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Bei der SET-Schiffswerft Genthin ist das Anfang 2018 auf Kiel gelegte Baggerschiff »Krabbe« getauft worden und vom Stapel gelaufen. Genutzt wird es künftig vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Magdeburg. Haupteinsatzgebiet ist die Elbe

Knapp 13 Monate sind seit der Kiellegung vergangen. Am 8. März wurde das Baggerschiff mit der Baunummer 201 auf der Genthiner SET-Werft feierlich auf den Namen »Krabbe« getauft. Beim anschließenden Stapellauf wurde es schließlich in das Wasser des Elbe-Havel-Kanals gesetzt. Taufpatin war Margit Walter, Frau des künftigen Schiffsführers Andreas Walter, die dank einer von der Werft hergestellten Vorrichtung mit Bravour und Kraft die Sektflasche mit dem ersten Versuch zum Platzen brachte. »Ich bin sehr stolz darauf, dass ausgerechnet mein Mann für die Führung dieses schönen Schiffes auserwählt wurde«, sagte sie. Margit Walter ist Besitzerin eines Blumengeschäfts in Halle an der Saale. Und die Saale gehört auch zum Arbeitsbereich des WSA Magdeburg ebenso wie der Saale-Leipzig-Kanal und die Elbestrecke vom Saalhorn, Ekm 290, bis zur Mündung des des Elde-Müritz-Kanals, Ekm 503, sowie der Elbe-Havel-Kanal von Hohenwarthe an der Elbe bis zum Wendsee bei Kirchmöser/Wustererwitz an der Unteren Havel-Wasserstraße.

Das Arbeitsschiff hat ein Länge von 36m und eine Breite von 9,60m. Bestandteil des Neubaus ist auch ein knapp 50t schwerer Hydraulikbagger, weshalb man in der Gesamtheit auch von einem »Schwimmgreifer« spricht.

In Auftrag gegeben wurde der rund 4,2Mio. € teure Schwimmbagger von der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Nutzer des Schiffes wird das WSA Magdeburg sein. Der Heimathafen des schwimmenden Arbeitsgerätes wird nach den Erprobungen und der endgültigen Abnahme der Außenbezirk 1 (Abz. 1) in Niegripp sein. Der Neubau wird hauptsächlich auf der Elbe von der Saalemündung bei km 290 bis zur Schleuse Niegripp bei Ekm 346,5 eingesetzt.

»Durch die vollwertige Ausstattung mit drei Einzelkabinen, Küche, WC und Dusche sind in Zukunft auch mehrtägige, überregionale Einsätze vorstellbar. Aufgabe der Besatzung ist es dabei, die Sohle der Elbe auf einer bestimmten Tiefe zu halten, beispielsweise Sandablagerungen oder Hindernisse aus der Fahrrinne zu entfernen. Damit sich das Schiff beim Baggern nicht von der Stelle bewegt, verfügt es über zwei hydraulisch klappbare Stelzen, die sich mit einer Kraft von je 14t in den Flussboden drücken«, sagte SET-Geschäftsführer Olaf Deter bei der Taufe. Angetrieben wird das Schiff durch zwei je 400 PS (294 kW) starke Volvo-Dieselmotoren, die ihre Kraft auf zwei um 360° drehbare Schottel-Ruderpropeller übertragen. Dadurch sei das Schiff sehr wendig und benötige kein klassisches Ruder, so Deter. Weiterhin verfügt es über eine Abgasnachbehandlung mit Harnstoffeinspritzung, ähnlich wie bei modernen Lkw und Bussen, um die Stickoxidemissionen weitgehend zu reduzieren.

Durch die Elektriker der Werft wurden knapp 10km Kabel im Schiff verlegt. Auch im Steuerhaus sei man man mit der Zeit gegangen. Schalter und Taster finde man hier kaum noch, stattdessen aber jede Menge Bildschirme. Und die meisten Funktionen könnten über die zwei zehn Zoll großen Touchbildschirme gesteuert werden.

Im Maschinenraum befinden sich zwei Hilfsdieselaggregate, welche die erforderliche Elektroenergie der Bordnetzverbraucher im Arbeits- wie auch im Hafenbetrieb sicherstellen würden. Erforderliche Pumpen- und Windentechnik sowie ein höhenverfahrbares Ruderhaus runden die technische Ausrüstung ab.

»Neben den modernen elektronischen und navigatorischen Anlagen und Systemen ist auch ein moderner und wohnlich gestalteter Unterkunftsbereich natürlich selbstverständlich und bietet der künftigen Besatzung bestmögliche Arbeitsbedingungen«, ergänzte der SET-Geschäftsführer.

Als Protagonist für den späteren Schiffseinsatz diene der leistungsstarke Bagger, der in den nächsten Tagen das Arbeitsdeck des neuen Schiffes in Beschlag nehmen werde. Es handele sich um einen modernen Hydraulik-Raupenbagger vom Typ R 946 der Firma Liebherr, der mit seinen 300 PS in den kommenden Jahren so einiges an Material bewegen werde.

Deter lobte besonders die Leistungen in den Bereichen Schiffbau, Maschinenbau und Elektrik, die durch die Belegschaft der Werft selbst erbracht wurden. »Für die Bereiche Innenausbau, Heizung/Sanitär oder Konservierung arbeiten wir eng mit regionalen Unternehmen zusammen.« Deter nannte dabei besonders die Tangermünder Firmen Holztec und den Maschinen-Metall-Heizungsbau Querfurth, die seit 1990 bisher an allen Schiffen mitgebaut haben. Für die hohe Umweltfreundlichkeit der »Krabbe« mit Hilfe der neuen Entstickungsanlage ist die Firma Fischer Abgastechnik aus Emsdetten zuständig, welche die SET-Schiffswerften bereits bei anderen Neubauten unterstützt hat. Ferner unterstrich Deter, dass die SET-Schiffswerften bei Kreuzfahrt- und Fahrgastschiffen Abwasserreinigungsanlagen einbauten, wie kürzlich in Tangermünde beim Flusskreuzfahrtschiff »Königstein«, dessen Abwasserreinigungsanlage von der Firma Martin Membrane Systems aus Berlin stammt.

Die 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werft sind stolz auf das Schiff »Made in Genthin«, denn es ist ein Unikat und kein Serienschiff, also in echter Handarbeit mit Unterstützung durch moderne Schneid- und Schweißtechnik entstanden.

Testfahrt auf dem Beetzsee

In den kommenden zwei Wochen starte die Inbetriebnahme der einzelnen Systeme und anschließend gehe es zur großen vierstündigen Testfahrt auf den Beetzsee bei Brandenburg.

Der Bereichsleiter für Schiffbau, Maschinenbau, Nachrichten, Elektro- und Fahrzeugtechnik des WSA Magdeburg, Michael Burger, lobte, stellvertretend für seinen Amtsleiter Tjark Hildebrandt, die hohe Qualität des Schiffbaus der Genthiner SET-Werft. »Mit dem neuen Schwimmbagger werden wir in den Elbestrecken V und VI, also zwischen Saalhorn und Niegripp, dazu beitragen, der Schifffahrt durch regulierende Maßnahmen bestmögliche Tauchtiefen bereitzustellen.« Allerdings schränkte er auch ein, dass bei so einem extremen Niedrigwasser wie im vergangenen Jahr auch der modernste Schwimmbagger nicht zaubern könne. Aber er zeigte sich sicher, dass das neue Schiff alle Aufgaben erfüllen werde. Außerdem freue er sich, dass die Besatzung sehr komfortable Wohn- und Arbeitsbedingungen vorfinde, wenn das Schiff in den Einsatz gehen werde.

Die Genthiner SET-Schiffswerft

Nachdem im Dezember 1920 von der damaligen deutschen Reichsregierung der Beschluss gefasst wurde, als Fortsetzung des Baus des Mittellandkanals vom Ostufer der Elbe aus den Elbe-Havel-Kanal bis zum Wendsee bei Wusterwitz zu bauen und dabei Teile des Plauer- und das Ihlekanals einzubeziehen, entstand in Genthin 1921 ein Bauhof der damaligen Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Dort wurden die für den Kanalausbau benötigten Schuten und Schiffe gefertigt.

Aus diesem Bauhof entstand 1950 die Schiffsreparatur-und Schiffbauwerft Genthin als Tochterunternehmen der Deutschen Schifffahrts- und Umschlagsunion (DSU) Magdeburg, aus der 1957 die Deutsche Binnenreederei (DBR) hervorging. Auf dieser Werft wurde 1961/62 die erste Kanalschubeinheit gefertigt, bestehend aus einen Schubschiff von 14,10m Länge, 8,20m Breite und 1,10m Tiefgang und einem 190 PS starken Z-Antrieb sowie zwei Schubleichtern von 32,50m Länge, 8,20m Breite und 440t Tragfähigkeit. Sie entsprachen den auf den Hauptwasserstraßen der DDR zugelassenen Schleusenmaßen und Schiffsgrößen. Nachdem 1962 die Erprobungen zur Zufriedenheit abgeschlossen waren, wurden auf der Roßlauer Schiffswerft 66 Schubschiffe dieses Typs und innerhalb von zehn Jahren auf mehreren Werften 700 Schubleichter gebaut, die sich überwiegend noch heute bewähren.

Auf der Genthiner Werft wurden anschließend die Eisbrechertypen »Elbe« und »Havel« entwickelt und gebaut. Das bis heute größte Fahrgastschiff für 400 Personen auf DDR-Gebiet erfolgte 1976 ebenfalls auf der Schiffswerft Genthin. Die »Mark Brandenburg« fährt bei der Stern und Kreis in Berlin und ist auch Berlins größtes Fahrgastschiff. In den 1980er-Jahren erfolgte letztlich in Genthin die Konstruktion für und der Bau von sechs flachgehenden Stromschubschiffen vom Typ SSS Elbe von 38m Länge, 10,30m Breite und 0,80m Tiefgang mit je 2 x 404 kW, die sich heute ebenfalls noch sehr gut bewähren.

Als SET-Schiffswerft ist Genthin heute auf den Bau von Behördenschiffen, Polizeibooten und Baggerschiffen spezialisiert. Auch als Reparaturwerft genießt das Unternehmen einen sehr guten Ruf.


Christian Knoll