Magdeburg setzt im Hafen auf Tradition

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Ehemalige Hafenstandorte, in denen das Erbe der Binnenschifffahrt gepflegt wird, wie beispielsweise in Berlin oder Brandenburg, nennen sich Museumshafen. In Magdeburg ist das anders

Magdeburg versteht sich seit 800 Jahren als Hafenstadt und ist seither und auch heute noch nach Hamburg der zweitgrößte Hafen an der Elbe. Die Umschlagplätze verteilten sich früher entlang des westlichen Elbufers. Von 1886 bis 1893 wurde jedoch in der Alten Neustadt, wie sie offiziell heißt, ein Hafenbecken von 994m mit einer 1.600m langen Kaimauer errichtet, hinter der Zucker- und Getreidespeicher, Lagerhallen für Stückgüter und Lagerflächen für Massengüter sowie Verwaltungsgebäude, Kranbahnen für elf Stückgut- und Massengutkräne errichtet wurden. Weil auch einige Handelshäuser sich im Hafen ansiedelten, erhielt der damals neue Hafen die Bezeichnung Handelshafen.

Die Einfahrt befindet sich unterhalb der Herrenkrug-Eisenbahnbrücke und mündet nach etwa 200m unter einer Eisenbahn- und Straßenhubbrücke rechtwinklig in das Hafenbecken. Jedoch war die Handelshafeneinfahrt, da sie über einer Felsrippe liegt, von Beginn an anfällig, bei Niedrigwasser zu geringe Tauchtiefen zu bieten.

Da sich nach Norden hin mehr Industrie ansiedelte, entstand von 1908 bis 1911 ein neues Hafenbecken, das den Namen Industriehafen erhielt. Mit der Fertigstellung des Mittelandkanals entstand zusätzlich noch von 1929 bis 1932 der Kanalhafen mit zwei zusätzlichen Hafenbecken und direktem Zugang über das Schiffshebewerk Rothensee vom Mittellandkanal. Einen indirekten Zugang vom Elbe-Havel-Kanal gibt es über die Schleuse Niegripp und nach 10km die Elbe stromauf zum Industriehafen besteht auch Anschluss an den Kanalhafen.

Nach dem Ende der DDR verlor der Handelshafen seine Bedeutung und wurde stillgelegt. Die Stadt Magdeburg und zahlreiche Enthusiasten wollten den Handelshafen aber gern erhalten und gründeten einen Verein zur Förderung der Magdeburger Hafengeschichte, dessen Vorsitzender der letzte Technische Leiter der Hafenverwaltung, Wolfgang Hucke, seit dessen Gründung 1995 bis heute ist.

Gemeinsam mit der Stadt wurde ein Konzept entwickelt und 2011 beschlossen, das vorsieht, die gesamte feste und bewegliche Substanz des alten Hafens zu erhalten und ihn gleichzeitig für wissenschaftliche Zwecke bei Erhalt der al ten Bausubstanz umzunutzen. Zwei ehemalige Speicher wurden saniert und mit Fenstern versehen, in welche Abteilungen der Magdeburger Uni und des Fraunhofer-Institutes eingezogen sind, die den Komplex nun »Denkfabrik« nennen.

Alte Umschlaggeräte und Derricks, Baujahr 1911, dienen dazu, zu zeigen, wie früher Stückgüter umgeschlagen wurden. Ein Eberswalder Hochportalwippdrehkran, Baujahr 1956, und ein Stück- und Sackgutkran, Baujahr 1965, sind im Bestzustand erhalten. Die gesamte alte Hafenbahntechnik wie Lokomotiven, Waggons, Draisinen etc. werden von einem befreundeten Eisenbahnverein betreut.

Was die Binnenschifffahrt betrifft, so gibt es drei Attraktionen auf einem Areal direkt an der Hafeneinfahrt zu sehen. Zum einen den in mehrjähriger Arbeit rekonstruierten einzigen Kettendampfer der Elbe, »Gustav Zeuner«, der von 1895 bis 1931 den Fluss befuhr und bis vor seiner Rekonstruktion als Umkleideeinrichtung an einer Badeanstalt diente. Er ist nach Anton Zeuner (1828-1897) benannt, dem Erfinder des Wasserstrahl-Turbinenantriebs und Begründer der technischen Wärmelehre.

Zum anderen sind es die »Taucherschacht II«, Baujahr 1898, die bis vor zwei Jahren im Einsatz war, sowie der Eimerkettenschwimmbagger »Otter«, die beide in diesem Frühjahr auf Land gesetzt wurden.

Das Interessante an diesem Hafenteil ist, dass der linksseitige Elberadweg direkt durch diesen Hafenteil hindurchführt, also allein dadurch sehr viele Zuschauer anlockt. Ein kleines Museum mit attraktivem Café lädt zum Verweilen ein.

»Taucherschacht II« und Eimerkettenbagger werden, wie einst der Kettendampfer »Gustav Zeuner«, von Mitarbeitern der Firma GISE im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen restauriert. Die Kosten trägt die Stadt Magdeburg. Es wird damit gerechnet, das die Arbeiten mindestens zwei Jahren dauern werden, und somit rund zwei Jahre weniger als bei der »Gustav Zeuner«. Beide Schiffe bringen viele Tonnen auf die Waage. Beim »Taucherschacht II« sind es beispielsweise 265t, weshalb ein mobiler 300-t-Kran zu Hilfe genommen werden musste, um beide Einheiten an Land zu heben.

Alles in allem sollen im Wissenschaftshafen elf verschiedene Projekte abgearbeitet werden. Neben den beiden Speichern der »Denkfabrik« sind bei anderen aber noch Eigentumsfragen zu klären beziehungsweise stören bei einem Speicherkomplex, der sich Reichseinheitsspeicher nennt. Dieser besteht aus zwei Speichern und soll zu Wohnungen umgebaut werden. Lärmbelästigungen durch benachbarte Mühlenwerke verhindern das bisher.

Fördervereinsvorsitzender Wolfgang Hucke ist der Ansicht, dass hier nicht auf Eile gemacht werden muss. Das historische Erbe sei es wert, dass mit ihm sorgsam umgegangen werde, Schnellschüsse würden nur das Ergebnis beeinträchtigen.

Die Magdeburger Eisenbahnfreunde und der Verein zur Förderung der Magdeburger Hafengeschichte veranstalten am 8. und 9. September 2018 ein Hafenfest zum 125-jährigen Bestehens des Handelshafens.


Christian Knoll