Der lange Weg des Schwerguts aufs Schiff

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Nur wenn Vorzüge des Transports jenseits der Straße geprüft werden, gibt es echten Wettbewerb, sagen die Betreiber von Binnenhäfen. Sie wollen ihre Stärken mehr ausspielen, setzen auf die Kombination mit der Schiene. Geschäftsmodelle sind gefragt

Projekt- und Schwergutladungen auf der Straße geraten unter Druck: volle Verkehrsflächen, Schäden an Brücken und Infrastruktur zwingen neben Emissionen zum Umdenken – aktuell diskutiert die Politik schnellere Genehmigungsverfahren. Die haben es in sich, könnten sie doch im besten Fall auf eine echte Prüfung der Alternative Binnenschiff drängen und damit Kosten, Emissionen und Verkehrsbelastungen mindern, sagen Binnenhafenbetreiber. Sie sehen die Debatte mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zwar gibt es vielerorts Beispiele für erfolgreiche Schwerguttransporte mit dem Binnenschiff, doch auch Frust mit eingefahrenen Wegen bei Behörden und Speditionen. Die Binnenschifffahrt stellt Erfolgsmodelle vor und befragte Hafenvertreter, was sich ändern muss, um mehr Schwergut aufs Wasser zu bekommen.

Auf die Prüfung kommt es an

»Der Genehmigungsprozess ist entscheidend. Ob es eine Abfrage des Verkehrsträgers Binnenschiff vor dem Straßentransport gab, bleibt oft ungeprüft,« sagt Frank Thiele, Leiter Vertrieb und Logistik Sächsische Häfen Oberelbe. Boris Kluge, Geschäftsführer beim Bundesverband öffentlicher Binnenhäfen, sagt dazu: »Firmen kreuzen bei Genehmigungsverfahren oft ›Nutzung eines Binnenhafens wurde geprüft‹ an – wir haben aber oft keine Anfrage bekommen.« Ein echter Wettbewerb könne so nicht stattfinden, meint Thiele: »Schwerlasttransporte der Standardgröße, z.B. Windflügel, rollen inzwischen über die Straßen, ohne dass die Binnenhäfen je angefragt wurden, das ist inzwischen Standard.« Er sieht vor allem zwei Hindernisse, erstens den Weg der Beantragung einschließlich der Umsetzung neuer Verwaltungsvorschriften, die jedes Bundesland anders auslege. Zweitens stünden die Logistiker, wenn sie versenden und nicht ab Werk verkauft wird, unter großem Druck. »Der Spediteur hat andere Erlöse, wenn er den Gesamttransport übernimmt, da sind schnell fünfstellige Beträge im Raum«, so Thiele. Die Kunden der Fracht kümmerten sich oft nicht um solche Fragen, suchten lediglich einen Partner, der alles in einer Hand biete.

Vorteile der Binnenhäfen würden so übersehen, sagt Thiele: »Wir bieten Lagerkapazität und Montagemöglichkeiten, diskriminierungsfreien Zugang als öffentliche Häfen und haben als solche klar einsehbare Tarife, das heißt Planbarkeit – auch bauen wir eine Logistikkette aus einer Hand.« Laut Kluge gibt es »kein physisches Hindernis« fürs Schiff. »Eine feste Kaikante muss vorhanden sein, Krane zu mieten kostet natürlich Geld, auch ist die Infrastruktur in den Häfen oft nicht vorhanden, dennoch Genehmigung ist das Hauptproblem!« Lokale Behörden sind demnach oft gar nicht in der Lage zu prüfen, ob die Alternative Schiff wirklich erwogen wurde. »Wir wollen in der Prüffrage nicht locker lassen. Wenn es nach Recht und Ordnung ginge, bekämen wir mehr Ladung, werden aber oft ausgetrickst«, so Kluge.

Stefan Kunze, Vorstandsvorsitzender der Elbe Allianz, regt im Prüfverfahren »Modelle für digitale Streckenkontrolle an, die dann das Binnenschiff vorschreiben können«. Generell ist für ihn die »in der Regel hohe Transportsicherheit« des Binnenschiffs bei Schwergut- und Projektladung ein klares Plus, da bei hohem Volumen eher wenig Tiefgang erforderlich sei, auch Niedrigwasser kaum ein Hindernis bei der Verladung darstelle – das »Ausnahmejahr 2018« einmal nicht mitgerechnet.

Auch er beklagt, dass Straßentransporteure oft unhinterfragt das Binnenschiff als ungeblich unmögliche Variante auskreuzen. Kunze verweist aber auch auf ein Positivbeispiel Anfang dieses Monats: »Einer der größten Projekttransporte Europas, eine Chemieanlage aus Leuna mit einem Reaktor (Stückgewicht 269t, Höhe 5,50m/Breite 8,30m) als größtes Teil kam auf dem Landweg bis Pfütztal an der Saale, wurde dort in insgesamt sieben Schubleichter verladen und mit vier flachgehenden Schubleichtern nach Hamburg transportiert. Dort erfolgte der Umschlag ins Seeschiff bei C. Steinweg in Hamburg.«

Zufahrt als ungeahntes Manko

Für das Elbstromgebiet regt Kunze an, Tauchtiefen über 2 m sicherzustellen und Zufahrtsstraßen zu den Binnenhäfen zu bauen oder von Einschränkungen zu befreien. »Bei den Zufahrtswegen zu den Binnenhäfen ist in den letzten Jahren eine Zunahme von baulichen Einschränkungen zu verzeichnen, so durch Kreisverkehre oder die Ablastung von Brücken.« Positive Beispiele für Schwerlaststrecken sind demnach die Strecke Erfurt-Aken (Zusammenarbeit der Behörden aus Sachsen-Anhalt und Thüringen bis hin zum Baustellenmanagement) oder auch Görlitz – Dresden (Anpassung von Durchfahrthöhen auf der A4, Sicherstellung der Zuführung zum Hafen im Stadtgebiet). Neben der Einhaltung der Genehmigungsverfahren für Schwertransporte sieht er Bedarf an Marketing für den Verkehrsträger sowie die Notwendigkeit einer »Kombination mit anderen Ladungen, z.B. mit Containerverkehren, »um eine höhere Abfahrtsdichte zu erreichen«. Eine weitere Option sei, Hersteller im Grenzbereich, also für Ladungen, die noch einigermaßen auf der Straße transportierbar sind, stärker zu sensibilisieren. Oft sei die Alternative Schiff noch unbekannt.

Turi Fiorito, Direktor der Europäischen Binnenhafenvereinigung EFIP (European Federation of Inland Ports) sieht als größte Hindernisse für mehr Schwergut auf Binnenschiffen »das Fehlen von Netzwerkdenken und Produkten«. Trotz Vorteilen bei Preis, Verlässlichkeit und Kapazität sei das Problem der Reichweite entscheidend, fast immer sei ein multimodaler Ansatz nötig, entweder um das Hinterland oder die letzte Meile zu erreichen. »Seitens der Spediteure sind mehr Forschung und Vorbereitung gefragt«, so Fiorito – es komme darauf an, neue Partnerschaften aller Akteure zu bilden. Starke Investitionen seitens der Politik machten nur Sinn, wenn auch starke Geschäftsmodelle entstünden.

Investitionen schaffen Erfolge

Solche erfolgreiche Schwergutverlagerung aufs Binnenschiff gibt es indes bereits. »Hier in Mannheim hat sich schon Schwergut auf das Binnenschiff konzentriert, die Spediteure sind schon ausgewichen, weil sie auf den Straßen Probleme haben«, sagt Melanie von Castell, Abteilungsleiterin bei der Hafengesellschaft Mannheim. Im Rheinauhafen Mannheim besteht seit Oktober ein neues Schwergutzentrum der Spedition Kübler – »für den Hafen ein Mehrwert, weil dort auch Wertschöpfung geschieht, Teile zusammengesetzt werden«, so von Castell.

Bayernhafen, der an sechs Standorten aktive Betreiber, liefert ebenfalls Beispiele, wie Schwergut und Schiff zusammenfinden. Am Standort Passau wurde im Februar die Schwergut-Kompetenz noch einmal verstärkt: Der neue Hafenmobilkran LHM 420 kann Einzellasten mit einem Gewicht von bis zu 120t verladen. Damit ist er auch für den Umschlag kompletter Windkraftanlagen gerüstet. Bei noch schwereren Anlagenteilen erfolgt der Umschlag im Twinbetrieb mit einem weiteren Kran. Darüber hinaus können Autokrane bis zu 1.000t aufgestellt werden. Der im bayernhafen Nürnberg ansässige Schwergut-Spezialist Züst & Bachmeier Project managte 2018 beispielsweise vier Umschläge von rund je 500t schweren Trafos des Siemens Transformatorenwerks Nürnberg aufs Binnenschiff und den weiteren Transport zu Kunden weltweit.

Produkte und Signale gefragt

Die Aussichten für das Binnenschiff als echte Alternative im Schwergutsegment sind insgesamt gegeben: Wenn Investitionen und politischer Wille zusammenfinden, geht es auch mit dem Schiff. Wenn das angebotene Produkt sich zudem als zuverlässig erweist, können Schiffe und Häfen ihre Vorteile leichter ins Spiel bringen. Dort wo die Ladungen laufen, gingen oft Investitionen voraus.

»Aus Sachsen, Thüringen und Berlin laufen regelmäßig Projektladungen«, sagt Stefan Kunze, der die Erfolge dort an Investitionen festmacht: »Investitionen in den Binnenhäfen, zum Beispiel in Schwerlastkräne in Berlin, Aken, Dresden, Decin, Lovosice und Melnik oder Speziallösungen wie das RoRo-Konzept der BEHALA in Berlin« bringen demnach Transporte auf das Wasser.

Turi Fiorito sieht die Signalfunktion der Politik: »Spediteure zögern an erster Stelle mit der Binnenschifffahrt zu experimentieren, und wenn es keine klare politische Rückendeckung gibt, haben sie wenig Grund zu wechseln, da die anfänglichen Kosten und Risiken sehr hoch wären.« Entsprechend sollten auf politischer Ebene rechtliche Hindernisse abgeschwächt oder ganz beseitigt werden, während es gleichzeitig auf Initiativen ankomme, Schwerguttransporte auf Binnenwasserstraßen zu fördern.


Sverre Gutschmidt