Um die Abläufe an den Containerterminals in Rotterdam zu verbessern, werden die Boxen künftig im Hinterland gebündelt und mit größeren Binnenfrachtern an die Seeschiffterminals gebracht
Wie an anderen Standorten stellen die Spitzenzeiten, in denen mehrere Großschiffe zur gleichen Zeit abgefertigt werden müssen, auch den Hafen Rotterdam zunehmend vor logistische Herausforderungen. Konkurrenz besteht mittlerweile nicht nur im Norden, sondern zunehmend auch im Süden.
Allard Castelein, CEO der Rotterdam Port Authority, spielt die Bedeutung der südeuropäischen Häfen jedoch noch herunter, denn sie hätten weiterhin Defizite in Bezug auf die Kapazität und könnten teilweise von Schiffen der heutigen Größe nicht angelaufen werden, so der Hafenchef gegenüber der »Binnenschifffahrt«. Er halte es daher für unwahrscheinlich, dass die nordeuropäischen Häfen Ladung an die südeuropäischen verlieren. Dennoch wollen der Hafen und hier ansässige Unternehmenman mit diversen Projekten die Logistik und den Transport ins Hinterland verbessern.
Transporte per Binnenschiff
Die Ladung kommt und geht zu einem großen Teil mit Binnenschiffen. Aufgrund der guten Erreichbarkeit über den Rhein hat dieses Transportmittel für die Niederländer traditionell einen hohen Stellenwert. Die Kapazitäten seien aber längst noch nicht ausgeschöpft, betonte Theresia Hacksteiner, Generalsekretärin der European Barge Union (EBU), bei der diesjährigen Rotterdam Experience Tour. Sie begrüße daher das Vorhaben des Hafens, den Anteil der Binnenschifffahrt am Modal Split bis zum Jahr 2035 auf 45% zu erhöhen.
Um den Austausch der Boxen zwischen den Tiefwasser-Terminals auf der Maasvlakte und dem Hinterland effizienter zu gestalten, haben verschiedene Betreiber inzwischen Initiativen gestartet. Es geht primär um die Bündelung der Container. BCTN bündelt Frachten seiner acht Terminals in den Niederlanden und Belgien im vor den Toren Rotterdams gelegenen Alblasserdam. Ein ähnliches Vorgehen praktizieren auch die Betreiber Kramer und Waalhaven Group, die den Kunden tägliche Verbindungen zwischen dem Waal- und Eemhaven und den Seeschiffterminals anbieten.
Die großen Umschlaganlagen warten ihrerseits mit neuen Diensten auf, etwa dem Cool-Port-Barge-Service von APM Terminals oder der Anfang Juni gestarteten Intercity Barge von European Gateway Services (EGS) und der Danser Group. Dieser neue Binnenschiffsdienst verbindet die von ECT betriebenen Umschlaganlagen auf der Maasvlakte mit denen der Waalhaven/Eemhaven-Region, dem Botlek-Gebiet, dem Merwehaven und den Inlandterminals in Ridderkerk und Alblasserdam. Die Maßnahme zielt ebenfalls auf eine Konsolidierung der Ladung an den Binnenterminals und Depots ab, um mit größeren Binnenschiffen direkt zu den Seeschiffterminals zu fahren. EGS ist eine hundertprozentige Tochter von ECT.
Nach Angaben von Port of Rotterdam haben Bündelungen im West-Brabant-Korridor (Tilburg-Oosterhout-Moerdijk-Rotterdam) und im Duisburg-Korridor (Duisburg-Gorinchem-Rotterdam) bereits zu einer Verdopplung bis Vervierfachung des durchschnittlichen Frachtumfangs, rund 40% kürzeren Liegezeiten im Hafen, präziseren Einlaufzeiten von Binnenschiffen an Seeschiffterminals und 20% weniger Lkw auf den Straßen geführt.
Synchromodalität als Vorteil
Das zur IGS Logistics Group gehörende Unternehmen IGS Intermodal Container Logistics hat nach Angaben von Harald Rotter, Geschäftsführer am Standort Hamburg, zuletzt viele Anfragen für Containertransporte über Rotterdam erhalten. Rotter sieht in den Spitzenzeiten auch für die Hinterlandterminals eine große Herausforderung. Als Lösung schlägt er zusätzliche Lagerflächen vor.
Er beschreibt die lokale Wirtschaft als eine der wesentlichen Stärken Rotterdams. Ein großer Vorteil sei vor allem der Mix an Ladungen, insbesondere dann, wenn ein Segment gerade eine schwierigere Phase habe.
Im Vergleich zu Hamburg bietet Europas größter Seehafen für Rotter aber noch weitere Vorteile. Einer davon sei die Veterinärkontrolle, die in Hamburg viel aufwändiger sei. Deshalb ist der Logistiker überzeugt: »Der Kunde wird hier bleiben, selbst wenn Hamburg einen günstigeren Preis anbietet.«
Positiv wirkt sich für den Standort an der Maasmündung nach Ansicht des Managers auch der Zusammenschluss aller Verkehrsträger aus. ECT sieht in der Synchromodalität, also der Flexibilität der Verkehrsträger, einen Trend und zugleich auch eine Herausforderung.
Die wochenlange Sperrung der Eisenbahnstrecke bei Rastatt sei ein Weckruf gewesen, sagt Matthijs van Doorn, Manager Logistics bei Port of Rotterdam. Deshalb würden mittlerweile alternative Zugtrecken verstärkt geprüft – notfalls auch über Frankreich.
Konkurrenz durch Südhäfen
Durch die am Mittelmeer gelegenen Häfen sieht Rotter im Gegensatz zu Castelein durchaus eine zunehmende Konkurrenz für die Nordhäfen, denn die südeuropäischen Häfen hätten ihre Netzwerke in Richtung Süddeutschland erweitert. Mittlerweile gebe es eine gesteigerte Nachfrage von Spediteuren und Reedern für Verkehre bis nach Baden-Württemberg.
Ein Grund sei die verbesserte Infrastruktur, etwa durch den Gotthard-Basistunnel. Der künftige Brenner-Basistunnel werde die Konkurrenzfähigkeit der südlichen Seehäfen noch weiter erhöhen, glaubt Rotter.
»Das Containergeschäft wird sich in den kommenden Jahren verstärken«, ist Castelein überzeugt. Es werde aber genug (Ladung) für alle (Häfen) da sein, glaubt Rotterdams Hafenchef. Deshalb sieht er auch keine ernsthafte Konkurrenz durch die milliardenschwere Infrastrukturinitiative »One Belt One Road« der chinesischen Regierung mit Projekten in Asien und Europa. Man spreche von wenigen hunderttausend Containern, die auf diese Weise befördert werden könnten, während die nordeuropäischen Häfen zusammengenommen Millionen von Boxen umschlügen.
Terminals erweitern Kapazitäten
Nicht nur Castelein erwartet für die kommenden Jahre einen wirtschaftlichen Aufschwung und damit verbunden ein Umschlagwachstum in den Häfen. Beides wird auch von Wirtschaftsexperten prognostiziert. Deshalb erweitern die Terminalbetreiber in Rotterdam bereits jetzt ihre Kapazitäten.
APM Terminals hat kürzlich zwei zusätzliche Containerbrücken in Betrieb genommen. Mit den nunmehr zehn Kranen sei man jetzt in der Lage, zwei Triple-E-Schiffe gleichzeitig abzufertigen.
Die vom Konsortium ZPMC/ABB hergestellten Krane können Frachter mit bis zu 26 Containerreihen in der Breite bedienen. Sie sind Teil eines Plans von APM Terminals, die Kapazitäten auf der Maasvlakte 2 im kommenden Jahr um mehr als 20% zu erhöhen.
Nach Auskunft von Port of Rotterdam denkt auch das RWG-Terminal über eine Expansion nach. Hier geht es in erster Linie darum, die Kais zu verlängern.
ECT modernisiert derzeit für rund 300Mio. € seine Anlagen im Amazonehaven auf der »alten« Maasvlakte. Im März wurde mit der Modernisierung der AGV-Fläche auf der Südseite des ECT Delta Terminals begonnen. Ende Juli wurde die erste von drei Ausbauphasen abgeschlossen. Im August begann die zweite Stufe der Sanierung. 500 m Kaiflächen stehen daher aktuell nicht zur Verfügung. Die Schiffe werden deshalb verstärkt am Delta-Terminal oder am Euromax-Terminal abgefertigt. Um auch in Spitzenzeiten den geforderten Service zu gewährleisten, seien zudem u.a. 100 neue Mitarbeiter sowie Ferienarbeiter eingestellt worden, so der Terminalbetreiber ECT.
Containergeschäft wächst weiter
Das Containervolumen stieg in Rotterdam in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 5,7% auf 10,8Mio. TEU an (Q3 2017: 10,2Mio. TEU). Besonders legte der Umschlag in den Fahrtgebieten Nordamerika (+10 %) und Südamerika (+20 %) zu. Auf den Europa-Asien-Linien stand einem Plus im Import (+10 %) ein Minus im Export (–7,6 %) entgegen. Im Shortsea-Verkehr gab es nur ein leichtes Wachstum durch Einbußen vor allem mit dem Zielgebiet Großbritannien.
Beim Gesamtumschlag gab es dagegen einen leichten Rückgang von 0,4% auf 350Mio.t. Geschuldet ist dies vor allem dem Massengutgeschäft (-7,3%).
Thomas Wägener