Fahrinnenanpassung der Elbe – jetzt geht’s los

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Nach 17 langen Jahren des Wartens kommt nun Bewegung in die Fahrinnenanpassung

der Außen- und Unterelbe. Nach Abschluss der Arbeiten sieht sich Hamburg wieder stärker aufgestellt im Wettbewerb mit den Westhäfen

Am 23. August 2018 war es soweit – Hamburg bekam vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Baurecht und damit grünes Licht für die Fahrrinnenanpassung der Außen- und Unterelbe erteilt. Nur rund einen Monat später reichte das Aktionsbündnisses Lebendige Tideelbe aus BUND, NABU und WWF dann eine erneute Klage gegen das Projekt ein. Ein Eilantrag auf einen Baustopp wurde aber nicht gestellt. Dennoch liegt die Klage weiterhin auf dem Tisch.

Jörg Osterwald, Leiter der Geschäftsstelle Weitere Fahrrinnenanpassung in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), stellte bei einer Veranstaltung zur Fahrrinnenanpassung von Außen- und Unterelbe in der Handelskammer Hamburg jedoch klar, dass die neuerliche Klage die Fahrrinnenanpassung nicht mehr verhindern werde. Falls allerdings abermals Mängel in der Planergänzung festgestellt werden sollten, könnte das eine weitere Verzögerung des Projekts zur Folge haben.

Erste Baggeraufträge vergeben

Ungeachtet dessen wurden nun die ersten Aufträge vergeben. Es geht um den Bau sogenannter Unterwasserablagerungsflächen (UWA), die benötigt werden, um die später anfallenden Baggermengen aus der Verbreiterung und Vertiefung aufzunehmen. Katrin Graeser, Sachbereichsleiterin Neubau beim Wasserstraßen und Schifffahrtsamt (WSA) Hamburg, sprach von insgesamt etwa 30Mio. m3 Baggergut.

In einem ersten Schritt gilt es, dafür die Randeinfassungen herzustellen. In Brunsbüttel werden Klappschuten mittels Radlader und Förderband mit Baustoffen beladen, die das Material zum Baufeld »Brokdorf« transportieren. Seit Anfang Februar seien die Baustoffe des Unternehmens Mibau Baustoffhandel mit Seeschiffen im Brunsbütteler Elbehafen angeliefert und dort zwischengelagert worden, so Brunsbüttel Ports. »Wir freuen uns, unseren langjährigen Kunden Mibau Baustoffhandel mit unserem Elbehafen als Drehscheibe für die Baustofflogistik unterstützen zu dürfen und unser Know-how im Massengutumschlag in diese bedeutsame Baumaßnahme einbringen zu können«, sagt Frank Schnabel, Geschäftsführer von Brunsbüttel Ports und der Schramm Group.

Bei der UWA »Brokdorf« kommt das Unternehmen Heuvelman Ibis aus Leer zum Zug. Der Auftragswert liegt bei rund 5Mio. €. Die Bietergemeinschaft Van den Herik aus Kleve ist mit einer zweiten Strombaumaßnahme betraut worden, der UWA »Medemrinne«. Kostenpunkt für den Bund: 10Mio. €. Zunächst wird ein sogenannter Initialdamm errichtet. Das Fassungsvermögen ist mit 12Mio. m3 Baggergut angegeben. Mit 25Mio. € schlägt der Bau der UWA »Neufelder Sand« zu Buche. Den Auftrag bekam das belgische Unternehmen Jan de Nul, das seinen Hauptsitz mittlerweile in Luxemburg hat. Die westlich von Brunsbüttel gelegene UWA »Neufelder Sand« ist insgesamt ca. 6.700m lang, dort werden zukünftig rund 9,5Mio. m³ der später anfallenden Baggermengen aus der Verbreiterung und Vertiefung gelagert. Jede der Baustellen wurden bereits zwei Wochen nach der Auftragsvergabe eingerichtet.

»Die ersten Aufträge wurden jetzt planmäßig erteilt. Das ist ein gutes Startsignal«, so Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) in Bonn. Weitere Aufträge befänden sich im Vergabeverfahren.

Graeser betonte, dass nur bestimmte Baggerverfahren angewendet dürften, um das Problem des Sauerstoffgehalts der Elbe nicht zu verschärfen. Ferner gelte es, die mausernde Brandgans zu beachten sowie die Finte, die von April bis Juni zwischen der Schwingemündung (km 655) und dem Mühlenberger Loch (km 630) laicht. Deswegen besteht gemäß dem Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2012 in der Zeit vom 15. April bis zum 30. Juni für den Ausbau ein Hopperbaggerverbot, das gemäß eines Ergänzungsbeschlusses aus dem Jahr 2016 seither auf das Wasserinjektionsverfahren (WI-Verfahren) ausgeweitet wurde. Dies gelte im selben Zeitraum auch für Unterhaltungsbaggerungen durch Hopperbagger und könne nur dann aufgehoben werden, wenn nachweislich kein Laichgeschehen stattfinde. »Es ist uns bewusst, das genau geschaut werden wird, was wir machen«, so Graeser.

Im Allgemeinen überwog in Hamburg die Freude, dass der Bau für die Fahrrinnenanpassung nun endlich begonnen werden konnte. In Euphorie wollten die Norddeutschen dennoch nicht verfallen. »Es ist kein Moment des Jubelns, sondern ein Moment, sich besonders anzustrengen«, so Osterwald.

Hamburg verliert an Ladung

Für Gunther Bonz, Generalbevollmächtigter beim Terminalbetreiber Euro­gate und zugleich Präsident des Unter­neh­mensverbands Hafen Hamburg (UVHH), ist es allerhöchste Zeit, die Fahrrinne den heutigen Schiffsgrößen anzupassen. Die jahrelangen Verzögerungen hätten für den Hamburger Hafen einen massiven Ladungsverlust an die Wettbewerber zur Folge gehabt. Nahezu sämtliche Häfen in der Nordrange und größtenteils auch im übrigen Europa hätten in den vergangenen zehn Jahren beim Containerumschlag zulegen können. Exemplarisch nannte er Rotterdam und Antwerpen mit Zuwächsen um 27%, auch Bremerhaven habe während dieser Zeit 13% mehr Boxen umgeschlagen. Im Vergleich dazu sei der Container­umschlag in Hamburg um 10% zurückgegangen.

Bonz sprach davon, dass zwischen 1Mio. bis 1,5Mio. TEU durch die fehlende Elbvertiefung verloren gegangen seien. Dies wieder aufzuholen, werde mindestens so lange dauern, wie das Verfahren für die Fahrrinnenanpassung, so der Manager. Anfang der 2000er-Jahre sei Hamburg sogar noch Erstanlaufhafen für Dienste aus Asien gewesen.

Diese Zeiten gehören längst der Vergangenheit an, denn die Schiffsgrößen haben sich rasant entwickelt. Das Bemessungsschiff für die Elbe in der heutigen Form sei 350m lang und vollbeladen 14m tief, erläuterte Bonz. Die heutigen Frachter seien 400m lang, 60m breit und bis zu 15,50m tief.

Weil die Fahrrinne der Elbe teilweise nicht breit genug ist, gibt es aus Sicherheitsgründen an bestimmten Stellen für die großen Schiffe ein Begegnungsverbot. Deshalb galt es, große Anstrengungen zu übernehmen, um den Schiffsverkehr bestmöglich zu koordinieren und ihn so am Fließen zu erhalten. Diese Aufgabe übernimmt das Hamburg Vessel Coordination Center (HVCC). Dort wird entschieden, wann welches Schiff fahren darf und welche Frachter gegebenenfalls warten müssen, bis Entgegenkommer passiert haben.

Begegnungsbox erleichtert Ablauf

Ein wichtiger Bestandteil der Fahrinnenanpassung ist daher der Bau einer rund 7km langen sogenannten Begegnungsbox zwischen Wedel und Blankenese. Dort wird die Fahrrinne von 300m auf 385m verbreitert. Die Arbeiten sollen bereits Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Pro Tide können einander dann bis zu vier Großschiffe an dieser Stelle passieren, fast doppelt so viele wie momentan.

Im zweiten Quartal dieses Jahres soll mit dem Ausbau der Fahrrinne begonnen werden. Bei Hochwasser können künftig dann Schiffe mit einem Tiefgang von bis zu 14,50m den Hamburger Hafen erreichen und verlassen. Bei Niedrigwasser soll dies bis zu 13,50m-tiefgehenden Frachtern möglich sein. Teilweise muss die Fahrrinne dafür um fast 2,50m ausgebaggert werden.

Tidenunabhängig können derzeit Schiffe mit einem Tiefgang von 12,50m auf der Elbe fahren. Durch die Fahrrinnenanpassung, die nach rund 24 Monaten abgeschlossen sein soll, würden sich die Kapazitäten pro Schiff um 1.300TEU erhöhen, was für Hamburg ein zusätzliches Umschlagpotenzial von rund 3Mio.TEU bedeute, hieß es.

Jan Holst, Country Head Germany bei Ocean Network Express (ONE), kündigte an, Deutschlands größten Seehafen nach der realisierten Fahrrinnenanpassung der Elbe wieder stärker in den Fokus zu nehmen. »Dann werden wird umgehend die Rotationen anpassen und Hamburg bei manchen Diensten als ersten Anlaufhafen nutzen oder auch als ersten Ladehafen.« Für ONE sei beides wichtig, die Begegnungsbox für schnellere Abläufe und die Vertiefung, um zusätzliche Ladung aufnehmen zu können.

Bonz wies bei der Veranstaltung in der Handelskammer mit Nachdruck darauf hin, dass die Fahrrinnenanpassung alleine nicht ausreichen werde. Parallel gelte es, noch weitere Aufgaben zu erledigen, etwa eine neue Befahrensverordnung zu erlassen, die unter anderem regelt, welche Abstände im Begegnungsverkehr künftig einzuhalten seien. Dies sei Aufgabe des Bundesrats. Bonz forderte, dies schnellstmöglich in der Weise in Angriff zu nehmen, »dass auch die Lotsen damit umgehen können.« Ferner gelte es, das sogenannte Drehkreisprojekt deutlich früher in Angriff zu nehmen als erst 2026 wie es aktuell geplant sei. Großschiffe müssen erst auf der Elbe drehen, bevor sie am Liegeplatz festmachen. »Diese Drehmanöver dauern 30 bis 60 Minuten«, so Bonz. Während dieser Zeit sei die Elbe für andere Schiffe blockiert.

Der Weg zum Fahrrinnenausbau

Anfang 2002 hatte Hamburg beim Bundesverkehrsministerium eine Anpassung der Fahrrinne an die Erfordernisse der Containerschifffahrt beantragt. Was folgte, waren zahlreiche Klagen und im Zuge dessen mehrere Planänderungen und Überarbeitungen.

Als dann endlich alles auf den Weg gebracht schien, machte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig dem Vorhaben im Februar 2017 einen Strich durch die Rechnung. Es sah Verstöße gegen das Habitatschutzrecht und stufte deswegen die Planfeststellungsbeschlüsse als teilweise rechtwidrig und nicht nachvollziehbar ein. Die vom Gericht festgestellten Mängel könnten von den Behörden nachträglich mit ergänzenden Planungen behoben werden, hieß es. Deshalb erkannte das Gericht die Planfeststellungsbeschlüsse im Grundsatz an.

Osterwald kritisierte die Klagen massiv. Die Umweltverbände hätten Dinge angeprangert, die sie gar nichts angehen würden bzw. die nicht zur Debatte gestanden hätten, wie die Sinnhaftigkeit oder den Bedarf des Projekts. Dies habe sehr viel Zeit gekostet, ergänzte Johann Killinger, Mitglied des Plenums der Handelskammer Hamburg.

»Wichtige Infrastrukturprojekte müssen in Zukunft wesentlich schneller umgesetzt werden, als dies bei der Fahrrinnenanpassung der Elbe der Fall war«, so sein Apell. Ziel müsse es sein, bei solchen Verfahren auf eine Dauer von sechs Jahren zu kommen. Zu lange Verfahren würden den gesamten Standort gefährden. Eine Verkürzung der Verfahren erfordere aber entsprechende Personalkapazitäten bei den Planungsbehörden und den Gerichten sowie Verfahrensklarheit für alle Beteiligte. Insbesondere die Auslegung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie habe aufgrund unklarer Rechtsbegriffe wertvolle Jahre gekostet, so Killinger.

»Nach der Realisierung der Fahrrinnenanpassung haben wir das Potenzial, Ladung aus Rotterdam und Antwerpen abzujagen«, blickt Bonz positiv voraus. Denn er sieht für Hamburg einen nicht zu unterschätzenden Vorteil gegenüber manchen Wettbewerbshäfen: Dieser ergibt sich aus der Lage der Hansestadt, die sich nicht in unmittelbarer Nähe zur Küste befindet, sondern weiter im Landesinneren und somit mit Anschluss an die Absatzmärkte. Die Kombination aus dem relativ langen Transportweg auf der Elbe und der Möglichkeit der Weiterbeförderung der Güter per Bahn, wirke sich positiv auf die CO2-Bilanz aus. Das Niedrigwasser auf dem Rhein habe vor Augen geführt, dass es auch in Rotterdam Probleme gebe, die Waren weiterzutransportieren, so Willem van der Schalk, Geschäftsführer von a.hardtrodt Deutschland und Vorsitzender des Ausschuss für Hafen und Schifffahrt der Handelskammer Hamburg.


Thomas Wägener