Das neue Bauwerk in Niederfinow ist erstmals einem Stresstest unterzogen worden. Der mit Wasser gefüllte rund 10.000 t wiegende Trog musste dabei genau so schwer sein wie sein Gegengewicht
Bei dem Hebewerksneubau handele es sich um eine planmäßige, altersbedingte Ersatzinvestition für die seit 1934 betriebene alte Anlage, die zukunftssicher auf die Abmessungen der Wasserstraßenklasse Va ausgelegt werde, erläutert, Rolf Dietrich, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes (WNA) Berlin.
Da die alte Anlage immer noch in Betrieb sei, könne die Havel-Oder-Wasserstraße mit den derzeit verkehrenden Fahrzeugen uneingeschränkt genutzt werden. Der Fokus des Bundes bei diesem (Ersatz-)Neubauvorhaben liege daher auf der Durchsetzung einer hohen Ausführungsqualität und der Einhaltung des zuletzt zur Auftragsvergabe vor zehn Jahren angepassten Budgets in Höhe von insgesamt 300Mio. €, so Dietrich.
Auch die Risiken für die Inbetriebnahme seien überschaubar. Neben einer dem Sonderbauvorhaben angemessenen Planungstiefe des Verwaltungsentwurfes unterstütze eine eigene Fachbauoberleitung den Generalauftragnehmer bei der Gewährleistung einer hohen Ausführungsqualität. Weiter setze man ein digitales Simulationsmodell für eine virtuelle Inbetriebnahme der Anlagentechnik ein, so dass Inbetriebnahmerisiken im Zusammenspiel zwischen einzelnen Anlagenkomponenten und der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik bereits erkannt und minimiert würden, bevor die Montage der Bauteile auf der Baustelle beginne. Erste Erfahrungen mit Werksabnahmen und Teilinbetriebsetzungen einzelner bereits ausgeführter Anlagenkomponenten bestätigten diese Erwartungshaltung.
Besucherplattform in 50 m Höhe
Die künftige Besucherplattform, die anders als am alten Hebewerk nicht außen sondern innen um das neue Hebewerk verläuft, befindet sich in einer Höhe von etwa 50m. Klaus Winter, Leiter des Baubüros des neuen Schiffshebewerks Niederfinow, erläutert, dass die Gegengewichte des Troges das gleiche Gewicht haben müssen, wie der mit Wasser gefüllte Trog von jeweils rund 10.000t.
Zum Einbau der 220 Gegengewichte im Jahre 2015 wurden 4.300 Sandsäcke (sogenannte Big Bags) in den Trog abgesenkt. Die Big Bags simulieren praktisch die Wassermenge von rund 6.500 t, die später beim Betrieb im Trog sein werden. Seitdem wurden mit voll belasteter Rahmenkonstruktion alle Maschinen und Maschinenteile am Rahmen eingebaut.
Veränderte Architektur
Aufgrund der Architektur ist die Rahmenkonstruktion des neuen Schiffshebewerkes nicht wie beim alten geschlossen. Die beiden Haupttragachsen sind nicht unmittelbar miteinander verbunden und können sich durch jahreszeitliche Temperaturschwanken leicht bewegen. Der gesamte Maschinenbau ist darauf abgestimmt. Mit Fertigstellung des Trogsicherungssystems, welches den Trog im Falle einer Havarie auch ohne Wasserfüllung halten soll, konnten die Big Bags im Juni und Juli wieder ausgebaut werden.
»Den Stresstest des damit planmäßig herbeigeführten Havariefalles hat die Anlage mit Bravour bestanden«, sagt Dietrich. Die 6.500 t Gewicht auf der Trogseite seien über das Sicherungssystem planmäßig und ohne unzulässige Verformungen in das Tragwerk abgeleitet worden. Damit bestehe nun Baufreiheit, um die Innenflächen des Troges mit dem vorgesehenen Korrosionsschutzsystem zu beschichten.
Gleichzeitig seien Arbeiten zur Komplettierung der Antriebe und Maschinenhäuser sowie der Trogtorantriebe und -dichtungen erfolgt. Auch die Werkserprobung für die spätere Troghaltevorrichtung für das Andocken am oberen bzw. unteren Haltungsabschluss sei gerade erfolgreich abgeschlossen worden, so Dietrich.
Von der Besucherplattform aus betrachtet, lässt sich zudem erkennen, wie weit das Wasserbauunternehmen Bunte mit dem als gesondert vergebenen Auftrag für den Neubau des unteren Vorhafens gekommen ist, dessen erster Rammschlag Anfang Mai 2017 erfolgte. Die Spundwände und eine Reihe Festmachedalben wurden bereits vollständig gerammt. Auch ist der alte untere Vorhafen der ehemaligen Schleusentreppe, der zu einem Biotop umgestaltet wird, schon abgedämmt.
Johann Bunte Bauunternehmung aus Papenburg hat jüngst damit begonnen, den ersten Anker für die bereits gerammten Spundwände zu setzen. »Wenn das erledigt ist«, so Winter, »braucht nur noch der Vorhafen ausgebaggert und die Ufer verschönt zu werden.«
Probebetrieb ist 2019 geplant
Rolf Dietrich rechnet damit, dass beim neuen Schiffshebewerk Niederfinow im kommenden Jahr der Probebetrieb beginnt. Auf einen Eröffnungstermin möchte er sich allerdings noch nicht festlegen. Nach der Fertigstellung des Bauwerks kann es von bis zu 110 m langen, 11,40 m breiten und 2,80 m tiefgehenden Einheiten genutzt werden.
Christian Knoll