Print Friendly, PDF & Email

Das über Wochen anhaltende Niedrigwasser an weiten Teilen der deutschen Binnenwasserstraßen führt bei vielen Reedern zu erheblichen Verdienstausfällen.

Neben den kurzfristigen Folgen drohen auch mittelfristig Nachwehen

Besonders beeinträchtigt sind der Osten und Süden Deutschlands. Auf der Elbe bei Dresden ist der Pegel so niedrig, dass zweitweise nicht einmal mehr Personenschiffe fahren können, obwohl die dort verkehrenden einen eher geringen Tiefgang von nur 60cm haben. Doch selbst dafür reicht der Wasserstand nicht aus, der teilweise unter 50cm fiel. Erst für Oktober/November rechnen Experten für die Elbe wieder mit Voraussetzungen für eine »normale Binnenschifffahrt«. Umweltschützer kritisieren das Wasser fehle nicht nur »von oben«, sondern auch die in diesem Jahr niedrigen Grundwasserstände seien Teil des Problems Niedrigwasser. Das Problem hat seit August den Hamburger Hafen erreicht, wo Ladung aus dem Hinterland mangels Binnenschifffahrt auf der Elbe ausbleibt. Schwergut kann seit Wochen nicht mehr weiterbefördert werden, ein Umlenken auf andere Verkehrswege ist kaum möglich.

Schiffsführer im Ruhestand Ingo Klinder aus Magdeburg berichtet, wie sich der Pegel in Magdeburg dem historischen Tiefstand von 48cm im Jahr 1934 annäherte: Am 5. August, waren es noch 51cm, am 17. August war die Marke erreicht – mit Folgen nicht nur für die Magdeburger Weiße Flotte. Von Niegripp talwärts sowie von Magdeburg nach oberhalb findet keine Schifffahrt mehr statt. Wie in der vorigen Ausgabe berichtet, kann der Hafen Aken durch eine Vereinbarung mit dem Magdeburger Hafen seine Schwerlasten und Container über das Magdeburger Hanse-Terminal, das durch die Niedrigwasserschleuse eine dauerhafte Wassertiefe von 4m besitzt, auf den Weg bringen bzw. empfangen. Von Magdeburg bis ins Tschechische findet auf der Oberelbe keine Schifffahrt mehr statt. Das Niedrigwasser trifft die Sächsische Dampfschifffahrt (SDG) in Dresden besonders hart. Trotzdem konnte sie bei Pegelständen um die 50cm mit ihren Dampfern »Leipzig« und »Diesbar« noch zwischen der Augustusbrücke und dem Blauen Wunder Fahrten anbieten, wie Egmar Balzer von der Fachgruppe Elbeschifffahrt erklärte. Für die Schifffahrt zum 20. Dampfschifffest (siehe S. 68), half die tschechische Wasserstraßenverwaltung, indem sie aus der Moldaukaskade etwas Zuschusswasser beisteuerte, sodass sechs Dampfer der SDG für einen Tag verkehren konnten.

Ausweichen auf Bahn und Lkw

Die Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO) verlegte die für den Güterverkehr per Schiff vorgesehenen Güter auf Bahn- und Lkw-Verkehre, konnte aber in den ersten Monaten vor dem Niedrigwasser mehr Güter per Binnenschiff auf den Weg bringen als in den entsprechenden Monaten des Vorjahres.

Die tschechische Binnenschifffahrt oberhalb von Usti n.L. (Aussig an der Elbe) kann von oberhalb der Staustufe Strekov (Schreckenstein) im regionalen Schiffsverkehr unbeschränkt Güterverkehr und Fahrgastschifffahrt mit Binnenschiffen betreiben. Darunter jedoch nicht. Bei extremen Niedrigwässern werden in der Elbe auch sogenannte Hungersteine sichtbar. Als den südlichsten in der Oberelbe rechnet man den von Tichlowice (Tichlovitz), 10km oberhalb von Decin, mit Jahreszahlen zwischen 1842 und 1904, als ältesten den von Decin mit mehreren Jahreszahlen zwischen 1417 bis 1868. Der nördlichste Hungerstein soll der von Schönebeck-Grünewalde am Elb-km 311 sein.

Auch die Oder führt wenig Wasser. »Den Extremwert, von 2003, als der Pegel in Frankfurt I (Oder) nur 81cm zeigte, haben wir dieses Jahr noch nicht erreicht – heute haben wir 91cm«, sagt Sebastian Dorsch, Sprecher des Wassterstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Eberswalde. Pegelstand und Tauchtiefe seien aber nicht dasselbe. Polnische Kollegen stellten Kontrollfahrten zwangsweise ein. Die Fähre in Frankfurt liegt still, das Fahrgastschiff Zefir liegt ebenfalls seit Wochen am Pfahl. Laut Dosch sei dringend erforderlich, die Festlegungen des deutsch-polnischen Regierungsabkommens von 2015 zur Ertüchtigung der Regulierungsbauwerke an der Oder zu beginnen. Dirk Triebler (49) fährt noch auf der Oder mit seinen drei Schiffen, die er Boote nennt, weil sie als Sportboote zertifziert seien und eine Fahrgastkapazität von zehn sowie 17 und 28 Personen besitzen. Im Koppelverband haben die Boote 50 bzw. 60cm Tiefgang. Wenn man die Oder kenne und sehe, wo unterhalb von Frankfurt/Oder die Sänder sich durch ein zartes Kräuseln ihrer Ränder abzeichnen, könne er ab Eisenhüttenstadt und/oder auch von Frankfurt noch ziemlich sicher auch bei diesen Wasserständen fahren.

Stark betroffen vom Niedrigwasser ist auch die Donau, insbesondere auf dem Streckenabschnitt zwischen Straubing und Deggendorf. Der Pegel in Pfelling hatte in der 34. Kalenderwoche den historischen Tiefstand von 2,25m erreicht, was einer Fahrrinnentiefe von rund 1,35m entspricht. Nach Angaben des WSA Regensburg bewegen sich die Tiefgänge großer Fahrgastschiffe zwischen 1,40m und 1,90m. Hier kommt es also schon bei Fahrrinnentiefen unterhalb von 2m zu Einschränkungen. Unterhalb einer Fahrrinnentiefe von 1,50m geht auch für die Berufsschifffahrt nichts mehr. Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) berichtet, nur noch sehr wenige, flachgängige Schiffe mit einer Transportkapazität von ca. 1.000 t könnten (Stand Ende August) den wichtigen Wasserweg nutzen.

Starke finanzielle Einbußen

Der Verband spricht für die Donau von vorsichtig geschätzten Einbußen von 1.000 bis 4.000 € pro Tag und Schiff bei modernen Binnenschiffen von 110m Länge, die auch mit Kleinwasserzuschlägen nicht mehr zu kompensieren seien. »Die dramatische Situation zeigt, wie dringend der Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen umgesetzt werden muss«, so Martin Staats, Präsident des Verbandes.

Karin Steibl-Lotter, Geschäftsführerin vom Schifffahrtsunternehmen Steil aus Kelheim rechnet mit Umsatzeinbußen von bis zu 80%. Zwar habe man versucht, Gäste der ausfallenden Touren auf Alternativrouten im Altmühltal umzubuchen, viele von ihnen würden sich jedoch für andere Ausflugsziele in der Region entscheiden.

Die Zeit der Sommerferien gilt für die Personenschifffahrt normalerweise als die ertragreichste Periode eines Jahres. »Wir erwirtschaften unseren gesamten Jahresumsatz in der Zeit der Sommermonate, deswegen ist die jetzige Situation für uns dramatisch«, sagt Steibl-Lotter.

Am Rhein wie an der Elbe bringt das Niedrigwasser Relikte aus Weltkriegszeiten zutage: Minen, Bomben und Granaten. Auch die Schiffe und Häfen entlang des Rheins bekommen die Niedrigwassersituation zu spüren: »Im August haben deutlich weniger Schiffe in unserem Hafen angelegt, vor allem der Containerbereich war stark betroffen«, berichtet Carlos Gingado, Geschäftsführer der Weiler Rheinhafengesellschaft. Bereits im Juni hätten die Frachter weit weniger als die Hälfte Ladung an Bord gehabt. Später durften sie nur noch mit einem Drittel ihrer eigentlichen Kapazität fahren.

Dank der Ferienzeit stand bei der Weiler Hafengesellschaft aber keine Kurzarbeit an. Urlaub und Überstunden hätten abgebaut werden können. Zudem waren die Läger für Massengut (Baustoffe, Steine, Kies) voll, so dass die Mitarbeiter laut Gingado genügend zu tun hatten.

Der Hafen Bonn berichtet unterdessen von vollen Piers. Wegen der Tiefgangbeschränkung auf dem Rhein kommen deutlich mehr Schiffe, die aber dasselbe Volumen an Ladung bringen. »Wir müssen zwischen zehn und 15 Schiffe am Tag abfertigen«, sagte Thomas Butscheidt, Terminal-Manager bei der Betreiberfirma Am Zehnhoff-Söns (AZS). In normalen Zeiten seien es fünf bis acht. Die Kran- und Gabelstaplerfahrer seien kaum noch mit der Arbeit nachgekommen, sich auftürmende Container auf den Lagerflächen waren die Folge. Man habe versucht, die Ladung auf Lkw oder Schiene umzudisponieren, so Butscheidt. Da AZS erst im Moselhafen Trier über einen Gleisanschluss verfügt, müssen die Stahlbehälter mit dem eigenen Binnenschiff dort hingefahren beziehungsweise abgeholt werden.

Untiefen birgen Gefahren

Südlich der Spundwand in Bonn tauchte zudem eine breite Kiesbank aus dem Rhein auf, die normalerweise von Wasser bedeckt ist. Entlang des Flusses steigt die Gefahr, auf Grund zu laufen.

So wie Steil, der Weiler Rheinhafengesellschaft und AZS ergeht es vielen Reedern und Häfen in Deutschland in diesen Tagen. Da die Berufsschifffahrt mit nur noch einem Drittel der Ladung fahren kann, steigen die Frachtraten und die Schiffe werden knapp, da mehr Einheiten zum Transport benötigt werden. »Es gibt kein Problem, Frachter von Rotterdam bis runter nach Basel zu schippern, aber wir können nur 30 % der Normalkapazität beladen«, sagt ein niederländischer Binnenschiffer und fügt hinzu, dass ein Frachter mit 3.000t Kapazität derzeit nur 800 bis 1.000 t Kohle geladen hat. Es gebe [deshalb] nicht genug Schiffe, um die Nachfrage zu decken, zudem seien die Preise hoch, ergänzt er und fügt hinzu, dass die Binnenschiffer den Kunden 40 bis 50 % mehr pro Tonne als normal berechneten, um ihre Verluste wegen der geringeren Ladungsaufnahme einzugrenzen.

Doch es sind nicht nur die kurzfristigen Folgen, mit denen die Binnenschiffer zu kämpfen haben: Unter der Trockenheit haben vor allem die Landwirte gelitten, die einen erheblichen Teil ihrer Ernte verloren haben. Der Deutsche Bauernverband (DBV) sprach bereits im Juli von massiven Ernteausfällen, im August korrigierte er die zu erwartenden Erträge noch einmal nach unten. Demnach gibt es beim Weizen einen Rückgang von 20%, beim Raps von 21% und beim Winterroggen von 28%.

Diese Güterarten werden zu einem nicht unerheblichen Teil per Binnenschiff befördert. Da die Ernte also deutlich geringer ist als normalerweise üblich, wird die transportierte Menge entsprechend geringer ausfallen. Das wird auch auf den Wasserstraßen zu spüren sein.


Christian Knoll und Thomas Wägener