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Das Unternehmen Maschinenbau Siebert feierte im Oktober ein seltenes Doppeljubiläum: Die Firma war vor 170 Jahren von Horst Sieberts Ur-Ur-Großvater gegründet worden, zudem hat der jetzige Inhaber 1958 das Familienerbe in die Selbstständigkeit übernommen

Zu dem Doppeljubiläum hatten sich etwa 50 Gratulanten eingefunden, unter anderem von der Neuen Oderwerft, der Werft Malz und der Schiffswerft Fischer aus Mukrena. Auch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter Dresden, Berlin und Eberswalde ließen es sich nicht nehmen zu gratulieren, denn sie verwenden auf ihren alten und neuen Schiffen die Winden von Siebert.

Horst Siebert begann in der elterlichen Firma 1949 seine Maschinenbauerlehre, sein Vater war ein strenger Ausbilder. Nach zwei Jahren machte er seine Gesellenprüfung. Schon zuvor hatte er viele neue Ideen zur Verbesserung der Winden oder der Arbeitsabläufe, wurde aber meist auf die Zeit nach seiner Meisterprüfung vertröstet. Als er diese im April 1958 erfolgreich ablegte, bekam er, nach langem Kampf mit den damaligen DDR-Behörden, auch den Betrieb übereignet. Damals durften Handwerksmeister lediglich drei Facharbeiter beschäftigen, ab 1966 dann bis zu neun. Nun konnte Siebert seine Ideen besser verwirklichen. Neben den obligatorischen Schiffswinden konnte er Aufträge für Pontonanleger für den Scharmützelsee und die Oder annehmen. Zu dieser Zeit lief in der DDR die Umstellung von der Schlepp- auf die Schubschifffahrt an. Die Windentypen mussten den neuen Bedingungen angepasst werden. Gemeinsam mit den Ingenieuren Rudi Rüdiger und Gerhard Siegel wurde zwischen 1970 und 1972 der Standard für alle Siebert-Winden erarbeitet, die auch heute noch gefragt sind. Elgina Siebert, seine Schwägerin, lieferte die technischen Zeichnungen, die damals alle noch per Hand am Reißbrett angefertigt worden waren und nicht wie heute mit dem Computer. Daraufhin erhielt die Firma Siebert von der DSRK, dem ostdeutschen Germanischen Lloyd (GL), die Typenzulassung für alle Winden und Schlepphaken, die heute DNV GL zertifiziert.

Zu DDR-Zeiten lieferte Siebert seine Winden auch nach Tschechien, Russland und Vietnam. Und sie tun auf allen deutschen Wasserstraßen ihren Dienst, ebenso wie in Belgien, Dänemark und der Schweiz. Sogar in Afrika verholen sich einige Fähren damit.

Im damaligen Produktionsprogramm befanden sich auch Handsteuerräder, Schraubverschlüsse, Entwässerungsverschraubungen und Klappgriffe, für die Siebert seit 1968 zentraler Hersteller für alle Ostblockstaaten war. Nach der deutschen Einheit sind davon nur noch die Schraubverschlüsse gefragt.

2002 verließen die ersten Koppelwinden in sechs verschiedenen Größen die Werkstatt, die seitdem fester Bestandteil des Herstellungsprogramms sind. »Und nach wie vor sind Sonderanfertigungen gefragt«, sagt Siebert, »da sich große Betriebe nicht mit Einzelanfertigungen beschäftigen. So seien in den vergangenen 25 Jahren unzählige Peilwinden, Pfahlankerwinden sowie elektrisch oder hydraulisch angetriebene Winden gefertigt worden.

»Die Mangelwirtschaft in der DDR an Bearbeitungsmaschinen, Materialengpässe, Handlungs- und Entscheidungseinschränkungen, die selbstständigen Handwerksmeistern auferlegt waren, haben unsere Arbeit oft sehr erschwert«, sagt Siebert. Als Anfang der 1970er-Jahre die DDR-Regierung versuchte, handwerks- oder private Kleinbetriebe in gesellschaftliches Eigentum umzuwandeln, hat er sich 21 Jahre dagegen gewehrt. Es war privaten gewerblichen Grundstückseignern verboten, Sanierungen an ihren Gebäuden vorzunehmen. Siebert drohte zeitweise der Abriss seiner Werkstatt – nur ohne die Winden des Unternehmens ging damals nichts in der DDR-Binnenschifffahrt, Also überstand er auch diese Zeit erfolgreich.

Nun blickt er auf 69 Jahre Berufstätigkeit zurück, Lehrzeit eingerechnet. Mit je über 80 Jahren merken er und seine Frau auch das Alter. Sie wünschen sich, dass sich jemand findet, der den Betrieb übernimmt, das Handwerk versteht und weiterführt. Sorgen machen sie sich, was aus ihren vier Mitarbeitern wird, wenn sie das Geschäft aufgeben müssen.


Christian Knoll