Was verbindet ein virtuelles Hotel auf Norderney mit der Schifffahrt und einem Fährbetreiber? Beides wird unter den Dächern der Frisia-Reederei in Emden gemanagt
Bei der Frisia-Reederei scheint man von Innovationen und Digitalisierung nicht genug zu bekommen. War die Emdener Reederei vor einigen Jahren mit dem Umbau der MS »Ostfriesland« auf LNG-Technik noch Vorreiter bei neuen Antriebstechniken, ist sie nun mit dem ersten digitalen Hotel in Deutschland erster Akteur auf diesem Sektor.
Dass dies noch lange nicht das Ende der Fahnenstange im digitalen Bereich sein dürfte, machte Frisia-Mitarbeiter Olaf Weddermann jüngst in Leer für sein Unternehmen deutlich: »Die Potenziale der Automation sind grenzenlos.« Weddermann stand, gemeinsam mit anderen Experten aus der maritimen Wirtschaft, Rede und Antwort im Maritimen Kompetenzzentrum Mariko bei der Veranstaltung »Maritime goes digital«.
Im Fokus dabei standen Assistenzsysteme, die einen immer größeren Stellenwert in der maritimen Industrie und in der Schifffahrt einnehmen. Zum Teil sind entsprechende Systeme bereits in der Praxis im Einsatz, zum Teil stehen Unternehmen diesen Entwicklungen aber auch noch skeptisch gegenüber.
Sinnvoll seien Anwendungen immer dann, wenn sie zur Gefahrenminimierung dienten und den Einsatz des Menschen in bestimmten Bereichen unterstützten. Der größte Anteil an Unfallursachen liege noch immer im Bereich »menschliches Versagen«, sagte Tobias Theuerkauff vom Institut für Technische Assistenzsysteme (ITAS).
Das ständige Anschwellen der Informationsflut, ob von Sensoren aus dem Schiffsbetrieb, durch Daten zu Fahrwegen oder variablen Einflussfaktoren wie Wetter und Strömungen, rufe förmlich nach elektronischer Verarbeitung. Die vermehrte Vernetzung von Schiffen und Häfen und die Pflicht, Lieferketten zu optimieren, Wartezeiten zu verringern und Leerfahrten zu vermeiden, hätten bereits zur Entwicklung einer Vielzahl von Assistenzsystemen geführt. Letztlich sei dabei das Ziel, die Anforderungen an das eingesetzte Personal erträglich zu halten.
Vorgestellt wurde beispielhaft das von der Jadehochschule entwickelte System »GreenMeps«, mit dem Schiffsassistenzsysteme zwar in einer virtuellen Umgebung, aber auf einer »echten« Schiffsbrücke getestet werden können. Denn je mehr isolierte Assistenzsysteme es gebe, um so größer werde die Notwendigkeit, sie mit Schnittstellen zu verbinden und einheitliche Datenaustauschformate zu schaffen.
Systeme wie der Bahnassistent LAESSI und weitere Angebote für die Binnenschifffahrt seien durchaus leistungsfähig, könnten aber im Zusammenspiel mit einer besseren Infrastruktur an Land und gekoppelt an andere Lösungen noch effektiver funktionieren.
So waren auf einer »Mini-Messe« waren der digitale Schiffsassistent (DSA) von BearingPoint, die Projekte »Routing 4.0« und »Simulating Transport« der Hochschule Emden/Leer, das Projekt »GreenMEPS« von der Jade Hochschule, die akustische Ereigniserkennung des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Bremen, das Projekt »LAESSI« der in-innovative navigation sowie »Ocean Grazer« und »Digital TWINN« der Universität Groningen zu sehen.
Ein wichtiger Faktor ist und bleibt der Mensch. »Digitalisierung in der maritimen Industrie: Wer hat das Steuer in der Hand?«, hieß das Thema einer Podiumsdiskussion. Nach Einschätzung von Jan Ninnemann von der Hanseatic Transport Consultancy (HTC) werden dafür Fachkräfte gebraucht. Allerdings würden sich Arbeitsort und Aufgabenprofil ändern. So müssten Mitarbeiter nicht mehr unbedingt an einem bestimmten Ort, also an Bord, im Hafen oder auf der Werft, ihre Arbeit verrichten.
»Die Digitalisierung hört dort auf, wo der Mensch seine spezifischen Stärken hat«, ist sich André Bolles vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Bremen sicher. Also bei Themen, für die Kreativität, Intuition und Gefühl gefragt sind. Routineaufgaben hingegen könnten an die Technik abgegeben werden. »Nur mit dem Menschen« könne eine sinnvolle Weiterentwicklung der Technik in der Branche geschehen, stellte Christoph Garrelmann, Leiter der Technikabteilung der Harener Reederei Deymann, klar. Er sieht in Assistenzsystemen sinnvolle Möglichkeiten, den Schiffsbetrieb sicherer und effizienter zu machen.
Die Reederei Deymann setze bereits derartige Systeme ein, so Garrelmann. Dazu gehörten Containerstauprogramme oder auch integrierte Meldesysteme. Darüber hinaus sei man an einigen Forschungsprojekten wie Covadem oder Prominent beteiligt.