Der Eintritt eines Ladungsschadens während einer Güterbeförderung mit dem Binnenschiff ist ein Unfall im Schiffsbetrieb im Sinne des § 2 I Satz 1 lit. c BinSchVerfG. Die Schiffahrtsgerichte sind für Schadenersatzansprüche aus diesem Ereignis sachlich zuständig und zwar unabhängig davon, auf welcher Stufe der Frachtführerkette der Schadenersatzanspruch gelten gemacht wird, also auch für Streitigkeiten zwischen einem Ladungsinteressenten und einem Frachtführer, der nicht selbst ausführender Frachtführer ist.
Die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte im Rahmen des § 2 BinSchVerfG ist eine ausschließliche.
Beschluss des Landgerichts Duisburg vom 5. Oktober 2018, Az.: 25 O 24/13.
Beschluss in dem Rechtsstreit … erklärt das Landgericht Duisburg …
Der Rechtsstreit betrifft ein Rechtsverhältnis, welches zur sachlichen Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichte nach § 2 Abs, 1 lit c des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen (BinSchVerfG) gehört.
Danach sind die Schifffahrtsgerichte sachlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schifffahrt zusammenhängen und vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem Unfall, der durch ein Schiff oder bei dem Betrieb eines Schiffes entstanden ist, zum Gegenstand haben. Streitigkeiten zwischen dem Frachtführer und einem Ladungsinteressenten wegen Beschädigung der Ladung während des Transports mit dem von dem Frachtführer wie vorliegend eingesetzten Binnenschiff auf einer Binnenwasserstraße hängen mit der Benutzung von Binnengewässern durch die Schifffahrt zusammen. Ein Unfall bei dem Betrieb eines Schiffes liegt vor, wenn während einer Schiffsreise Wasser wegen technischer Mängel des Fahrzeugs in die Laderäume eindringt und die Güter beschädigt (BGH NJW 1982, 1226). Da es sich bei der Zuständigkeit der Binnenschifffahrtsgerichte um eine ausschließliche handelt (BGH, NStz-RR 1998, 367; OLG Celle, BeckRS 2016,1880), war der Rechtsstreit von Amts wegen gemäß § 17 a GVG zu verweisen.
Anmerkung:
1. Sachverhalt
Mit dem abgedruckten Beschluss hat das Landgericht Duisburg einen Rechtsstreit von Amts wegen an das Amtsgericht-Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die Klägerin hatte die in Duisburg-Ruhrort sitzende Beklagte Ziff. 1 mit dem Transport per Binnenschiff von 2.143 Tonnen Stahl von Duisburg-Walsum nach Rotterdam beauftragt. Die Beklagte Ziff. 1 wiederum hatte mit der Ausführung des Transports die Beklagten Ziff. 2 beauftragt, die die Beförderung mit MS »L.«, durchgeführt hat. Während das MS »L.« bereits im Hafen von Rotterdam lag, sollen im Schiff Wartungsarbeiten durchgeführt worden sein, in deren Verlauf die Ladung durch in den Laderaum eindringendes Wasser beschädigt worden sein soll.
Auf mehrere Unzuständigkeitsrügen der Beklagtenseite hin hatte die Klägerin eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Duisburg, Kammer für Handelssachen, beantragt. Ungeachtet dessen hat das Landgericht Duisburg den Rechtsstreit von Amts wegen an das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort in dessen Funktion als Schiffahrtsgericht verwiesen. Der Verweisungsbeschluss gibt Anlass zu einigen kritischen Anmerkungen.
2. Internationale Zuständigkeit
Kein Wort verliert das Landgericht Duisburg zunächst zur Frage nach der internationalen Zuständigkeit, obwohl diese grundsätzlich vorrangig von Amts wegen zu prüfen ist. Anlass zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit hätte jedenfalls der Umstand geboten, dass sich die zum streitgegenständlichen Ladungsschaden führenden Umstände in den Niederlanden zugetragen haben sollen. Allerdings ist die internationale Zuständigkeit im vorliegenden Fall deshalb unproblematisch, weil zumindest die Beklagten Ziff. 1 ihren Sitz in Deutschland hat (Artt. 4, 8 Nr. 1 EuGVVO).
3. Verweisung von Amts wegen
Das Landgericht hat den Rechtsstreit von Amts wegen an das Schiffahrtsgericht verwiesen, gestützt auf § 17a Abs. 2 GVG. Ist der zunächst beschrittene Rechtsweg unzulässig, hat das angerufene Gericht dies gem. § 17a Abs. 2 GVG von Amts wegen auszusprechen und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen. Allerdings entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Schiffahrtsgerichte (anders als die Rhein- und Moselschifffahrtsgerichte!) wie die »normalen« Amts- und Landgerichte Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 14 GVG Rn 4). Da die Verweisung des Landgerichts Duisburg somit keine unterschiedlichen Rechtswege betraf, war § 17a GVG nicht anwendbar.
Unzutreffend ist unabhängig hiervon auch der letzte Satz des Beschlusses, wonach der Rechtsstreit deswegen gemäß § 17a GVG von Amts wegen zu verweisen wäre, weil es sich bei der Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte um eine ausschließliche handeln würde. Zum einen ist die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte keine (positiv) ausschließliche (vgl. nur die jeweiligen Derogationsvorschriften in § 3 Abs. 1 S. 2 und § 6 BinSchVerfG). Doch selbst wenn es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit etwa i. S. v. § 40 ZPO handeln würde, würde hierdurch nicht die Anwendbarkeit des § 17a GVG begründet.
Richtigerweise hätte das Landgericht Duisburg den Rechtsstreit nicht von Amts wegen an das Schiffahrtsgericht verweisen dürfen, sondern nur auf einen Antrag der Klagepartei, der vorliegend aber jedenfalls bis zum Erlass des Verweisungsbeschlusses nicht gestellt worden war. Unterbleibt auf eine entsprechende Unzuständigkeitsrüge der Beklagtenseite der Antrag auf Verweisung an das Schiffahrtsgericht, muss die Klage wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts als unzulässig abgewiesen werden (sog. negative Ausschließlichkeit).
4. Binnenschifffahrtssache (funktionelle Zuständigkeit)
Die Schiffahrtsgerichte (nicht: Binnenschifffahrtsgericht!) sind gemäß §§ 1, 5 BinSchVerfG zuständig in Binnenschifffahrtssachen. Definiert wird die Binnenschifffahrtssache in § 2 BinSchVerfG. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH NJW 1982, S. 1226 = ZfB 1982 SaS, 917 = VersR 1982, 235) geht das Landgericht Duisburg zutreffend davon aus, dass es sich bei einem Rechtsstreit zwischen den Parteien eines Frachtvertrags über Ladungsschäden, die während einer Güterbeförderung mit dem Binnenschiff eingetretenen sind, regelmäßig um Binnenschifffahrtssachen handelt, da Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten vertragliche Schadenersatzansprüche aus einem Unfall im Schiffsbetrieb i. S. v. § 2 Abs. 1 S. 1 lit. c BinSchVerfG sind.
Unbeachtlich ist dabei, auf welcher Stufe der Frachtführerkette die Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Unabhängig davon, dass die teilweise vorgenommene Unterscheidung zwischen Klagen gegen den ausführenden Frachtführer einerseits (dann Zuständigkeit der Schiffahrtsgericht gegeben) und Klagen gegen einen (Nur-) Frachtführer andererseits (dann Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte nicht gegeben) im Wortlaut des Gesetzes keine Unterstützung findet, ist sie auch deshalb nicht praktikabel, weil es gerade in Frachtführerketten regelmäßig zu Streitverkündungen vom Hauptfrachtführer bis zum ausführenden Frachtführer kommt, was eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit nahelegt. Schließlich ist Grund für die Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte deren besondere Kompetenz in Schadenfällen im Zusammenhang mit der Binnenschifffahrt. Der vom Gericht zu beurteilende Schadenfall bleibt aber unabhängig davon derselbe, auf welcher Stufe der Frachtführerkette Recht gesprochen wird (vgl. hierzu Holland, Rechtswege oder Irrwege? Zur nationalen und internationalen Schifffahrtsgerichtbarkeit in: Carsten Schäfer (Hrsg.), Internationale Aspekte der Binnenschifffahrt, Baden-Baden, 2012, S. 14 m. w. N.; zust. Ramming, Hamburger Handbuch zum Binnenschifffahrtsrecht, München 2009, Rn 706).
Eine Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte für Rechtsstreitigkeiten über vertragliche Ansprüche wegen Ladungsschäden kommt dagegen nicht in Betracht (vgl. Art. 34, 34bis Mannheimer Akte).
5. Örtliche Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte richtet sich nach § 3 BinSchVerfG. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 BinSchVerfG ist vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung im Fall einer funktionellen Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte nach § 2 Abs. 1 S. 1 lit. c BinSchVerfG grundsätzlich nur das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die den Anspruch begründende Tatsache ereignet hat.
Die örtliche Zuständigkeit wurde vom Landgericht Duisburg in seinem Verweisungsbeschluss nicht problematisiert, was auch deswegen verwundert, weil sich die den Schaden begründenden Tatsachen nicht nur nicht in Duisburg-Ruhrort ereignet haben sollen, sondern nach dem Vortrag der Klägerseite nicht einmal im Bundesgebiet, sondern in den Niederlanden.
Für Abhilfe sorgt in diesen Fällen § 3 Abs. 4 BinSchVerfG, wonach insoweit auf die allgemeinen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit in der ZPO abzustellen ist. Damit war hier tatsächlich gemäß §§ 12, 13, 17 ZPO ein Gerichtsstand in Duisburg-Ruhrort gegeben, wo die Beklagte Ziff. 1 ihren Sitz hat. Zu beachten ist jedoch, dass der Sitz der Beklagten Ziff. 1 im vorliegenden Fall nur zufällig im Gerichtsbezirk eines »klassischen« Schiffahrtsgerichts liegt. Hätte die Beklagte ihren Sitz etwa in Duisburg-Walsum, wäre das Amtsgericht, an das der Rechtsstreit zu verweisen gewesen wäre, dasjenige in Duisburg-Hamborn gewesen, das dann gemäß §§ 1, 5 BinSchVerfG »als Schiffahrtsgericht« zu entscheiden gehabt hätte. Diese Problematik tritt in allen Bundesländern auf, die es wie z. B. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen oder Hessen bislang versäumt haben, auch diejenigen Binnenschifffahrtssachen auf besondere Gerichte zu konzentrieren, die nicht an den großen Binnenwasserstraßen angesiedelt sind (vgl. hierzu Holland, Zur Zuständigkeit der deutschen Schiffahrtsgerichte am Bodensee, VersR 2006, 770, 772 f.). Abhilfe vermögen in diesen Fällen zumeist nur entsprechende Gerichtsstandsvereinbarungen zu schaffen, die auch noch nach Schadeneintritt getroffen werden können (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 BinSchVerfG: »Vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung …).
Rechtsanwalt Dr. Hubert Holland,
Mannheim
Rechtsanwalt Dr. Hubert Holland