Lkw-Motoren, die auch in der Binnenschifffahrt die Euro V-Vorgaben erfüllen? Solche Aussagen machen neugierig. Der niederländische Motoren-Spezialist Vink Diesel hat womöglich eine Lösung gefunden
Monatelang hingen die Buchstaben NRMM (Verordnung (EU) 2016/1628) wie ein Damoklesschwert über der Binnenschifffahrt. »Nicht zu erfüllen«, hieß es, »Wer soll das schaffen«, fragten andere »Unmöglich«, resignierten Insider der Branche. Fakt aber ist, dass seit dem 1. Januar 2019 alle neuen Motoren bis 300 kW die NRMM-Emissionsgrenzwerte erfüllen müssen, ab dem 1. Januar 2020 gilt das auch für die leistungsstärkeren Motoren. Bereits produzierte Antriebseinheiten fallen unter eine Übergangsfrist.
ZKR-Mitgliedstaaten, Branchenverbände, einzelne Reeder und Unternehmer befürchteten unisono, dass es aufgrund der Einführung der NRMM-Verordnung nicht mehr genügend Motoren für die Binnenschifffahrt mit einer Typgenehmigung geben wird. Motorenhersteller bekräftigten diese Annahme. Das Marktvolumen sei zu gering, die Kosten der Entwicklung und Zulassung seien mit geschätzt 1 Mio. € pro Aggregat zu hoch, die Fragen der Zuständigkeit der Entwickler ungeklärt. Gleichwohl haben sich eine Reihe von Motorenhersteller ans Werk gemacht.
Mitte Mai legte der BDB eine Liste mit Firmen vor, die laut CESNI »in der Lage sind oder beabsichtigen, neue Motorenanlagen in Übereinstimmung mit den NRMM-Anforderungen anzubieten«. Die Verifizierung der Angaben konnte bisher nicht abgeschlossen werden.
Einen Schritt weiter scheint Vink Diesel zu sein. Während sich allgemein der Zorn über die NRMM formte und alle Nachjustierungsansätze ohne Erfolg blieben, ging das Team von Sander Langenberg, CEO von Vink Diesel, ans Werk. Ihr Ansatz: Wenn es schon Tausende von Euro VI-Motoren gibt, die in Lkwverlässlich ihren Dienst tun, sauber unterwegs und zertifiziert sind, müsste man diese Aggregate doch auch in Binnenschiffen einbauen können, so die Überlegung.
Also nahm Vink zwei bekannte Euro-VI-Motoren von DAF Paccar aus den Serien MX-11 und MX 13 einschließlich der Abgasnachbehandlungsanlagen. Die Motoren leisten zwischen 200 und 400 kW. Um sie für den Einsatz auf Binnenschiffen fit zu machen, wurden sie marinisiert. Dafür musste insbesondere das Motormanagementsystem modifiziert und mit der Fahrzeugtechnik synchronisiert werden. Auch sind bestimmte Teile des Kühl- und Leitungssystems anzupassen, Kunststoffteile müssen durch Metalllösungen ersetzt werden, die Elektrik und Elektronik sind zu überarbeiten.
Doch selbst wenn die Leistungsdaten unverändert bleiben, ist mit der Marinisierung die Typgenehmigung für den ursprünglichen NRE-Motor erloschen. Vink erwirkte in Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen und in Zusammenarbeit zwischen dem Lieferpartner NPS Diesel, der TNO und der National Road Traffic Agency (RDW) den Segen der Europäischen Kommission für diesen Weg. Damit ist auch eine Basis für die ADN-Zulassung gegeben.
Mit einer derart angepassten Lösung ist bereits seit längerer Zeit das Binnenschiff »Wantij« unterwegs. Es hat inzwischen ohne Probleme einige Tausend Betriebsstunden absolviert. Die erzielten Emissionswerte entsprechen nach Angabe von Vink der Stufe Euro V, teilweise gehen sie sogar darüber hinaus. Zudem freuen sich die »Wantij«-Eigner Jan und Paula Fernhout darüber, dass es leiser ist an Bord. Entscheidender Pluspunkt aber ist der geringere Verbrauch: Um bis zu 20% ist der Kraftstoffbedarf gesunken. »Das macht es einfacher, die Kosten der Installation wieder hereinzuholen«, so ihre Erwartung.
Sander Langenberg erwartet, dass nach 10.000 Betriebsstunden der Return on Invest erzielt ist. »Danach fließt das Geld in die Kasse des Eigners«. Die Lebensdauer des marinisierten Vink-Diesels schätzt er auf 25.000 Stunden.
Auch die »Liane«, ein Spitz, der mit einem Paccar-Hauptmotor auf französischen, belgischen und niederländischen Wasserwegen unterwegs ist, hat schon über 2.000 Stunden auf der Uhr. Der dort verbaute Rußfilter regeneriert nach Plan und Erfordernis.
Im Raum Delfzijl ist das Baggerschiff »Airset«, unter anderem ausgestattet mit zwei 240 kW starken MX-11-Motoren für den Antrieb, zwei MX-11-Machinen mit je 270 kW als Baggerpumpenmotoren und einem auf 320 kW ausgelegten MX-11 getriebenen Genset, unterwegs. Zuvor hätten dort acht Motoren an Bord gearbeitet, so Langenberg, der zufrieden die Kraftstoffersparnis beziffert: Anstatt früher 8.200 l pro Woche würden jetzt noch 6.000 l gebraucht, bei entsprechend reduzierten Emissionen.
Bezogen auf die Regelungen der NRMM nimmt Langenberg für sich und Vink in Anspruch, eine für ganz Europa geltende Möglichkeit geschaffen zu haben, kommende Anforderungen unkonventionell, aber regelkonform zu erfüllen. Diese Lösung sei kein Allheilmittel für alle Leistungsspektren in der Binnenschifffahrt. »Wir decken nicht den kompletten Bedarf ab. Aber letztlich wird es für alle Einsatzbereiche eine Lösung geben«, ist sich der Vink-Direktor sicher.
Hermann Garrelmann