Aus dem Stand heraus als Werft innerhalb von zehn Jahren 100 Schiffe zu bauen, darf getrost als Bestleistung bezeichnet werden. Den Eignern der GS Yard im niederländischen Waterhuizen ist diese gelungen: Grund genug zum Feiern
Daniel Gausch, Binnenschiffer und Inhaber der Gausch-Tankschifffahrt, und Christian Hochbein, Schiffsmakler und Unternehmer, kennen sich schon lange. Nach der Jahrtausendwende bauten sie gemeinsam Schiffe, mit Kaskos aus Polen oder China. Der Ausbau erfolgte auf verschiedenen Werften. Im Jahr 2007 war eine Werft am Winschoter Diep Partner für den Ausbau der »Christine«, der »Eiltank 6« und der »Eiltank 7«: die Maas Shipyard Waterhuizen.
Die befand sich schon einige Zeit in wirtschaftlichen Turbulenzen, hatte nach einem Konkurs einen Neustart gewagt, der aber ebenfalls nicht wirklich rund lief. Als sich für Gausch und Hochbein die Chance zeigte, sich hier zu engagieren, griffen sie zu und übernahmen zum 1. Januar 2008 die Werft. Die wurde zunächst unter dem Namen Groningen Shipyard geführt, wechselte dann vor einigen Jahren in GS Yard. Eine solche Werft zu übernehmen, sei in Deutschland nicht oder kaum möglich gewesen, erinnert sich Hochbein.
Mit Geschick, Sachverstand, guter Arbeit und Termintreue gingen die beiden neuen deutschen Eigentümer und Geschäftsführer ans Werk. Gauschs Aufgabenbereich liegt in der Technik, Hochbeins Domäne sind die Finanzen. Diese Aufgabenkombination sollte einer der Schlüssel im erfolgreichen ersten Jahrzehnt sein. Der andere wesentliche Faktor war die Einbeziehung von Fachkräften aus der Region, die in den Jahren nach der Firmengründung durch Facharbeiter aus ganz Europa ergänzt wurden. Aktuell ist die GS Yard für rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich.
Der Standort selbst, kurz vor den Toren der Stadt Groningen und logistisch gut an das Wasserstraßennetz angebunden, ist ein traditioneller Schiffbaustandort. Auf dem Gelände der heutigen GS Yard, sie ist eine Tochter der Hogau B.V., wurden bereits seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Schiffe gebaut. Zunächst waren es Schuten, Schoner und Tjalks mit einer Tragfähigkeit von gut 30t, später Prahme mit bis zu 80t Ladungsaufnahme.
Für die beiden Geschäftsführenden Gesellschafter ist die Leitung der Werft nicht nur mit entsprechendem Arbeitsaufwand verbunden. Ihre Fahrt ins Büro geht regelmäßig über lange Strecken. Hochbein hat knapp 700km auf dem Zähler, wenn er von seinem Wohnort Marktheidenfeld nach Waterhuizen fährt. Gausch reist aus Greffern bei Baden-Baden an und hat noch 80km mehr auf dem Tacho. Das aber hält sie nicht davon ab, regelmäßig in Waterhuizen im Büro zu arbeiten.
Die »Sunrise-Serie«
Das alles macht nur Spaß und Sinn, wenn das Ergebnis stimmt. Das dürfte bei den beiden Yard-Chefs der Fall sein. Mehr noch: mit stetem Ehrgeiz hat die Werft vor einigen Jahren einen neuen Schiffstypus entwickelt, der sich als tragenden Säule erwiesen hat. Die Rede ist vom Typ »Sunrise«, einem vorzugsweise für die Kanalfahrt entwickelten Binnenschiff, von dem aktuell rund 30 Einheiten in Fahrt sind. Zunächst wurde er als Tanker konzipiert und auf 86m Länge bei 9,45m Breite ausgelegt. Inzwischen sind auch Sunrise-Trockengutfrachter in Fahrt sowie Tanker mit 110m Länge und 11,45m Breite.
Das offene Geheimnis dieses Schiffstyps ist die konsequente Reduktion von Gewicht. Das beginnt mit leichtem, aber dennoch hochfestem Stahl für die Konstruktion, geht über eine leichtere Motorisierung und beinhaltet auch konstruktive Verbesserungen am Unterwasserschiff und am Heck. In Summe resultiert aus dem Konzept, dass im Vergleich zu herkömmlichen Schiffen eine rund 150t höhere Tragfähigkeit gegeben ist und sich der Dieselverbrauch um 10% reduzierte. Das sind Faktoren, die die Wirtschaftlichkeit direkt nach vorn bringen.
Der erste Reeder, der ein Sunrise-Schiff orderte, war auch der Besteller des Jubiläumsschiffes. Am Tag des diesjährigen Sommerfestes lief die »Burmester 100« vom Stapel und wurde sogleich getauft. Christian Büchting von der Reederei Burmester war schon nach dem ersten Sunrise-Schiff begeistert und nannte es einen »Moneymaker«. Hochbein wird im Zusammenhang mit dieser Werftentwicklung mit seiner Arbeitsmaxime zitiert: »Reduzieren auf das Maximum.« Oder in Langform: »Wir bauen Schiffe, mit denen Geld verdient werden kann, ohne überflüssigen Schnickschnack.«
Neben den Sunrise-Schiffen und »gewöhnlichen« Binnenschiffen hat die GS Yard in der vergangenen Dekade auch 15 sogenannte Fluss-Seeschiffe gebaut. Die Reederei Wijnne Barends aus Delfzijl orderte die auf 3.700tdw bemessenen Coaster in Serie und baute damit ihre Flotte aus. In der Firmenhistorie sind zudem drei Kaskos für Flusskreuzer aufgeführt.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor, der mit dafür sorgte, dass die Werft die mageren Jahre der Schiffbaukrise überstand, ist die konsequente Zusammenarbeit mit unverzichtbaren Akteuren. Die enge Kooperation mit Schiffsfinanzierern und Banken versetzt die Werft in die Lage, nicht nur Schiffe, sondern zugleich wirtschaftlich tragfähige Lösungen anzubieten. Zudem setzten Hochbein und Gausch auf Zulieferer und Subunternehmer, die sich längst als feste Partner etabliert haben und bei jedem Schiff, was in Waterhuizen vom Stapel läuft oder getauft wird, absolute Qualität liefern. Das gilt im Ausbaubereich für die Firmen Tischlerei & Alubau Wessels und die Tischlerei Markus Leder, die sich, je nach Kundenwunsch, um die Tischlergewerke kümmern. Im Bereich der Schiffsverrohrung ist Deymann Rohrbau aus Haren stetiger Partner. Für Elektrik und Elektronik ist Kadlec & Brödlin sozusagen abonniert. Die Liste ließe sich weiter verlängern. Entscheidend ist, dass die beteiligten Firmen aufeinander eingespielt sind und so für Rekordzeiten von 21 Wochen für ein fertiges Schiff sorgen.
Neubaugeschäft boomt
Die bisherige Taktung, jährlich mehr als zehn Schiffe ins Wasser zu bringen, soll auch für die Zukunft gelten. Knapp 100 Anfragen für Schiffsneubauten lägen bei der Werft vor, hat Hochbein jüngst verraten. Natürlich werden daraus nicht ebenso viele Aufträge, aber um die Zukunft ist den beiden deutschen Werftchefs nicht bange. Jedenfalls nicht, was die Nachfrageseite betrifft. Aktuell im Auftragsbuch stehen sechs Tanker und der Bau eines Passagierschiffes. Eher liegen mögliche Engpässe im Bereich von zusätzlichen qualifizierten Mitarbeitern. Da unterscheidet sich die Szene in den Niederlanden nicht von der in Deutschland.
Ein wenig deutsches Flair, besser gesagt, fränkische Atmosphäre, importierte die GS-Yard-Verantwortlichen auch zum Jubiläums-Sommerfest. Bei Haxen, Bier und unterhaltender Musik einige Stunden zu feiern, war auch zum Jubiläum angesagt. Für die beiden Werftchefs hatte die Belegschaft eine besondere Überraschung parat: Sie hatten die zehn Jahre Firmengeschichte in einem Buch dokumentiert. Darin können Daniel Gausch und Christian Hochbein nun nachlesen, womit sie einen großen Teil ihrer Zeit in den letzten zehn Jahren verbracht haben.
Hermann Garrelmann