Infrastruktur-Mängel kosten Ladung

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Während die Wettbewerber in der Nordrange größtenteils an Fracht gewinnen, geht das Aufkommen im Hamburger Hafen zurück. Den Hauptgrund sieht die Hafenwirtschaft in den anhaltenden Problemen bei der Infrastruktur

Es sei zwar positiv, dass die Fahrrinnenanpassung für Außen- und Unterelbe umgesetzt wird, »doch haben wir sie noch nicht«, so Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) bei einem Pressegespräch in der Hansestadt.

Bis es so weit ist, wird es auch noch eine Zeit lang dauern. Unverständnis äußerte Bonz darüber, warum die komplizierte Ausschreibung nicht schon früher vorbereitet worden ist. Man habe sich erst damit auseinandergesetzt, als Hamburg das Baurecht erteilt bekam, erklärte er. Seiner Ansicht nach verursacht dies eine weitere zeitliche Verzögerung von mindestens einem halben Jahr. Entsprechend rechnet er damit, dass mit der Fahrrinnenanpassung erst im Frühjahr oder Sommer 2019 begonnen werden wird. Die Realisierung erwartet er nicht vor 2021.

Um die Fahrinnenanpassung nutzen zu können, brauche es zudem eine Befahrensverordnung, die die technischen und nautischen Voraussetzungen regelt, beispielsweise die Abstandsweiten für die Begegnung zweier Schiffe. Damit nicht noch mehr Zeit verloren geht, forderte Bonz, sich unverzüglich damit auseinanderzusetzen und hierbei auch den Sachverstand der Lotsen zu berücksichtigen. Sonst gebe es nach dem Abschluss der Arbeiten zwar die nautischen Voraussetzungen, aber womöglich keine rechtlichen.

Hamburg fällt in der Nordrange ab

Erst wenn die Fahrrinnenanpassung tatsächlich vollzogen sei, könne der Aufholprozess beginnen, so Bonz. Und Hamburg hat hier einen großen Nachholbedarf, was der UVHH-Präsident auch an Zahlen festmachte: in der Zeitspanne von 2007 bis 2017 sei der Containerumschlag in allen Häfen der Nordrange zwischen 9 und 27% gewachsen, in Hamburg sei er im selben Zeitraum um 10,8% zurückgegangen. Auch in diesem Jahr weist Deutschlands größter Hafen nach drei Quartalen einen Umschlagrückgang auf, während die Hauptkonkurrenten Rotterdam und Antwerpen Zuwächse verzeichneten.

Als weiteren Grund für die rückläufigen Umschlagzahlen sieht die Hafenwirtschaft das in Deutschland geltende Umsatzsteuergesetz. Dadurch hätten die deutschen Seehäfen einen klaren Nachteil gegenüber den übrigen Häfen der Nordrange. Bonz berichtete in diesem Zusammenhang, dass einige Unternehmen aus diesem Grund den Umschlag nicht mehr über Hamburg abwickeln. Auch dies habe Ladung gekostet.

Doch auch hier ist Besserung in Sicht, denn das Gesetz soll im kommenden Jahr an die europäische Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie angepasst werden. In einem ersten Schritt soll ab Sommer zunächst die Verrechnungsmöglichkeit für die Spediteure/Importeure geschaffen werden. In einem zweiten Schritt, der rechtliche und technische Änderungen erfordert, soll eine Harmonisierung mit der Praxis in den Westhäfen erfolgen, indem die Erhebung erst beim Empfänger entrichtet werden muss.

Bonz betonte zudem erneut, dass das deutsche Planungs- und Genehmigungsrecht dringend reformiert werden müsse. Die im aktuellen Entwurf eines Planungsbeschleunigungsgesetzes enthaltenen Maßnahmen seien nicht ausreichend, um eine effektive Beschleunigung bei der Planung von Infrastrukturprojekten herbeizuführen, betonte der UVHH-Präsident.

Baustellenmanagement muss her

Ferner kritisierte er den Zustand der Infrastruktur und die Vielzahl von Baustellen in der Hansestadt, diese würde die Logistik in zunehmenden Maße beeinträchtigen. Davon betroffen sei nicht nur der Wirtschafts-, sondern auch der Pendlerverkehr – vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ein »nicht zu unterschätzender Standortnachteil«, so Bonz. Hier müssten dringend neue Wege im Baustellen- und Instandhaltungsmanagement gegangen werden, um die Verkehrssituation in Hamburg zu verbessern.

Aus Sicht der Hafenwirtschaft ist dafür folgendes notwendig:

• eine engere Abstimmung zwischen der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer, der Hamburg Port Authority, den Bezirken sowie der Polizei mit dem gemeinsamen Ziel, den Verkehrsfluss deutlich zu verbessern

• ein verbessertes Baustellen- und Instandhaltungsmanagement (Ausschreibung/Durchführung/Überwachung, Maßnahmenbündelung, Nacht- und Wochenendarbeit),

• eine Einschränkung des Sondernutzungsrechtes von Straßen bei Baumaßnahmen, Genehmigung einer Fahrspursperrung nur in Ausnahmen,

• eine stärkere Einbeziehung der Leitungsträger (Pflichten der Leitungsträger in den künftigen Konzessionsverträgen stärker berücksichtigen),

• eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung des Landesbetriebes Straßen, Brücken und Gewässer und der Polizei, um die zahlreichen zusätzlichen Aufgaben im Verkehrssektor auch wahrnehmen zu können.

Durch eine stärkere Nutzung der Schieneninfrastruktur und der Wasserwege könnten die Straßen weiter entlastet werden. Hierfür bedürfe es aber einer guten funktionierenden Infrastruktur sowie attraktiver und kostenneutraler Rahmenbedingungen, damit die Eisenbahn und das Binnenschiff konkurrenzfähige Alternativen zum Lkw seien könnten. Vor diesem Hintergrund sei die derzeitige Zuordnung der Hafenbahn zum privat zu refinanzierenden Bereich der Hamburg Port Authority (HPA) kontraproduktiv, da sich dadurch die Schienentransporte im Hafen verteuern würden. Gleiches gelt für das Hafengeld für Hafen- und Binnenschiffe. »Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung die Befahrensabgaben für die Binnenschifffahrt ganz abschaffen will, ist eine weitere finanzielle Belastung der Hafen- und Binnenschifffahrt in Hamburg nicht akzeptabel und widerspricht auch dem politischen Ziel, Verkehre von der Straße auf die Wasserwege zu verlagern«, so Bonz.

Bezüglich des Ersatzes für die Köhlbrandbrücke hat die Hafenwirtschaft einen klaren Standpunkt. Sie bevorzugt einen Tunnel, allerdings müsse gegeben sei, dass auch Gefahrguttransporte zulässig seien. Spätestens 2030 werde ein Ersatz für die Brücke benötigt. Vor dem Hintergrund der langen Planungsprozesse sollte die neue Köhlbrandquerung daher schnellstmöglich angegangen werden. »Es ist eine Sekunde vor zwölf«, so Bonz.

Aus Sicht der Hafenwirtschaft hat der Erhalt der Unternehmen im Hamburger Hafen höchste Priorität. Eine wachsende Stadt brauche Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Damit dies auch so bleibe, dürften wertvolle Gewerbeflächen im Hafen nicht immer wieder für Stadtentwicklungsprojekte zur Disposition stehen, betonte Bonz. »Die Unternehmen im Hamburger Hafen arbeiten teilweise rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Lärm-, Licht- und Schadstoffemissionen, Geruch sowie Umschlag und Lagerung von Gefahrgutstoffen gehören zum Alltag im Hafen. Diese Gegebenheiten müssen bei einer städtebaulichen Entwicklung von hafennahen Flächen akzeptiert und berücksichtigt werden. Für Investitionsentscheidungen brauchen Unternehmen attraktive Rahmenbedingungen und eine langfristige Standortgarantie«, machte der UVHH-Präsident deutlich.

Für das kommende Jahr erwartet die Hafenwirtschaft sowohl beim Containerverkehr als auch für den Gesamtumschlag im Hamburger Hafen einen leichten Anstieg. »Wir sehen Licht am Ende des Tunnels«, so Bonz. Allgemein sei es wegen der aktuellen Handelskonflikte aber schwierig, Prognosen aufzustellen. In jedem Fall wird der Handel mit dem Iran künftig wegen der gegen das Land verhängten Sanktionen nicht mehr über Hamburg abgewickelt, sondern über Antwerpen. Bonz sprach von Containerzahlen im fünfstelligen Bereich.


Thomas Wägener