Im Herbst setzt Belgiens größter und Europas zweitgrößter Hafen eine neue Anlaufplanung für Binnenschiffscontainer um – Kern sind neue »Consolidation Hubs«, Drehkreuze zur Bündelung von Ladung
Nur Binnenschiffe mit ausreichend Ladung sollen künftig große Überseeterminals direkt anlaufen. Bargenbetreiber, die dort vergleichsweise wenige Container abladen wollen, müssen ihre Ladung künftig konsolidieren, also zusammenlegen lassen. Bereits im April hatte Port of Antwerp einen »Routenplan mit strukturellen und durchführbaren Lösungen zur Optimierung der Binnenschifffahrtskette« und für nachhaltiges Wachstum verabschiedet. Kooperationsausbau, Digitalisierung und die Bündelung von Verkehrsströmen bilden die Hauptpfeiler. Der Hafen gestaltet sie über Pilotprojekte konkret aus. In Sachen Digitalisierung hat die Firma NxtPort neue digitale Lösungen »Next Mode of Transport« und »Green Lights« für den Hafen entwickelt. Im Fokus steht dabei ein früherer Informationsaustausch, durch den alle Parteien Effizienzsteigerungen erzielen sollen. Diese Pilotprojekte starten im Oktober.
Für Binnenschiffe relevanter sind die Maßnahmen zur Bündelung von Verkehren. Über sie sollen »neue Wachstumsmöglichkeiten für die Containerbinnenschifffahrt geschaffen und die Effizienz aller Partner in dieser Kette gesteigert werden«. Ein Pilotprojekt soll ab dem 5. November kleine Frachtaufkommen aus Containerbargen bündeln und effizienter gestalten. Bisher docken solche Bargen durchschnittlich an acht Terminals an, wenn sie den Hafen anlaufen. Untersuchungen haben gezeigt, dass beinahe 60% aller Anläufe von Bargen an den Überseeterminals einen Anlaufumfang von weniger als 30 »Call Sizes« / Containerbewegungen umfassen. Diese Bargen transportieren zudem nur 20% des gesamten Umfangs aller Bewegungen von Inlandscontainern im Hafen. Ein Zusammenschluss kleinerer Frachtaufkommen zu größeren Einheiten würde daher eine weniger umfangreiche Planung bedeuten sowie vorhandene Ressourcen an Terminals und bei Bargenbetreibern besser nutzen. Dies gehe einher mit strukturell effizienteren Umschlagprozessen an Überseeterminals und einem besseren Binnentransfer von Containern im Hafen, so Port of Antwerp.
Als neue Kapazitätsgrenze, ab der eine Barge ein Überseeterminal direkt anlaufen darf, legt das Pilotprojekt 30 und mehr dort umzuschlagende Container fest (Summe aller zu ent-/beladenden Container pro Anlauf). Betroffen sind die Terminals von PSA (K913 und K869), DP World (K 1700) und MPET (K 1742). Betreiber mit weniger als 30 Containern pro Anlauf müssen ihre Fracht künftig bündeln und umgruppieren, sodass die erforderliche Schwelle erreicht wird. Dies geschieht in Kooperation mit den Terminalbetreibern oder durch den Austausch von Containern an sogenannten »Consolidation Hubs«, Drehkreuzen, die entweder im Hinterland oder im Hafen selbst anzusteuern sind.
Um die Binnenschifffahrt beim Bündeln der Ladungen zu unterstützen, gestattet der Hafen Antwerpen die Nutzung der »Consolidation Hubs« in verschiedenen Schifffahrtskorridoren und im Hafen. Dabei fallen in der Testphase für den Bargenbetreiber Gebühren von 5€ pro Container im Hinterland und 10€ im Hafen an, die dem Nutzer direkt in Rechnung gestellt werden sollen. Die Drehkreuze stellen die zügige Weiterlieferung der konsolidierten Ladung an die Terminals für Seeschiffe sicher, wobei jedes Drehkreuz einen festen Transporttarif erhebt und die Weiterleitung mit eigenen Bargendiensten nach dem Grundsatz »Time and Material« betreibt. Die Drehkreuze streben dabei die Verladung durchschnittlich gleicher Containermengen pro Bargenbetreiber und Monat an, um die Kosten für die Bargenbetreiber so gering wie möglich zu halten. Zwei der Drehkreuze sollen im Hafen selbst liegen: PSA Antwerp Quay 667 als Sammelstelle für das rechte Ufer und ATO Quay 364 für das linke und rechte Ufer. Im Hinterland nehmen sieben »Consolidation Hubs« teil. Sie sollen die verschiedenen Zufahrtskorridore abdecken. Für den Albertkanal sind BCTN Meerhout und Haven Genk vorgesehen, für den Korridor Brüssel-Schelde ist es TCT Willebroek, für den Raum Süd- und Zentralniederlande und Rhein-Maas CCT Moerdijk, LCG Gorinchem und DeCeTe Duisburg und für den Korridor Terneuzen-Gent-Nordfrankreich steht Stukwerkers Gent bereit.
Das Projekt tritt zunächst ab dem 5. November für zwei bis drei Monate in Kraft. Eine Arbeitsgruppe und ein Steuerungskomitee sollen unter Einbindung aller Beteiligten das Projekt sorgfältig überwachen und nachbereiten. Auch die Bargenbetreiber sollen eingebunden werden. Im Falle einer positiven Bewertung wird das Projekt fortgesetzt.
Zusätzlich zu diesem Pilotprojekt will der Hafen ein weiteres im Rahmen seines Binnenschifffahrtsaktionsplans umsetzen: Ab 1. Oktober beginnt das »Central Barge Planning« einschließlich des Einsatzes neuer spezifischer Planungssoftware und eines Barge Traffic System (BTS). Die Software ist eine »einzigartige Online-Anmelde- und Kontrollplattform für Binnenschiffs- und Terminalbetreiber«, so Port of Antwerp. Dabei ist eine zentrale Planung von Lade- und Entladevorgängen von Leichtern an den Containerterminals von PSA, DP World und MPET vorgesehen. Die Vereinfachung und Optimierung der Planungsabläufe hat einen Terminplan für jeden einzelnen Leichter zum Ziel. Das soll helfen, Konflikte zu vermeiden. Auf diese Weise und durch enge Abstimmung mit den »Consolidation Hubs« sollen Containerverkehre per Binnenschiff zusätzlich besser koordiniert und gebündelt werden.
Im Ergebnis sollen sich laut Hafen die Maßnahmen positiv auf die Binnenschiffsbetreiber auswirken: Weniger Terminalanläufe pro Hafenaufenthalt, kürzere Aufenthalte, effizientere Abwicklung und die Optimierung von Ressourcen und Material.
Sverre Gutschmidt