Am künftigen Berliner Humboldthafen werden keine sauberen Elektro-Fahrgastschiffe, sondern herkömmliche Diesel-Einheiten an- und ablegen. Vor dem Verwaltungsgericht gab es keine Einigung, nun geht der Streit in die nächste Runde.
Die Arbeitsgemeinschaft aus Reederverband und Stern- und Kreisschifffahrt plant eine rund 100 m lange Stegkonstruktion, die über die komplette Westseite des Hafens reicht. Rund 80 Pfähle mit bis zu einem halben Meter Durchmesser sollen in das Hafenbecken gerammt werden.
Vor dem Berliner Verwaltungsgericht wurde gestern um einen Kompromissvorschlag gerungen, denn der Verband der Elektroschifffahrt hatte sich ebenfalls um den Anleger im Humboldthafen beworben. Da der Antrag der »Dieselreeder« jedoch zuerst eingegangen sei, sei der Antrag für die Elektro-Fahrgastschiffe gar nicht bearbeitet worden, so der Verband. Ein Kompromiss – beispielsweise ein Anleger für Alle – ist nun vor Gericht gescheitert. Damit sei »Stress vorprogrammiert«.
»Wettbewerb wird unterdrückt«
Der Verband der Elektroschifffahrt warnen nun: »Anwohner und Besucher der ansässigen Gastronomie schauen dann nicht auf die denkmalgeschützte Hafenmauer, sondern auf Ausflugsdampfer mit einer Länge bis zu 68 m. Im Minuten-Takt werden An- und Ablegemanöver mit 180° Drehung der Schiffe stattfinden.« Insbesondere bei den Wendemanövern würden große Mengen gesundheitsgefährdender Luftschadstoffe ausgestoßen, da ein Großteil der Schiffe momentan nicht über Abgastechnik wie Rußpartikelfilter oder Stickoxidkatalysatoren verfüge – »und das mitten in Berlins Umweltzone«, so die Kritiker. Auch die Lärmbelastung dürfte zu Anwohnerklagen führen, da sich immer mindestens zwei Schiffe im Hafen aufhalten werden, so die Befürchtung.
Der zuständige Richter der 10. Kammer am Berliner Verwaltungsgericht äußerte nach Angaben des Verbands der Elektroschifffahrt in der mehrstündigen Sitzung sein Unverständnis zum Verwaltungshandeln des Berliner Senats. So hätte aus seiner Sicht die zuständige Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz durchaus die Genehmigung für die Diesel-Fahrgastschiffe versagen können, da im vorliegenden Fall zum Einen der Wettbewerb unterdrückt werde, zum Anderen zukünftige Nutzungskonflikte mit den Anwohnern absehbar seien.
»Vergabe verstößt gegen geltendes Recht«
Verbandssprecher Luis Lindner sieht in der Vergabepraxis einen klaren Verstoß gegen geltendes Gesetz: »Entgegen der ursprünglichen Aussage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung findet bis heute kein transparentes Verfahren für eine Vergabe des Anlegers statt. Diese Vorgehensweise ist weder nach nationalem Recht noch europarechtlich haltbar. Staatliche Stellen sind zur transparenten und verteilungsgerechten Zuteilung staatlicher Ressourcen verpflichtet. Deshalb haben wir Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.«
Abgesehen davon sei die Zuweisung des Anlegers an die Diesel-Reeder noch aus einem anderen Grund riskant: Im Zuge des Bebauungsplans habe der Eigentümer der umliegenden Grundstücke, das Land Berlin, ein Luftschadstoff- und ein Schallschutz-Gutachten in Auftrag gegeben. Beide Gutachten kommen den Angaben zufolge zu der Aussage, dass der Hafen aufgrund der geschlossenen und nah am Wasser gelegenen umliegenden Bebauung ungeeignet für den Betrieb dieselbetriebener Fahrgastschifffahrt ist. Es wird empfohlen, den Hafen für schadstoffarme, moderne Schiffe freizugeben bzw. den Anteil von Elektroschiffen auf mindestens 50 % festzulegen.
»Umweltaspekte und Denkmalschutz ignoriert«
Lindner beklagt: »Für die landseitige Bebauung werden Architekturwettbewerbe veranstaltet, auf dem Wasser wird maximal enthemmt eine stählerne Groß-Konstruktion wie in einem Fischereihafen geplant. Dagegen steht unser Elektrofahrgastschiff-Projekt, bei dem nur Schiffe bis maximal 35 m anlegen dürften – und das vollkommen lärm- und abgasfrei. Der Blick auf die Ufermauer würde größtenteils frei bleiben. Doch Umweltaspekte und ästhetische Überlegungen scheinen bei der Vergabe keine Rolle zu spielen. Die Senatsverwaltung ignoriert sämtliche Einwände und hemmt dadurch die Einführung der Elektroschifffahrt. Das ist insofern verwunderlich, da Berlin ein erhebliches Problem im Umgang mit der Einhaltung der Luftschadstoffgrenzwerte hat und seine Klimaziele 2025 verfehlen wird.«
Der Parlamentsantrag »Saubere Schiffe, saubere Luft« verlangt vom Senat die Ausweisung von Elektroschifffahrts-Standorten. Die zuständige Senatsverwaltung erklärte gestern vor dem Verwaltungsgericht, dass sie ohne klare Gesetze die Verwaltungspraxis nicht ändern könne. Aus Sicht des Verbandes für Elektroschifffahrt verpasst der Senat damit die Chance, den Hafen »zukunftsorientiert und lebenswert« zu gestalten.
Der Hafen wurde zwischen 1857 und 1859 gebaut. 2013 wurde die Sanierung der nach historischem Vorbild rekonstruierten Kaimauern abgeschlossen. Kostenpunkt: über 20 Mio. €. Heute steht die Mauer unter Denkmalschutz. Deshalb stellt sich laut Verband der Elektroschifffahrt die Frage, »wie die Steganlage von der zuständigen Denkmalschutzbehörde genehmigt werden kann«.