Ausgerechnet über den Sommer fällt eines der wichtigsten Bauwerke für den Schiffsverkehr in Berlin aus. Eine Dichtung an der Spandauer Schleuse muss ersetzt werden. So lange müssen Schiffsführer von Fahrgast- und Kreuzfahrtschiffen weite Umwege in Kauf nehmen
In der Hochsaison passieren normaler Weise rund 200 Schiffe täglich die Schleuse an der Spandauer Zitadelle, ein neuralgischer Punkt auf der Nord-Süd-Achse. Doch erst im September soll das Bauwerk nach der anstehenden Reparatur wieder in Betrieb gehen, heißt es beim zuständigen WSA in Berlin-Kreuzberg.
Zuvor war ein Schaden an der Dichtung des Obertores festgestellt worden. Ersatz ist nicht ohne weiteres aufzutreiben, daher bleibt die Schleuse erst einmal für drei Monate geschlossen.
Für alle Schiffe die unter 67,20m lang sind, gibt es eine Umfahrung über die Schleuse Charlottenburg und von der Spree über den Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal durch die Schleuse Plötzensee (67,20m x 10m) zum Tegeler See. Dieser Umweg verlängert die Fahrt der Schiffe um etwa 1,5 Stunden. Das betrifft auch ein Feuerwehrboot mit Liegeplatz in Spandau, das im Notfall einen 15 km langen Umweg fahren müsste.
Zudem staut sich der Verkehr an den beiden Schleusen wegen des hohen Aufkommens. Alle anderen Schiffe bis 82m Länge, die von der Elbe über Berlin in Richtung Oder wollen, könnten den Weg über den Havelkanal nehmen, der zur Umgehung Westberlins anfangs der 1950er Jahre gebaut worden war.
Am schlimmsten aber sind die Auswirkungen für größere Schiffe, die nicht in die Schleusen Charlottenburg und Plötzensee passen, also Großmotorschiffe und Kreuzfahrtschiffe mit mehr als 83m Länge, die durch Berlin fahren wollen.
Kreuzfahrer müssen umplanen
Kreuzfahrtkapitäne nehmen jetzt andere Routen, fahren die Touristen im Bogen um die Stadt herum und halten in Potsdam statt in Berlin. Ausflugsschiffe müssen ihre Touren streichen oder teuer umdisponieren, klagte die Reederei Lüdicke gegenüber dem Berliner »Tagesspiegel«: »Es muss endlich mehr Geld für Schleusenpersonal und die Wartung der Schleusen in der Weltstadt Berlin in die Hand genommen werden«, wird die Reederei zitiert. Der Betreiber der »Bootstankstelle Berlin« beklagt einen Umsatzverlust von 40%. Und das ist kein Einzelfall.
Betroffen ist auch Ingo Gersbeck mit seinem Schiffsservice. Viele Kreuzfahrtschiffe, die zum Beispiel von Potsdam die Route nach Stralsund nehmen, liegen und bunkern gewöhnlich an seinem Kreuzfahrtterminal und nehmen dort auch Reisegäste und Proviant auf. Für Gersbeck, das sieben Mitarbeiter ganzjährig beschäftigt, hat die Sperrung der Schleuse erhebliche Umsatzeinbußen zur Folge.
»Das ist doch kein Zustand für den Schiffsverkehr in Berlin«, sagt Gersbeck, der auch Geschäftsführer des Reederverbandes der Berliner Fahrgastschifffahrt ist. Die Kreuzfahrtschiffe, die sonst seinen Terminal nutzen, starten jetzt von Tegel nach Stralsund. Ihre Fahrgäste werden zuvor per Bus aus Potsdam nach Tegel gefahren. »Offenbar wird die Schleusenproblematik nicht mit oberster Priorität angegangen.«
WSA Berlin will schnell handeln
Beim zuständigen WSA will man das Problem so schnell wie möglich as der Welt schaffen. »Auch wir waren überrascht, dass so ein Schaden eintreten konnte«, sagt Amtsleiter Michael Scholz. Er verstehe den Unmut in der Öffentlichkeit und beim Gewerbe.
Das Grundproblem bestehe darin, dass es an der Schleuse Spandau wegen ihrer Lage inmitten des denkmalgeschützten Ensembles von Spandauer Altstadt und Zitadelle keinen Platz für ein richtiges Wehr gebe. Die alte Anlage im Zitadellengraben war nur für die alte Kahnschleuse ausreichend, nicht aber für die neue, größere Schleuse für Großmotorschiffe. Zur Regulierung des Oberwassers der Havel muss also das obere Schleusentor diese Aufgaben mit übernehmen.
Deshalb sei von den Planern beim Bau vor 17 Jahren der Einsatz eines Drehsegment-Schleusentores gewählt worden. Die wichtigsten Bauteile dieses Tores sind der hydraulische Hubzylinder und die elastische Dichtung zwischen Tor und Schleusenhaupt. Die elastische Dichtung besteht aus Gummi, der mit Öl gefüllt ist, um zu verhindern, dass er porös wird. Obwohl die Schleuse regelmäßigen Bauwerkskontrollen unterliegt, konnte bisher nicht vermutet werden, dass solch ein Schaden eintreten könnte, so Scholz. »Das hat uns unerwartet getroffen.«
Schleusentor und Dichtungen sind Unikate und werden in den Niederlanden hergestellt. Für den ca. 3,5t schweren Hubzylinder braucht es jetzt erneut eine spezielle Dichtung. »Da müssen wir uns leider nach dem niederländischen Hersteller richten, wie und wann er unsere Wünsche erfüllen kann«, räumt der Amtsleiter ein. »Und das muss man auch akzeptieren können.«
Christian Knoll