Beauftragt ein Versicherer den Sachverständigen einer Tochtergesellschaft mit der Schadenfeststellung und -taxierung im Havariefalle, dann sind die Kosten dieser Tätigkeit Teil des vom Havarieverursacher zu tragenden Schadenersatzanspruches.
Urteil des Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt vom 4. Juni 2018, Az.: 516 Z-4/18
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten … tragen vor:
In Höhe der von der Klägerin beanspruchten Taxierungskosten habe das Rheinschifffahrtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Schiffseignerin M insoweit kein Schaden entstanden sei. Die Klägerin habe die Begutachtung im Rahmen ihres Versicherungsverhältnisses von ihrer Tochtergesellschaft erstellen lassen. Deshalb seien die Rechnungen auch auf die Klägerin als Auftraggeberin ausgestellt. Auch der Versicherer des SV »Montana/Montana II« (auf Seiten der Beklagten d. Red.) verlange die Kosten der eigenen Experten nicht ersetzt. Entgegen der Darstellung der Klägerin sei es nicht ständige Praxis der Schifffahrtsgerichte, die Kosten der Schadensfeststellung ersetzt zu verlangen. Ersetzt verlangt würden nur die Kosten der Experten, die als selbständige und freiberufliche Sachverständige und nicht ausschließlich für die Versicherung tätig seien. Das sei bei den Experten der Tochtergesellschaft der Klägerin nicht der Fall, die zudem nicht im Auftrag des geschädigten Schiffseigentümers, sondern im Auftrag der Versicherung tätig geworden seien …
Aus den Gründen:
Die Beklagten haben der Klägerin somit 4/5 des Schadens zu ersetzen, welcher der Versicherungsnehmerin der Klägerin durch die Havarie entstanden ist. Dieser Schaden ist bis auf die von der Klägerin geforderten Taxierungskosten von 9.000 € und 2.275 € unstreitig. Die Klägerin kann auch diese Taxierungskosten zu 4/5 ersetzt verlangen. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit solcher Kosten bestreiten die Beklagten nicht. Ob diese Kosten der Klägerin von einem freiberuflichen Sachverständigen oder von der eigenen Tochtergesellschaft in Rechnung gestellt wurden, macht für die Erstattungsfähigkeit keinen Unterschied. Ebenso unerheblich ist der Umstand, dass die Taxierung von der Klägerin, nicht von der geschädigten Schiffseignerin in Auftrag gegeben und dem entsprechend ihr unmittelbar und nicht der Geschädigten in Rechnung gestellt wurde.
Zeugnisverweigerungsrecht im Verklarungsverfahren
Der Antragsteller eines Verklarungsverfahrens hat auch hinsichtlich des Havarievorganges, der Gegenstand seines Antrages ist, ein Zeugnisverweigerungsrecht wie ein Zeuge nach § 384 Nr. 2 ZPO.
Beschluss des Schiffahrtsgerichtes Mannheim, Az.: 30 UR II 1/18 BinSch (Verklarungsverfahren) vom 4. Juni 2018
Beschluss
In Sachen … wegen Verklarung … hat das Amtsgericht Mannheim … beschlossen:
Der Antrag der Verfahrensbeteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 auf Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den Antragsteller wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antragsteller hat während seiner Vernehmung am 28.05.2018 das Zeugnis verweigert, Angaben zu einem Alkoholkonsum vor, während oder nach der Havarie am 27.02.2018 mit dem Schubverband A bei Rhein-km 427,6 zu machen. Die Verfahrensbeteiligten Ziffer 2 und Ziffer 3 erachten die Zeugnisverweigerung als unrechtmäßig und haben die Verhängung eines Ordnungsgeldes beantragt. Der Antragsteller habe es selbst in der Hand, sich durch Rücknahme des Antrags auf Durchführung der Beweisaufnahme über den tatsächlichen Hergang des Schiffsunfalles aus der misslichen Situation zu befreien, kein umfassendes Zeugnis über den Havarievorgang abzulegen. Entscheide er sich aber, einen Antrag auf Verklarung zu stellen, müsse er auch umfassend aussagen (vgl. von Waldstein, Das Verklarungsverfahren im Binnenschifffahrtsrecht, Seite 85).
Der Antrag war zurückzuweisen, da dem Antragsteller, der zum Zeitpunkt der Havarie Schiffsführer des Schubverbandes A war, zu Recht ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BinSchG hat sich der Schiffsführer als Antragsteller selbst zum Zeugnisse zu erbieten und die zur Feststellung des Sachverhältnisses sonst dienlichen Beweismittel zu bezeichnen. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich, dass der Antragsteller selbst – anders als im selbständigen Beweisverfahren gemäß § 485 ZPO – als Beweismittel, nämlich als Zeuge, in Betracht kommt, nicht als Beweismittel sui generis. Zudem erfolgt gemäß § 13 Abs. 1 BinSchG die Aufnahme des Beweises nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. Danach sind die Beweismittel Sachverständiger, Augenschein, Parteivernehmung, Urkunden und Zeugen zulässig. Wäre aber der Antragsteller einer Partei gleichzustellen, wäre diese ohnehin nicht verpflichtet, auszusagen oder vollständig auszusagen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 453 Rn. 2). Ist der Antragsteller einem Zeugen gleichzustellen, wofür – wie ausgeführt – der Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 2 BinSchG spricht, stehen ihm damit auch die Zeugnisverweigerungsrechte gemäß §§ 383, 384 ZPO i.V.m. § 13 Abs. 1 BinSchG zu (vgl. von Waldstein/Holland, Binnenschifffahrtsrecht, 5. Aufl., § 13 Rn. 7 unter Aufgabe der Ansicht in von Waldstein aaO).
Der Antragsteller hat das Zeugnis auch nicht ohne Angabe eines Grundes verweigert. Vorliegend ergibt sich bereits aus der Ermittlungsakte der Wasserschutzpolizei (VST/0366107/2018), dass bei dem Antragsteller die Frage der Fahrtauglichkeit infolge der Einnahme von alkoholischen Getränken thematisiert worden ist. Dem Antragsteller sind um 05.40 Uhr und 06.10 Uhr Blutproben entnommen worden, die einen Wert von 1,46 Promille bzw. 1,35 Promille ergeben haben. Darüber hinaus haben die ermittelnden Polizeibeamten angegeben, beim Antragsteller Alkoholgeruch wahrgenommen zu haben. Schließlich hat der Antragsteller im Ermittlungsverfahren im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung selbst Angaben zu seinem Alkoholkonsum gemacht. Der Antragsteller hat also auf eine Frage, deren Beantwortung die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat verfolgt zu werden, das Zeugnis verweigert (§ 384 Nr. 2 ZPO).
Anmerkung der Redaktion:
Das Verklarungsverfahren ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das in der Regel unmittelbar nach einer Havarie beantragt und eröffnet wird. Der Verklarungsrichter ermittelt nach der Offizialmaxime nach eigenem Ermessen alle relevanten Umstände der Havarie. Dazu gehört an erster Stelle die Vernehmung der Besatzungen aller havariebeteiligten Schiffe sowie weiterer Zeugen.
Antragsbefugt nach § 11 BinSchG ist der verantwortliche Schiffsführer eines an einem Schiffsunfall beteiligten Schiffes. In der schifffahrtsrechtlichen Praxis ist es üblich, dass sich die beteiligten Schiffsparteien formlos darüber verständigen, welches Schiff einen Verklarungsantrag stellt. Da sowohl eine Angriffsverklarung als auch eine Verteidigungsverklarung möglich ist und in vielen Havariefällen zunächst Unklarheit über die mögliche Schuldfrage besteht, ist es mehr oder weniger zufällig, welches Schiff den Antrag stellt.
Verfahrenstechnisch hat der den Antrag stellende Schiffsführer eine andere Rolle als nur eine Zeugenrolle im Verklarungsverfahren. Er ist als Antragsteller Beteiligter des Verklarungsverfahrens. Deshalb stellt sich die Frage, ob derjenige, der einen Antrag auf Aufklärung des Schiffsunfalles stellt, ein Zeugnisverweigerungsrecht haben kann. Eine Zeugnisverweigerung steht in objektiver Betrachtung zunächst im Gegensatz zu dem Antrag auf vollständige Aufklärung des Havarieherganges.
Wie das Schiffahrtsgericht in vorliegendem Fall richtig entschieden hat, ist auch der Antragsteller prozessrechtlich als Zeuge im Sinne des Beweiserhebungsrechtes anzusehen. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass der Antragsteller selbst Angaben über eigene Wahrnehmungen zum Havariehergang machen kann. Im Übrigen findet im Anschluss an ein Verklarungsverfahren – falls die Parteien sich nicht außergerichtlich über die Regulierung der entstandenen Schäden einigen können – ein Streitverfahren zwischen den Versicherern des einen Schiffes gegen den Schiffseigner/Ausrüster des jeweils anderen Schiffes statt. Spätestens in diesem Stadium der gerichtlichen Auseinandersetzung werden die im Verklarungsverfahren erhobenen Beweise verwertet. Zu diesen Beweisen gehören auch die Angaben, die der Antragsteller in seiner richterlichen Vernehmung (also unabhängig von der Havarie-schilderung in der Antragsschrift) macht. Würde man den antragstellenden Schiffsführer vor die Alternative stellen, entweder den Verklarungsantrag zurückzuziehen oder uneingeschränkt und ohne Zeugnisverweigerungsrecht Angaben zu machen, dann würde man den Zweck des Verklarungsverfahrens unterlaufen. Das havariebeteiligte Schiff, dessen Schiffsführer den Antrag stellt, hätte dann faktisch nicht mehr die Möglichkeit, die Beweissicherungsfunktion des Verklarungsverfahrens zu nutzen.
Umgekehrt kann es nicht richtig sein, einen Schiffsführer, der das Havariegeschehen selbst beobachtet hat, dazu zu zwingen, möglicherweise ihn selbst strafrechtlich belastende Angaben zu machen. Das Zeugnisverweigerungsrecht hat Verfassungsrang, da niemand dazu gezwungen werden kann, an seiner eigenen Bestrafung mitzuwirken.
Deshalb hat selbstverständlich jede antragstellende natürliche Person ein Zeugnisverweigerungsrecht auch im Verklarungsverfahren. Im Übrigen wird nach schifffahrtsrechtlicher Übung auch der Antragsteller für seine Teilnahme an einer Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren entschädigt durch Ersatz der ihm entstandenen Fahrtkosten und durch eine Freizeitentschädigung, die gegenwärtig bei den Schiffahrtsgerichten auf 150,00 € pro Tag für einen Schiffsführer beziffert wird.
Der vorstehend veröffentlichten Entscheidung des Schiffahrtsgerichtes Mannheim ist daher uneingeschränkt zuzustimmen.
Sachwalterentschädigung im Verteilungsverfahren
Die Höhe der Vergütung des Sachwalters im Verteilungsverfahren gemäß § 9 VI SVertO kann in analoger Anwendung des § 2 InsVV festgesetzt werden.
Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 27. April 2018, Az.: 30 SRV 1/09 BSch
In dem schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren … wird das Entgelt des Sachwalters wie folgt festgesetzt: Vergütung 32.310,66 €, Auslagen 13.847,43 €, Zwischensumme 46.158,09 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer 8.770,04 €, Summe 54.928,13 €. Der darüber hinausgehende Antrag war zurückzuweisen.
Gründe:
Der Sachwalter übt sein Amt seit 11.05.2010 aus. Er hat Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen gem. § 9 Abs. 6 SVertO. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt aufgrund des Antrags vom 08.12.2014. Aufgrund der sachlichen Nähe zum Insolvenzverfahren kann die lnsVV als Orientierung herangezogen werden. Die Vergütung wird auf der Grundlage eines Regelsatzes ermittelt, der von der gerichtlich festgelegten Haftungssumme als Berechnungsgrundlage ausgeht. Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz war in vorliegendem Verfahren in Höhe von 30 Prozent gerechtfertigt, nachdem der Aufgabenbereich des Insolvenzverwalters aufgrund der Verwertung und Verwaltung der lnsolvenzmasse wesentlich umfangreicher ist. (vgl. OLG – Schifffahrtsobergericht Karlsruhe v. 10.07.2013 Az.: 22W 1/13 BSch).
Die vom Gericht mit Beschluss vom 11.05.2010 festgesetzte Haftungssumme beträgt 920.404,35 €. Der Regelsatz der Vergütung beträgt demnach 46.158,09 € (§ 2 InsVV). Im Hinblick auf die oben genannten Ausführungen war ein Abschlag auf die Regelvergütung in Höhe von 30 Prozent gerechtfertigt. Die Vergütung war damit auf einen Betrag von 32.310,66 € festzusetzen. Die Umsatzsteuer war in der derzeit gültigen Höhe von 19 % hinzuzusetzen. Der Berechnung der Auslagenpauschale erfolgt gem. § 8 Abs. 3 lnsVV (analog) wurde eine Regelvergütung in Höhe von 46.158,09 EUR zugrunde gelegt. Die Umsatzsteuer war in der derzeit gültigen Höhe von 19 % hinzuzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die bisher erstatteten Tätigkeitsberichte und den Vergütungsantrag vom 27.04.2018 verwiesen.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main