Logistik im Herzen Europas

Print Friendly, PDF & Email

Sachsen-Anhalt ist schon heute ein zentraler Logistikstandort in Mitteleuropa.

Sechs TEN-T-Korridore kreuzen sich hier. Eine wichtige Rolle spielen die Binnenhäfen, allerdings bleibt das Bundesland zweigeteilt

Die Hausaufgaben in seinem Bundesland sieht Verkehrsminister Thoma Webel erledigt. In den vergangenen Jahren seien mehrere Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur investiert worden, um vor allem die Seehafen-Hinterlandverkehre zu verbessern. Doch die Zukunft biete noch weitaus größeres Potenzial, sagt der Minister auf einer Seehafen-Hinterlandkonferenz im Bauhaus Dessau-Roßlau .

Der Güterverkehr werde sich bis 2030 um etwa 80% erhöhen. Derzeit würden 72% der Gütermengen vom Lkw bewegt, 16% von der Bahn und nur 2% von der Binnenschifffahrt. Doch die Zeichen stünden auf Wachstum. Die Häfen in der Osthaltung des Mittellandkanals und in Magdeburg könnten mit durchgängig 4 m Wassertiefe Großmotorschiffen und Schubverbänden bis 2,80m Tiefgang ideale Tauchtiefen bieten –ein steigender Umschlag sei der Lohn. Die sechs Häfen am Mittellandkanal von BARO Lagerhaus, UHH-Haldensleben und BFC Haldensleben sowie Vahldorf erbringen die gleiche Gütermenge wie alle übrigen Häfen des Bundeslandes.

Darauf, dass die Häfen Roßlau und Aken an der Elbe durch Umbaumaßnahmen und Niedrigwasser praktisch stillgelegt seien und der Hafen Halle seine Hafentätigkeit voriges Jahr de facto eingestellt habe, ging er nicht ein, forderte aber eine zügige Umsetzung des Gesamtkonzeptes Elbe ein.

Die Dekarbonisierung und die Digitalisierung der Binnenschifffahrt, so Webel, stelle auch für Sachsen-Anhalt eine unaufschiebbare Aufgabe dar, bei der aber auch bereits einige Erfolge zu verzeichnen seien.

Der Abgeordnete im EU-Parlament, Sven Schulze (CDU), stellte fest, dass in Brüssel das deutsche Bundesland Sachsen-Anhalt auf Grund seiner zentralen mitteleuropäischen Lage einen wichtigen Stellenwert bei der Intensivierung der logistischen Tätigkeit einnehme. Der Vernetzung der Verkehrsträger weise auch Brüssel eine wichtige Bedeutung zu.

Neue Seidenstraße bietet Chancen

Der Logistik-Verantwortliche des Flughafens Leipzig/Halle, Johannes Jähn, verwies auf die durch China ins Leben gerufene Neue Seidenstraße. Ex- und Importe, die heute noch überwiegend per Seeschiff nach und von Europa kämen, würden in Zukunft maßgeblich auf die Schiene verlegt. Der europäische Endpunkt der Neuen Seidenstraße sei mit Duisburg bereits festgelegt. Transporte erfolgten überwiegend noch auf den bestehenden Trassen durch Sibirien, die südlichen Staaten der ehemaligen Sowjetunion und Osteuropa innerhalb von 14 bis 16 Tagen. Mit der Fertigstellung neuer Trassen werde sich die Zeit auf zehn Tage und gegenüber Containerschiffen auf ein Viertel verkürzen.

Für die EU-Staaten bedeute das, die Vernetzung der Verkehrsträger zu reformieren. Obwohl er sich mehr mit der Logistik der Luftfrachtverkehre zu beschäftigen habe, versteht Jähn nach eigener Aussage nicht, dass für den Transport binnenschifffahrtsaffiner Güter aus dem wirtschaftlichen Ballungsgebiet von Leipzig, Halle, Leuna bis nach Thüringen mit einem Aufkommen von jährlich mehreren Millionen Tonnen das Reststück der Saale von Calbe bis Barby nicht ausgebaut werde, um die Waren mit dem umweltfreundlicheren Verkehrsträger Binnenschiff zu versenden.

Alexander Voigt von der EU-Kommission in Brüssel referierte über die Anforderungen der Verkehrskorridore Orient-Osteuropa und den Nordsee-Baltic-Korridor. Den Korridor Orient-Osteuropa verbinden fünf Wasserstraßen, an denen 25 Häfen und 45 KV-Terminals lägen. Von Donau bis Rhein und vom Rhein bis Berlin seien die Wasserstraßen für das leistungsfähige Großmotorschiff ausgebaut. Jetzt müsse die Elbe so weit hergerichtet werden, dass die tschechische und die deutsche Binnenschifffahrt davon profitieren könne. 19,2 Mio. t Güter kämen bislang aus den wirtschaftlichen Ballungsgebiete beider Länder über die Elbe. Für die Ertüchtigung des Nordsee-Baltic-Korridors, der teilweise auch durch die seegehende Binnenschifffahrt befahren werden könne, würden bis 2030 von der EU rund 5,8Mrd. € bereitgestellt, um die Wasserstraßen zu ertüchtigen.

Peter Lüttjohann vertrat den entschuldigten Staatssekretär Enak Ferlemann: aus dem Bundesverkehrsministerium. Zu den Schwerpunkten gehörten die Senkung des Energieverbrauchs zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowie die Digitalisierung des Verkehrs in allen Bereichen.

BÖB-Geschäftsführer Boris Kluge verwies darauf, dass die Binnenschifffahrt über etwa 50% an Reservekapazität verfüge, wenn einige Wasserstraßen ertüchtigt würden wie zum Beispiel die Elbe. Außerdem seien Binnenschiffe nicht die Dreckschleudern, wie ihnen immer wieder angedichtet werde. Ihr CO2-Austoß betrage nur 25% eines Lkw. Der Klimawandel erfordere jedoch auch von der Binnenschifffahrt, in absehbarer Zeit aus dem Verbrauch von fossilen Energieträgern auszusteigen. Als erstes könne man auf verbrauchsgünstigere und geförderte neue Motoren umsteigen. Auch um die Elektrifizierung der Binnenschiffe werde man nicht herumkommen.

Kluge hob in diesem Zusammenhang lobend die Initiative der TU Berlin und der BEHALA hervor, das Schubschiff »Elektra« ausschließlich mit Batterien auf Lithium-Basis und Wasserstoff auf der Route Berlin-Hamburg in einen Probe-Liniendienst zu schicken. Den Magdeburger Hafen, der gemeinsam mit dem Windstromhersteller Enercon durch Windenergieanlegen den gesamten Hafenbahnverkehr und Umschlag mit erneuerbaren Energien betreibe, stellte er als herausragendes Beispiel vor.


Christian Knoll