Der Flusskreuzfahrtsektor in Deutschland verzeichnet stärkere Zuwächse als der Seekreuzfahrtmarkt. Das Passagieraufkommen wuchs im vergangenen Jahr um 5,5 % auf 496.000. Die Gewinne der Veranstalter steigen, weitere neue Schiffe sind im Zulauf
Die Internationale Tourismusbörse in Berlin ist alljährlich Anfang März der Treffpunkt der Reisewelt. Neben der regelmäßigen Kontaktpflege ist sie immer für ein paar Überraschungen gut. Diesmal gehörte dazu, dass die deutsche Flusskreuzfahrt mit +5% einen stärkeren Zuwachs vermelden kann als die Kollegen aus der Seeschifffahrt. Da sich auch die durchschnittliche Reisedauer von 6,85 Tagen auf 7,07 Tage verlängert hat, stieg die Zahl der Passagiernächte sogar um 8,9% an.
Worauf die Veranstalter richtig stolz sind, ist der um 18% gestiegene Gesamterlös. Zur größeren Zahl der Reisen und der längeren Dauer kam nämlich auch ein höherer Reisepreis. Im Vergleich zu knapp 156 € im Vorjahr legten die Fahrgäste 2018 genau 13 € mehr pro Tag an. Dank neuen Schiffen nahmen die Buchungen in der Premium- und Luxusklasse deutlich zu; die Luxus- und »Ultra«Luxus-Klassen zusammen vermehrten ihre Anteile von 6,3% auf 14,3%.
Auch so manches Fahrtgebiet erlebt eine Renaissance, so ist die Stimmung in Ägypten durchaus wieder positiv. Zwar liegt noch immer kein neues Verzeichnis der schwimmenden Hotels vor, aber in diesem Sommer soll sich entscheiden, welche der Nilschiffe eine Zukunft haben. Der größere Teil scheint mittlerweile wieder in Fahrt zu sein.
In Russland ist der Abwärtstrend ebenfalls gestoppt. Die Schiffe sind wieder nahezu ausgelastet, die Flotte schrumpft nicht mehr weiter, die ersten Neubauten gehen der Fertigstellung entgegen. Auf dem Mekong präsentiert sich in Berlin wieder einmal ein neuer Anbieter, weitere sind neu im Internet zu finden.
Nur die Chinesen halten sich weiter zurück: Kein Hinweis auf die größten Flussschiffe der Welt auf dem Jangtse oder irgendwelche Planungen. In den USA erweitert die führende Flussreederei American Cruise Lines dagegen planmäßig ihre Flotte, während andere Projekte zum Umbau von Casinoschiffen in fahrende Einheiten stecken geblieben sind.
Neubauten für Europa
So beschränkt sich die entscheidende Flottenerweiterung überwiegend auf Europa. Die Tatsache, dass 2018 nur zehn Schiffe einschließlich eines Umbaus neu in Fahrt kamen, bleibt wohl die Ausnahme. 2019 kommen knapp 20 Neubauten in Fahrt, der Trend dürfte sich auch 2020 fortsetzen. Mehr als ein Jahr im Voraus kann das noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, doch die Optionen mehren sich.
Der größte Schub kam 2019 wieder einmal von Viking River Cruises. Den sechs »Longships« der Neptun Werft aus Warnemünde folgen 2020 sechs weitere Schwesterschiffe. Gleichzeitig baut die US-Reederei das Angebot für chinesische Passagiere auf mittlerweile fünf Schiffe aus, die im Service, Restaurant, Shop etc. an die Bedürfnisse des asiatischen Marktes angepasst werden.
AMA Waterways bringt im laufenden Jahr neben einem Neubau der jüngsten Serie die mit 22m doppelt so breite »Amamagna« auf der Donau in Fahrt. Das Schiff wird über 98 Kabinen verfügen. Interessant ist die Baugeschichte: Wie alle jüngeren Neubauten für AMA Waterways entstand der Rumpf in Serbien, der Innenausbau aber fand in den Niederlanden statt. Für den Transfer des Rohbaus war der üblicherweise genutzte Main-Donau-Kanal zu schmal. Die »Amamagna« musste von der Donaumündung mit einem Schwerlastschiff nach Rotterdam gebracht werden, nach Vollendung des Innenausbaus ging es dann erneut huckepack zurück ins Einsatzgebiet Donau.
Douro Azul brachte seit Herbst 2018 vier Neubauten für verschiedene Veranstalter in Fahrt. Daran hat sich jetzt Uniworld mit einem Auftrag für 2020 angeschlossen. Der Veranstalter arbeitet auch daran, seine Flotte zu »Super Ships« aufzuwerten. So wird aus der im Raum Bordeaux eingesetzten »River Royale« bald die S.S. »Bon Voyage«. Tauck Tours aus den USA geht zum langjährigen Partner Scylla AG, um sich dort ein Schiff für den Douro zu beschaffen.
Avalon Waterways hält die Flotte mittels Neubauten immer modern, aber gibt auch gern ältere Schiffe wieder zurück an die Eigner. Davon profitieren andere wie Gate-1 Travel, die ihre Flotte als Zweitcharterer noch immer moderner Schiffe rasch ausbauen.
Motor eines solchen Tauschkarussells ist River Advice, die führende Managementgesellschaft in Basel, die den Reedern, Veranstaltern oder Geldgebern die fehlenden Dienstleistungen anbietet und damit eine immer größere Flotte betreut.
Unter den europäischen Anbietern hält sich der Marktführer CroisiEurope auffallend zurück. Nach der »Amalia Rodrigues«, dem sechsten Neubau für den Douro, haben die Franzosen derzeit keinen weiteren großen Neubau angekündigt, nur ein zweites kleines Schiff für Afrika soll demnächst kommen.
Lüftner Cruises aus Innsbruck gibt das einzige gebraucht erworbene Schiff wieder ab. Damit besteht die Flotte dieses Jahr nur aus den 15 seit 1997 entstandenen Neubauten, denen nächstes Jahr ein weiteres Schiff folgen wird. Seit 2013 haben alle die maximale Länge von 135 m.
Deutsche modernisieren
Die deutschen und in Deutschland ansässigen Veranstalter führen ihre Flottenmodernisierung weiter: A-Rosa hat just bei Damen den Vertrag für ein neues Rhein-Schiff unterschrieben, das mit Batterien und Blasenschleier ausgestattet werden wird und dadurch ab 2020 sehr sparsam und emissionsfrei unterwegs sein wird. Zuvor schickt die Rostocker Reederei ein Charterschiff auf den Douro, das kurz vor der Fertigstellung steht.
Phoenix Reisen erhält dieses Jahr die »Adora« vom langjährigen Partner Dunav aus Bulgarien, Eigner und Manager mehrerer Phoenix-Schiffe. Vom anderen Partner Scylla aus Basel waren schon im Vorjahr zwei Neubauten für 2019 und 2020 angekündigt worden. Mit jährlich zwei bis drei Neubauten kann Scylla abwechselnd Charterschiffe für Phoenix, Nicko Cruises, Tauck Tours und die britische Riviera Travel zur Verfügung stellen.
Der relativ kleine, in Bremen ansässige Veranstalter Plantours bringt 2020 erstmals ein eigenes Flussschiff in Fahrt und will die Flotte in den Folgejahren weiter ausbauen. »Nicko cruises« wechselt 2020 zu Select Voyages als Reederei für seinen weiterentwickelten Neubau »nicko spirit«, der mit 110m Länge auf verschiedenen Flüssen gut einsetzbar sein soll. Das erste Seeschiff von »nicko cruises«, das Expeditionsschiff »World Explorer« kommt verspätet erst zur Sommersaison in Fahrt, außerdem wurde bekannt, dass »nicko« auch ein Schwesterschiff nach Fertigstellung im Auftrag der portugiesischen Muttergesellschaft übernehmen darf.
Ungewöhnlich früh haben mehrere Anbieter angekündigt, dass sie auch für 2021 an Neubauten denken. Dazu gehören Plantours und Feenstra aus Arnheim. Dank der anhaltend guten Nachfrage wird aber auch älteren Schiffen wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Die junge Dutch Cruise Line, die zwischen Charterern und Eigner vermittelt, hat ihre Flotte jetzt schon auf sechs Schiffe erweitert. Jüngste Neuzugänge sind die 115 Jahre alte »Lady Anne« (Baujahr 1903 als Frachter), die jetzt bei Nostalgic River Line fährt, und ein wesentlich jüngeres Schiff der Grand Circle Cruise Line.
Der spanische Veranstalter Crucemondo baut seine Flussflotte mit Charterschiffen aus: Die »Da Vinci« geht aus dem Feenstra-Management in die Flotte von Riverman in Basel und gleichzeitig als »Crucevita« in spanische Dienste. Weiterhin nimmt Crucemondo die »Crucebelle« sowie die »Crucestar« aus Holland (ex »Regina Rheni«) auf. Sie wurde an die ukrainische Reederei Chervona Ruta verkauft, geht aber vorerst in spanische Charter.
Das Flottenwachstum wird also auch weiterhin in Europa am stärksten sein. Da kaum alte Schiffe verschrottet werden, erhöht sich 2019 die Zahl der Schiffe mit mindestens 40 Betten auf Europas Wasserstraßen auf fast 380. Vor zwölf Jahren waren es nur halb so viele.
Arnulf Hader