Die niederländische Reederei Doeksen setzt künftig zwei mit Erdgas betriebene Fährschiffe ein. Für den Antrieb sorgen die neuen mobilen 16-Zylinder-Gasmotoren von MTU
Von seinem Schreibtisch aus hat Paul Melles einen grandiosen Blick auf das Wattenmeer: Vor seiner großen Fensterfront hat der Geschäftsführer der niederländischen Reederei Doeksen, die von ihrem Sitz in Harlingen aus Fährverbindungen zu den beiden Inseln betreibt, ein großes Stativ mit Teleskop aufgestellt. »Damit kann ich prima abschalten«, sagt der 58-Jährige. »Und es gibt immer etwas zu sehen.«
Aktuell betreibt die Reederei neben drei Fähren, die sowohl Fahrzeuge als auch Passagiere zu den Inseln bringen, auch zwei Schnellfähren, einen Katamaran zum ausschließlichen Transport von RoRo-Frachtfahrzeugen sowie ein Wassertaxi. Bald bekommt Melles jeden Tag etwas zu sehen, auf das er sich schon seit Langem freut: zwei neue Fährschiffe, die das Unternehmen bereits vor drei Jahren bei der Werft Strategic Marine in Vietnam in Auftrag gegeben hat. Mit der MS »Midsland« soll dann eine der älteren Fähren ausrangiert werden.
»Wir waren auf der Suche nach einem neuen Fährkonzept, das sowohl nachhaltig als auch innovativ ist«, erläutert Melles, der früher selbst zur See gefahren ist und dann zunächst Technischer Leiter und 2001 schließlich Geschäftsführer von Doeksen wurde. Nach einer eigens durchgeführten Konzeptstudie entschieden sich die Verantwortlichen, statt einer großen Fähre zwei kleinere, je 70 m lange Katamarane bauen zu lassen.
Das macht nicht nur den Fahrplan flexibler und erlaubt mehr tägliche Abfahrten nach und von Terschelling möglich, sondern erhöht auch die Effizienz und senkt damit die Betriebskosten. Als Brennstoff der Wahl empfahl die Studie Flüssigerdgas (LNG) mit der Option, zukünftig Bio-LNG oder LBG (Liquified Bio Gas) zu verwenden.
Gasmotor von MTU
Dem Geschäftsführer ist es ein großes Anliegen, die Rederij Doeksen so umweltfreundlich wie möglich aufzustellen. »Der Klimawandel lässt sich nicht abstreiten, darum müssen wir handeln«, betont er. »Die meisten Fahrgäste, die unsere Fähren nutzen, kommen wegen der schönen Natur – wegen der schönen Inseln, der sauberen und frischen Seeluft.« Die Reederei nutze die Routen häufig, deswegen müsse sie auf die Umwelt aufpassen und sich um sie kümmern.
Dazu gehört unter anderem, dass an allen Unternehmensstandorten grüner Strom genutzt wird, der Terminal in Harlingen von einer CO2-neutralen Pelletheizung beheizt wird und die bestehende Flotte perspektivisch ihre Emissionen reduzieren soll. Vor allem war aber von Anfang an klar, dass die beiden Schiffsneubauten einen umweltschonenden Antrieb erhalten sollten.
»Ein vollelektrischer Antrieb kam für uns mit den derzeit auf dem Markt vorhandenen Batteriesystemen noch nicht infrage«, erläutert Melles. Terschelling ist 21 sm von Harlingen entfernt, da müssten nach jeder Fahrt die Batterien aufgeladen werden. »Die Zeit haben wir aber nicht, deswegen ist LNG momentan für uns die optimale Lösung.«
Herzstück jeder Fähre sind zwei 16-Zylinder-Gasmotoren aus der MTU-Baureihe 4000 mit je 1.492 kW Leistung, die direkt Festpropeller antreiben und damit für ein dynamisches Beschleunigungsvermögen sorgen. Bei einem Höchsttempo von 14 kn können die Neubauten bis zu 600 Passagiere und 64 Pkw befördern. »Wir kennen MTU als Hersteller von Hochleistungsdieselmotoren, die enorm zuverlässig sind. Von dem neuen Gasmotor sind wir komplett überzeugt.«
Die wenigen LNG-betriebenen Schiffe, die derzeit schon in anderen Gewässern operieren, sind zumeist mit Dual-Fuel-Motoren. »Das brauchen wir nicht, weil wir auf einer festen Route von A nach B verkehren«, sagt Melles.
Die Anlaufschwierigkeiten sind überwunden. Zunächst dauerte die Zertifizierung des mobilen Gasmotors durch die Klassifikationsgesellschaft Lloyd›s Register länger als ursprünglich gedacht. Anschließend geriet die Bauwerft in Vietnam in finanzielle Schwierigkeiten und stoppte für drei Monate die Arbeiten an den neuen Fähren. Erst nach Wochen einigten sich die zuständigen Banken auf eine Refinanzierung.
Geplant ist nun, dass die nach den beiden friesländischen Seefahrern und Entdeckern benannten Neuzugänge der Flotte – die »Willem Barentsz« und die »Willem de Vlamingh« nach verschiedenen Tests im September den regulären Fährdienst aufnehmen.
Bis dahin werden auch die erforderlichen Änderungen der Infrastruktur im Hafen von Harlingen abgeschlossen sein: Nötig ist ein neuer Nachtliegeplatz für ein zusätzliches Schiff, kleinere Anpassungen an der Mole zum sicheren Anlegen der Fähren und eine Bunkeranlage zum wöchentlichen Betanken. Bei Paul Melles ist die Vorfreude groß, die Katamarane in Empfang zu nehmen.
Melles will sich weiter dafür einsetzen, die Doeksen-Flotte so sauber wie möglich zu gestalten. Allerdings hält er LNG nur für eine Übergangslösung. »Auch das ist ein fossiler und damit endlicher Energieträger«, so Melles. Irgendwann werde es funktionierende elektrische Antriebe geben, vielleicht auch für Wasserstoffantriebe. Bis es aber so weit ist, hat er noch eine andere Idee: Bio-LNG, also in Biogasanlagen gewonnenes und verflüssigtes Gas. »Damit ließe sich der CO2-Ausstoß noch einmal deutlich reduzieren«, sagt er. »Es gibt Möglichkeiten, diesen Treibstoff hier in der Region zu gewinnen. Und danach schauen wir jetzt.«
(Nachdruck aus dem MTU-Report / März 2019)