisaufnahme beendet werden soll, hat das Gericht der Dispositionsbefugnis des Antragstellers zu folgen, soweit nicht schützenswerte Interessen weitere Verfahrensbeteiligter entgegenstehen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Beweiserhebungen, die von weiteren Verfahrensbeteiligten angeregt wurden, beziehungsweise in deren Interesse liegen, vereitelt werden.
Das Verklarungsverfahren folgt dem Grundsatz der Offizialmaxime. Das betrifft die Art und Weise, das »wie« der Beweisaufnahme. Dem ist die Frage vorgelagert, ob eine Beweisaufnahme erforderlich ist, dies unterliegt der Disposition des Antragstellers in den oben aufgezeigten Grenzen.
Der Gegenstandswert des Verklarungsverfahrens entspricht in der Regel der Summe der vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten. Ein wesentlicher Anhaltspunkt ist dabei die Schilderung des tatsächlichen Herganges des Unfalles im Verklarungsantrag durch den Antragsteller.
Verfügung vom 2. März 2017 und Beschluss vom 28. Mai 2018 des Schiffahrtsgerichtes Mannheim, Az.: 30 UR II 1/16
Verfügung vom 2. März 2017
Das Gericht beabsichtigt, das Verklarungsverfahren zu schließen.
I. Auf Antrag des Schiffsführers des TMS »Endeavour« eröffnete das Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Mannheim am 20.10.2016 ein Verklarungsverfahren über den tatsächlichen Hergang eines Schiffsunfalls im Nordhafen der BASF in Ludwigshafen, bei dem das TMS »Endeavour« schwer beschädigt wurde und beauftragte einen Sachverständigen mit der sofortigen Aufklärung des Unfallhergangs vor Ort. Der Sachverständige war in der Folge an vier Tagen an der Unfallstelle tätig. Das Gericht bestimmte Termin zur Vernehmung von Zeugen auf den 04.11.2016.
Mit Schriftsatz vom 02.11.2016 erklärte der Antragsteller, er verzichte auf die Einvernahme der Zeugen sowie die weitere Ermittlung der Havarieursache durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen. Auch werde er für weitere entstehende Kosten nicht einstehen. Hintergrund war das Anerkenntnis des Beteiligten Ziff. 2 für alle am TMS »Endeavour« und dessen Ladung eingetretenen Schäden. Der Termin zur Vernehmung der Zeugen wurde aufgehoben. Der Sachverständige stellte seine Tätigkeit ein. In weiteren Schriftsätzen erklärte der Antragsteller, dass für ihn der Grund für das Verklarungsverfahren entfallen sei, er kein Interesse an der Weiterführung des Verklarungsverfahrens habe und er keine weitere Notwendigkeit für das Verfahren sehe. Sobald der Verklarungswert festgesetzt sei, sei das Verklarungsverfahren zu schließen.
Auch der Beteiligte Ziff. 5 erklärt, dass sich eine weitere Beweisaufnahme zur Schadensursache durch das Anerkenntnis des Beteiligten Ziff. 2 erübrige. Gleichwohl könne es noch nicht geschlossen werden, um es ggf. zur Frage der Schadenshöhe fortzusetzen.
Der Beteiligte Ziff. 2 weist darauf hin, dass das Verklarungsverfahren ohne Beweisaufnahme nicht geschlossen werden könne. Wenn der Antragsteller das Verfahren beenden wolle, möge er den Antrag zurücknehmen.
II. Bei dem Verklarungsverfahren handelt es sich um ein reines Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Als solches unterliegt es in besonderem Maße der Dispositionsbefugnis des Antragstellers. Das ergibt sich aus § 22 FamFG, der der begrenzten Dispositionsbefugnis der übrigen Beteiligten Ausdruck verleiht. Die Hoheit über die Durchführung des Verfahrens behält der Antragsteller. Er soll möglichst lange die Gelegenheit haben, das Verfahren zu beenden (MüKoFamFG-Pabst, 2. Aufl. 2013, § 22 Rz. 1).
Diese allgemeinen Grundsätze gelten ausgeprägter noch im Verklarungsverfahren. Das Verklarungsverfahren beginnt mit dem Antrag auf gerichtliche Verklarung und wird im Regelfall auf Antrag geschlossen (v. Waldstein, Das Verklarungsverfahren im Binnenschiffahrtsrecht, S. 98). Anfang und Ende des Verfahrens stehen zur Disposition des Antragstellers. Innerhalb dieses Rahmens befindet das Gericht über die beantragte Beweiserhebung, führt sie ggf. durch und entscheidet über die Schließung des Verfahrens.
Vorliegend hat der Antragsteller wiederholt und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass das Verklarungsverfahren beendet werden solle. Dem hat das Gericht als Ausfluss der Dispositionsmaxime zu folgen, soweit nicht schützenswerte Interessen weiterer Verfahrensbeteiligter entgegenstehen. Dies wird in der Literatur angenommen, wenn die Schließung zu »Unzeit« erfolgt, weil beispielsweise Beweiserhebungen, die von weiterer Verfahrensbeteiligten angeregt wurden bzw. in deren Interesse liegen, vereitelt werden (v. Waldstein, a.a.O., S. 98).
Solche entgegenstehende schützenswerte Interessen sind indes nicht erkennbar. Der Beteiligte Ziff. 2 hat durch sein Anerkenntnis das Verklarungsverfahren in der Sache obsolet werden lassen. Zweck der Verklarung ist die Sicherung von Beweisen zur späteren Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen (v. Waldstein/Holland Binnenschiffahrtsrecht, 5. Auflage, § 11 BinSchG Rz. 4). Dessen bedarf es erkennbar nicht, wenn die Haftung dem Grunde nach uneingeschränkt anerkannt wurde.
Soweit der Beteiligte Ziff. 2 gleichwohl auf der Durchführung weiterer Beweisaufnahmen besteht, weil er der Ansicht ist, das Verfahren könne nur durch Antragsrücknahme beendet werden, da es eine Schließung des Verklarungsverfahrens ohne Verklarung nicht geben kön-ne, liegt ein schutzwürdiges Interesse nicht vor. Ungeachtet der Tatsache, dass er sich damit in der Sache auch nicht gegen die Beendigung des Verfahrens ausspricht, setzt er sich in Widerspruch zu seinem eigenen rechtlichen Vorgehen. Denn durch sein Anerkenntnis hat er ge-rade jede Beweisaufnahme überflüssig gemacht und dem Verfahren den Boden entzogen. Allein in der von ihm vertretenen formalen Rechtsposition, das Verfahren könne nur durch Antragsrücknahme beendet werden, ist ein schutzwürdiges Interesse nicht erkennbar. Zumal diese Ansicht auch keine Stütze im Gesetz findet.
Nach derzeitiger Bewertung dürfte auch in der vom Beteiligten Ziff. 5 vorgetragene Interesse an einer möglichen Fortführung des Verklarungsverfahrens zur Höhe des Schadens keine schützenswerte Position zu sehen sein. Denn die Frage der Schadenshöhe ist ausdrücklich nicht Gegenstand dieses Verklarungsverfahrens, das insoweit im Verklarungsbeschluss gegenüber dem Antrag beschränkt wurde.
Schließlich steht auch die Offizialmaxime einer Schließung nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die Durchführung der Beweisaufnahme von Amts wegen durch das Gericht erfolgt und der freien Disposition der Beteiligten und insbesondere des Antragstellers insoweit entzogen ist. Das betrifft aber die Art und Weise, das »wie« der Beweisaufnahme und ergibt sich aus dem Zweck der Verklarung. Die Beweisaufnahme soll, damit sie später gerichtlich verwertbar ist, unabhängig durch das Gericht erfolgen. Die vorgelagerte Frage der Erforderlichkeit der Beweisaufnahme ist davon aber losgelöst. Sie unterliegt in den oben aufgezeigten Grenzen der Disposition des Antragstellers.
Unabhängig davon stünde vorliegend selbst einer Schließung von Amts wegen nichts entgegen. Anerkannt ist dies in der Literatur für den Fall, das nach erfolgter Beweisaufnahme der Antragteller trotz Aufforderung keinen entsprechenden Antrag stellt (v. Waldstein, a.a.O., S. 98). Maßgeblich ist damit, dass der Zweck des Verfahrens (durch die erfolgte Beweisaufnahme) entfallen ist. Dann soll das Gericht nicht gezwungen sein ein materiell beendetes Verfahren formell nicht abschließen zu können. Nicht anders verhält es sich aber, wenn sich der Verfahrenszweck anderweit erledigt hat, etwa, weil er nicht mehr erreicht werden kann. Auch dann muss eine Schließung des Verfahrens möglich sein. Dies ist in jeder Phase des Verfahrens durch das Gericht zu berücksichtigen.
Das Gericht beabsichtigt für den Verklarungswert den voraussichtlichen Umfang des Schadens am TMS »Endeavour« anzusetzen. Der Antragsteller wird gebeten auf Grundlage der nach seinem Vortrag laufenden bzw. erfolgten kontradiktorischen Schadenstaxe dazu vorzutragen. Dazu besteht Gelegenheit bis zum 01.04.2017.
Beschluss vom 28. Mai 2018
hat das Amtsgericht Mannheim durch … am 22.05.20 18 beschlossen:
Nach Rücknahme des Verklarungsantrags durch den Antragsteller mit Schriftsatz vom 16.05.2018 wird der Streitwert auf 1.499.078,54 Euro festgesetzt.
Gründe:
Bei der Festsetzung des Streitwertes waren die Schäden der drei durch den Schiffsunfall am 17.10.2016 betroffenen Tankmotorschiffe zusammenzurechnen.
Das Verklarungsverfahren ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit und unterliegt demgemäß dem Untersuchungsgrundsatz nach § 26 FamFG. Für die Gestaltung des Verfahrens sowie Art und Umfang der Beweisaufnahme ist allein das Gesamtinteresse an einer möglichen Aufklärung des vollständigen Sachverhalts eines Schiffsunfalls als Voraussetzung für die spätere Regelung aller irgend möglichen Anspruche der Beteiligten daran maßgeblich (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 30.04.2014, 3 W 19/14 BSch, ZfB 2014, Sammlung Seite 2278 ff; Beschluss vom 15.10.1999, 3 W 31/99 BSch, zitiert nach juris Rn. 6). Dies ist auch für die Bemessung des Gegenstandswertes von Bedeutung, bei der alle für den Wert irgendwie erheblichen Umstände einbezogen werden können. Nicht das Interesse einzelner Beteilig-ter bestimmt den Wert des Geschäftes, sondern dessen objektiver Wert (OLG Köln aaO). Demgemäß wird in bisheriger Übung der Schifffahrtsgerichte der Geschäftswert nach der Summe der vermögensrechtlichen Interessen bestimmt, die Gegenstand der Prüfung im Verklarungsverfahren sind (OLG Köln aaO; von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 14 Rn. 1 BinSchG). Dies bedeutet aber nicht, dass zur Ermittlung des Geschäftswertes die vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten immer schematisch zu addieren sind. Hiermit ist lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei der Ausübung des Ermessens gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG die betroffenen vermögensrechtlichen Interessen der Beteiligten für den objektiven Geschäftswert wesentliche Anhaltspunkte sind (OLG Köln aaO). Vorliegend hatte der Antragsteller im Schriftsatz vom 20.10.2016 die Beweiserhebung über den tatsächlichen Hergang des Unfalles sowie über den Umfang der dabei entstandenen Schäden beantragt. Zwar hat das Gericht im Beschluss vom 20.10.2016 die Beweisaufnahme über den tatsächlichen Hergang des Schiffsunfalles vom 17.10.2016 angeordnet, nicht über den Umfang der entstandenen Schäden. Im Beschluss ist jedoch ausdrücklich die Rede davon, dass nicht nur das TMS Endeavour, sondern auch das TMS Wervelwind und TMS Symphonie von dem Schiffsunfall betroffen seien. Alle drei Schiffe seien durch die Explosion im Nordhafen in Ludwigshafen schwer beschädigt worden. Die Schäden am TMS Endeavour belaufen sich auf 1.366.318,44 Euro, am TMS Symphonie auf 103.760,10 Euro und am TMS Wervelwind auf 29.000,00 Euro, somit insgesamt auf 1.499.078,54 Euro.
Anmerkung der Redaktion:
Die beiden vorstehend wiedergegebenen Entscheidungen, die beide das gleiche Verklarungsverfahren betreffen, sind für die Grundsätze der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren einerseits und für die Ermittlung des Gegenstandswertes andererseits interessant, da sie auf einer besonderen Konstellation beruhen:
Das Verklarungsverfahren betrifft ein schweres Explosionsunglück, das sich an Land in Ludwigshafen ereignet hat. Die an Land entstandenen Sachschäden waren um ein Vielfaches höher als die Schäden der drei betroffenen Tankschiffe, die im Hafen direkt vor der Unfallstelle lagen, von denen eines sehr schwer beschädigt wurde.
Gegenstand des Verklarungsverfahrens kann nach dem Wortlaut des § 11 BinSchG nur ein Unfall sein, von dem das Schiff oder die Ladung betroffen ist. Der eigentliche Unfall hatte sich zwar an Land ereignet, hatte aber zu Schäden an drei Schiffen geführt, also waren Schiffe im Sinne des § 11 BinSchG betroffen, wie das Verklarungsgericht zu Recht angenommen hat. Der antragstellende Schiffsführer hatte im Verklarungsantrag angegeben, dass sich die Explosion an Land ereignet hatte, dabei aber genau beschrieben, welche Schiffe durch diesen Unfall betroffen waren. Aus diesem Grund hat der Verklarungsrichter das Verklarungsverfahren auf die Aufklärung der Ursache für die Schäden an den Schiffen beschränkt. Zur Erstattung des in Auftrag gegebenen Gutachten und zur Anhörung verschiedener benannter Zeugen kam es aber nicht mehr, da ein Beteiligter des Verklarungsverfahrens seine Haftung dem Grunde nach gegenüber allen betroffenen Schiffsinteressenten anerkannt hatte.
Die Ausführungen des Verklarungsrichters zum Verhältnis von Offizialmaxime einerseits und Dispositionsbefugnis des Antragstellers andererseits sind grundlegend und zutreffend. Der Antragsteller kann durch die Formulierung oder auch durch Rücknahme des Antrages Einfluss nehmen auf den Umfang der Beweisaufnahme. In aller Regel folgt das Verklarungsgericht den Beweisanträgen aller Beteiligter, soweit sie vom Verklarungszweck gedeckt sind und soweit ein schützenswertes Interesse des Beteiligten besteht. Der Umfang der Havarieaufklärung hängt daher ganz entscheidend von der aktiven Mitwirkung des Antragstellers und der Beteiligten ab, die Durchführung der Beweisaufnahme selbst, das »wie«, aber erfolgt nach den Regeln über eine Beweisaufnahme vor Gericht, was dazu führt, dass die Verklarungsprotokolle in der Regel als Urkundsbeweis in eventuell folgende Streitverfahren eingebracht werden können, ohne dass eine erneute Einvernahme der Zeugen erforderlich ist.
Von Bedeutung ist auch der Beschluss über den Streitwert des Verfahrens (richtiger: »Gegenstandswert«). Zwar war die Betreiberin der havarierten Landanlage Beteiligte des Verklarungsverfahrens, nach dem Antrag des Antragstellers richtete sich das Verklarungsverfahren aber ausschließlich auf die Ermittlung der Ursache der an den Schiffen entstandenen Schäden. Obwohl regelmäßig die Summe aller Vermögensinteressen aller Beteiligten den Gegenstandswert des Verklarungsverfahrens ausmacht, hat im vorliegenden Fall das Schiffahrtsgericht Mannheim zutreffend und mit richtiger Begründung nur die Summe der an den Schiffen entstandenen Schäden zuzüglich Nebenkosten zum Gegenstandswert gemacht, ohne den Umfang der landseitig entstandenen Schäden mit zu berücksichtigen. Der Grund dafür ist, dass der Antragsteller schon im Antrag deutlich gemacht hatte, dass ausschließlich die Auswirkung des Unfalles auf die Schiffe Gegenstand der Verklarung sein sollten und nicht die Auswirkungen an Land.
Der Antragsteller hat es also durch die Formulierung seines Antrages in gewissem Umfange in der Hand, den Gegenstand des Verklarungsverfahrens zu definieren und damit Einfluss auf den Umfang der Beweisaufnahme sowie auf die Höhe des Gegenstandswertes des Verklarungsverfahrens zu nehmen. Auch die landseitige Beteiligte hatte im Verklarungsverfahren niemals Beweisanträge gestellt, die sich auf die Verursachung landseitiger Schäden richtete; anderenfalls wäre auch der Betrag der landseitig entstandenen Schäden in den Gegenstandswert eingegangen, wie es bei vielen zurückliegenden Fällen im Zusammenhang mit Havarien beim zum Beispiel Laden und Löschen von Tankschiffen bereits der Fall war.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main