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Die Schiffswerft Barthel in Derben an der Elbe sieht sich durch ein neues

EU-Naturschutzgebiet akut in ihrer Existenz bedroht. Mit der Politik versucht man nun,

den traditionsreichen Werftbetrieb aufrecht zu erhalten

Hermann Barthel redet bei Stapelläufen auf seiner Werft immer gern darüber, wie erfolgreich sein Schiffbaubetrieb mit seinen 37 Beschäftigten seit 28 Jahren agiert, positive Zahlen schreibt und sich auf einem innovativen Kurs befindet. Doch nun droht Ungemach durch eine Umweltrichtlinie, in letzter Konsequenz könnte die Schiffswerft unterhalb des Derbener Bergs sogar in ihrer Existenz bedroht sein. Grund dafür ist das EU-Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000. Dieses soll um ein Areal mit Namen »Elbaue Jerichow« erweitert werden. Das neue Naturschutzgebiet beginnt etwa bei Niegripp am rechtsseitigen Elbufer und endet elbabwärts bei Sandau. Das Areal schließt das Gebiet bis zum alten Ihle- und teilweise bis zum Plauer Kanal ein (siehe Karte). Betroffen von diesem Natura-Projekt sind der Anglerverein Parey sowie Äcker- und Wiesen von Agrargenossenschaften direkt hinter dem Deich. Und eben auch die Schiffswerft Barthel.

Die Grenze dieser Zone verläuft entlang der Wasserkante des alten Elbarms und damit direkt durch die Slipanlage der Schiffswerft. Schiffe dürften theoretisch also nur bis zu dieser Linie abgelassen werden. Das Ende der Slipanlage und auch der Ausrüstungsponton lägen dann mitten im Naturschutzgebiet. Geschäftsführer Barthel sieht seine Zukunft gefährdet. Bei einem Ortstermin wurde das Problem jüngst noch einmal diskutiert.

An der Informationsveranstaltung in Güsen nahmen auch zwei Vertreter des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt (LVA) teil. Torsten Pietsch als dessen Vertreter gab bekannt, dass die an die EU gemeldeten Natura-2000-Gebiete nun in Landesrecht zu überführen seien. Eine Änderung des Grenzverlaufs sei da kaum möglich.

Werftchef Barthel ist nicht der Einzige, der seine Sorgen artikuliert hat. Betroffen sind auch 45ha Ackerflächen am Elbedeich bei Parey, was von den betroffenen Bauern mit massiven Protesten belegt wurde. Sie könnten sich noch gut an die Enteignungen zu DDR-Zeiten erinnern, und wollten das noch einmal durchleiden müssen, hieß es da.

Auch Hermann Barthel machte seinen Ärger kund: »Warum wurden die Bürger nicht im Vorfeld ins Verfahren einbezogen? Naturschutz geht nur mit den Menschen.« Auch die Werft seines Vaters war 1972 durch die Regierung der DDR enteignet und in den Verbund der deutschen Binnenwerften eingegliedert worden. Hermann Barthel hatte sie 1990 von der Treuhand zurückgekauft und seither mehrere Millionen Euro in zwei Schiffbauhallen, eine neue Slipanlage, ein Sozialgebäude und verschiedene für eine Schiffswerft notwendige Geräte investiert. Auch er werde sich nicht noch einmal enteignen lassen, kündigte er an.

Für ihn sei die Vorgehensweise bei dem Natura-2000-Projekt schlicht »menschenverachtend«. Er habe überhaupt nichts gegen Naturschutz einzuwenden, aber wenn dieser über die Existenz von Menschen entscheiden wolle, habe das mit Vernunft nichts mehr zu tun. Mit seinem Problem konfrontierte Barthel kürzlich sogar Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff auf einem Lokaltermin in Genthin, den der Landtagsabgeordnete Detlef Radtke organisiert hatte. Darauf folgte eine weitere Gesprächsrunde auf der Schiffswerft. Dabei zeigte der Leiter der Abteilung Landwirtschaft und Umwelt des LVA, Gert Zender, Verständnis für die Lage der Schiffswerft und versprach Hilfe. Zunächst sollen Barthel alle relevanten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Auch wenn er für eine Verschiebung der Grenzen wenig Chancen sehe, wolle er sich aber dafür einsetzen, dass der Werftbetrieb aufrechterhalten werden könne, so Zender.

Vorerst sei der Werft gestattet worden, ihre Neubauten wie bisher ins Wasser zu lassen und sie bis zur Ablieferung an die Kunden am Ausrüstungsponton liegen zu lassen.

Auch die Bürgermeisterin der Gemeinde Elbe-Parey, Nicole Golz, verteidigt vehement den Standort der Schiffswerft. Ihre Gemeinde besteht aus acht Ortsteilen, zumeist bekannte Schifferdörfer, mit insgesamt knapp 7.000 Einwohnern. Die beiden Schiffswerften Hermann Barthel in Derben und die Schiffswerft Bolle in Neuderben sowie der Stahlbau Parey am Elbe-Havel-Kanal sind neben mehreren Agrargenossenschaften die wichtigsten Unternehmen im Gemeindeverbund. Sie möchte Bürgermeisterin Golz nicht gefährdet sehen.

»Natura 2000 hat noch nichts Sichtbares für den Schutz der Umwelt bewirkt, dafür aber die Bürger verärgert. Wir wissen, dass wir hier eine schützenwerte Natur haben und haben uns damit gut arrangiert. Für den Erhalt der Schiffswerft Hermann Barthel werden wir uns aber mit aller Kraft einsetzen.«


Christian Knoll