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Bis zum Inkrafttreten der NRMM-Richtlinie für die Leistungsklasse mit mehr als 300 kW sind es weniger als drei Monate. Einige Hersteller kündigen nun an, Motoren auf den Markt zu bringen, die die neue EU-Stufe V erfüllen

Die Monate sind verstrichen. Wenn ab dem 1. Januar kommenden Jahres, also in weniger als drei Monaten, die NRMM-Grenzwerte für Motoren mit mehr als 300 kW gelten, ist vorerst kein einziger Motor für die Binennschifffahrt auf dem Markt. Erst im weiteren Jahresverlauf werden die ersten Hersteller ihr Angebot entsprechend erweitern.

Scania macht jetzt den Anfang. »Im 1. Quartal wird es bei uns einen neuen Motor geben«, kündigte Rainer Dierks, Geschäftsführer von ScanDiesel, während der Messe STL in Kalkar an. Es handelt sich dabei um einen marinisierten NRE-Motor (267-368 kW) , also einen für die Schifffahrt angepassten Lkw-Motor. Ein leistungsstärkerer 16 l-V8-Motor (405-522 kW) soll ab September folgen.

Der schwedische Anbieter Volvo Penta zieht mit. Ab Mitte des Jahres werde es einen NRMM-konformen Motor geben, sagt Olaf Robenek, Volvo-Ingenieur aus der Kieler Niederlassung. Anders als bei Scania wird es sich dabei um einen »echten« Marine-Motor, also eine spezielle Entwicklung für die Schifffahrt, handeln, betont Robenek.

Von Zeppelin Power Systems, Vertragspartner des US-Herstellers Caterpillar, ist ebenfalls ein Stufe V-Motor in Aussicht gestellt, die Einführung hat sich offenbar noch einmal verzögert. Man werde in den kommenden Wochen darüber informieren, sagte Andreas Schmuck, Head of Sales bei der Marine Division. Von anderen Herstellernn war und ist zu diesem Thema wenig zu hören. Bei MTU ist demnächst immerhin ein Gasmotor im Portfolio, der in einem Leistungsbereich von 750 bis 1.000 kW erhältlich sein soll und erstmals auf einer neuen Bodenseefähre der Stadtwerke Konstanz zum Einsatz kommen wird.

Die Grenzwert-Vorschrift der EU ist seit ihrer Ankündigung umstritten. Bereits zum 1. Januar 2019 trat die Verordnung für den Bereich <300 kW in Kraft, demnächst greift sie auch für die höhere Leistungsklasse und gilt für ausnahmslos alle Neuinstallationen. ZKR II-Motoren dürfen nicht mehr eingebaut werden.

In einer Diskussion zur EU-Abgasrichtlinie während des Konferenzprogramms auf der Messe STL in Kalkar wurde das Dilemma erneut deutlich sichtbar. Bei einem Absatzvolumen von rund 300 Motoren im Jahr ist es für die Motorenhersteller ein technischer und finanzieller Kraftakt, passende Motoren zu entwickeln. Volvo-Experte Robenek verwies auf die vielen Tausend Teststunden im Dauerbetrieb und das aufwändige Zulassungsverfahren bei einer Neuentwicklung. Gut ein Jahr müsse dafür veranschlagt werden. »Deshalb wird es von uns auch nur diesen einen Motor geben«, sagt er.

Die Branche muss sich also auf ein eingeschränktes Angebot einrichten. Dazu kommen die Kosten, nicht nur bei der Entwicklung. Einschließlich SCR-System steige der Preis für den Kunden um 20%–40% gegenüber früheren Motoren.

Doch es bleiben Lücken. NRMM-konforme Aggregate mit mehr als 900 kW, die typischen Antriebsmotoren auf Gütermotorschiffen, wird es vermutlich nicht geben. »Es wird neue Antriebskonzepte geben müssen«, sagten Dierks und Robenek. Denkbar seien der Einsatz von Mehr-Motoren-Anlagen oder auch diesel-elektrische Konfigurationen, die aber bekanntlich weniger effizient und auch nicht für alle Anwendungsbereiche geeignet sind.

Noch gelten Übergangsfristen für den Einbau von älteren Motoren (Remotorisierung), sofern sie vor dem Stichtag bestellt wurden. Lagerbestände aber gibt es kaum noch oder gar nicht mehr, heißt es bei den Herstellern. Noch vor wenigen Monaten hat die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) sogar einen ZKR I-Motor auf dem Frachtschiff »Goblin« dauerhaft genehmigt. Versehen mit einem Abgasnachbehandlungssystem bestand seit 2014 bereits eine befristete Genehmigung für fünf Jahre, unter der Voraussetzung, das die Anlage die ZKR II-Norm erfüllt.

Der überwiegende Teil der europäischen Flotte wird auch künftig mit den Bestandsmotoren weiterfahren. Angesichts der zunehmend an Land geführten Diskussionen zur Luftqualität könnten neben einer Nachrüstung mit Abgasnachbehandlungssystemen die Emissionen der Schifffahrt dann allenfalls über alternative Kraftstoffe reduziert werden.

GtL als umweltschonende Alternative

GtL (Gas to Liquid) ist als synthetischer Diesel eine Option, um vor allem den Ausstoß von Partikeln zu reduzieren. Shell baut die Lagerkapazitäten, auch mit Hilfe von Partnern, derzeit kräftig aus, »die Schifffahrt gehört zu den Bereichen mit einer wachsenden Nachfrage«, berichtet Klaus Schlame, Projektleiter für den synthetischen Diesel-Kraftstoff GtL bei Shell. Eine Versorgung sei in einem Umkreis von 200km heute bereits gewährleistet, so Schlame.

Um die Umweltbelastung weiter zu reduzieren, sei jetzt geplant, GtL in Verbindung mit einer Kraftstoff-Wasser-Emulsions-Anlage (KWE) des Anbieters exomission zu verbinden. Dafür sei jetzt ein Partikulier als Partner gefunden worden, so Schlame. Bislang greifen vor allem Fahrgastreedereien und Behörden auf den alternativen Kraftstoff zurück, die Güterschifffahrt sei noch zurückhaltend. Anreize könnten da helfen: In den niederländischen Häfen erhalten Schiffe, die GtL als Kraftstoff nutzen, einen Rabatt auf die Liegegebühren, sagt Aart Koning des niederländischen Motorenspezialisten Koning Technisch Bedrijf.

Nach Einschätzung der Motoren-Experten bleibt der Diesel auf absehbare Zeit erste Wahl beim Antrieb. Andere Technologien seien entweder zu teuer oder noch nicht ausgereift, damit sind auch die Investitionen in der Binnenschifffahrt weiter viel zu hoch.

Die Verwendung von LNG habe sich wegen der hohen Zusatzkosten über einige Pilotprojekte hinaus nicht etablieren können. Auch die geforderten Zertifizierungen seien ein Problem. »LNG ist derzeit kein Thema mehr für die Binnenschifffahrt«, sagt ScanDiesel-Chef Rainer Dierks. Auch bei Volvo beschäftigt man sich laut Robenek nicht mit Gasmotoren. Brennstoffzellen seien derzeit ebenfalls kein Thema für Forschung und Entwicklung bei Volvo.

Rein elektrische Antriebe seien in der Binnenschifffahrt schwierig umzusetzen, sagte Robenek, da die Batterien zu schwer seien. »Geladen oder ungeladen wiegen sie gleich viel und müssen immer mitbefördert werden.« Auch bei Scania geht man davon aus, dass es in den kommenden fünf Jahren keine Anlagen geben wird, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden.


Thomas Wägener