CMNI und IVTB, Distanzfracht

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Ob IVTB wirksam Vertragsbestandteil geworden sind, richtet sich auch bei internationalen Binnenschiffstransporten nach dem ­nationalen, deutschen Recht, da das CMNI selbst keine Regelungen über den Abschluss eines Frachtvertrages enthält.

Berufen sich beide Seiten eines Frachtvertrages auf die IVTB, sind die §§ 305 ff BGB über das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen von vorne herein unanwendbar. Soweit die Vorschrift über die Distanzfracht in § 13 IV IVTB von § 420 HGB abweicht, so ist dies unerheblich, da es sich bei § 420 HGB nicht um eine AGB-feste Vorschrift im Sinne von § 449 I Satz 1 HGB handelt.

Ein Beförderungshindernis nach Antritt der Reise (Reisehindernis) im Sinne der IVTB setzt nicht voraus, dass die Reise dauerhaft ­verhindert ist, diese Voraussetzung besteht nur für ein Beförderungshindernis vor Antritt der Reise nach § 13 Ziffer 3 IVTB.

Auf Zufall im Sinne des § 13 Ziffer 4 IVTB beruht ein Reisehindernis nur, wenn es bei Abschluss des Vertrages allenfalls lediglich abstrakt, aber nicht konkret vorhersehbar war; zum Risikobereich des Frachtführers gehören nicht Hindernisse, auf die er keinen Einfluss hat. Es liegt also nahe, Treibholz in einer Schleusenkammer als nicht dem Risikobereich des Frachtführers zuzuordnen und damit als zufällig im Sinne von § 13 Ziffer 4 IVTB anzusehen. Auch ein vereinbarter Haftungsausschluss nach § 15 Nr. 2a IVTB für Navigationsfehler spricht dafür, dass der Frachtführer es nicht zu vertreten hat, wenn beim Manövrieren in der Schleuse Treibholz in die Schraube gerät.

Trifft den Frachtführer ein Mitverschulden, dann können Ansprüche des Frachtführers gegen den Absender in analoger Anwendung von Artikel 8 I Satz 2 CMNI/§ 254 II Satz 1 BGB zu kürzen sein, wenn der Frachtführer vertragliche Pflichten nach § 280 BGB verletzt hat, soweit sie nicht in Artikel 21 CMNI geregelt sind.

Urteil des Landgerichts Duisburg, Az.: 22 O 45/17 vom 14. Januar 2019, rechtskräftig.

Aus dem Tatbestand:

Die Nebenintervenientin beauftragte die Klägerin mit dem Binnenschiffstransport von ca. 1.530,20 Tonnen Blechabfällen und Scherenschrott von Heilbronn nach ­Neuves-Maisons, Frankreich. Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte zu 1) mit der Durchführung des Transportes mit Ladetermin am 3.6.2016/6.6.2016 in Heilbronn und Löschtermin in Neuves-Maisons am 13.6.2016 gemäß der Bestätigung vom 25.5.2016. Dabei heißt es in dieser Bestätigung u.a. wie folgt: »Für grenzüberschreitende Binnenschifftransporte gelten die Bestimmungen des CMNI in Verbindung mit den internationalen Verlade- und Transportbedingungen (IVTB).“

Mit Abschlussbestätigung vom 25.5.2016 bestätigte die Klägerin daraufhin den erteilten Auftrag zu einem Frachtsatz von 12,10 Euro pro Tonne. Weiterhin heißt es in dieser Abschlussbestätigung wie folgt: »Wir arbeiten bei Binnenschifffahrtstransporten ausschließlich auf der Grundlage der internationalen Verlade- und Transportbedingungen (IVTB).«

Nachdem die »Joveante«, die in den beiden vorgenannten Schreiben als Schiff bezeichnet war und deren Eigentümerin die Beklagte zu 2) ist, planmäßig zum Laden in Heilbronn vorgelegt und nach erfolgter Ladung ihre Fahrt zum Bestimmungsort begonnen hatte, teilte der Schiffsversicherer mit E-Mail vom 10.6.2016 u.a. dem Ladungsversicherer mit, dass das Motorschiff in Lehmen auf der Mosel mit einem schweren Schraubenschaden liege; das Schiff habe einen Gegenstand durch den Schrauben bekommen und könne nicht (gegen den Strom) die Mosel hochfahren; möglicherweise könne das Schiff noch mehr oder weniger zu Tal treiben und in Wallersheim gelöscht werden; der Ladungseigner solle entscheiden, ob er das machen wolle; man bitte um schnellen Kontakt.

Dabei ist zwischen den Parteien jedenfalls unstreitig, dass insoweit Einsatzfähigkeit der GMS »Joveante« eingeschränkt war … Gemäß E-Mail vom 14.6.2016 entschied die Nebenintervenientin daraufhin vorbehaltlich der Kosten, die Ladung in Koblenz löschen zu lassen. Mit Schreiben vom gleichen Tage erklärte sie zudem ihr Einverständnis mit dem Bugsieren des Schiffes MS Joveante nach Koblenz sowie der dort zu erfolgenden Löschung der an Bord befindlichen Ladung unter Vorbehalt aller Rechte aus dem Frachtvertrag. Weiterhin heißt es in diesem ­Schreiben wie folgt: »Diese Erklärung erfolgt ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage. Mit dieser Erklärung ist keine Kostenübernahme verbunden. Es bleiben Schadensersatzansprüche wegen Verlust, Beschädigung und gegebenenfalls Lieferfristüberschreitung im Zusammenhang mit dem Ausladen, gegebenenfalls Zwischenlagern, Einladen und Weitertransport mit der MS Joveante oder einem anderen Schiff vorbehalten.«

In der Folge wurde sodann die Ladung ausweislich der Entladebescheinigung vom 17.6.2016 in Koblenz gelöscht …

Als Ersatzschiff legte die Beklagte zu 1) nach Rücksprache mit der Klägerin das dieser bekannte MS »Tervant 154« mit einer Ladekapazität von 2.350 Tonnen vor. Tatsächlich konnte dieses Schiff jedoch nur 1.253,486 Tonnen an Ladung übernehmen, weil es entweder aufgrund der an der Verladestelle in Koblenz nicht vorhandenen Verdichtungsmöglichkeiten für den Schrott nicht möglich war, diese Kapazitäten voll zu nutzen oder die MS »Tervant 154« in Koblenz anders beladen wurde, als die MS »Joveante« in Heilbronn beladen worden war … Die Beklagte zu 1) hat die der Klägerin zunächst in Rechnung gestellten Frachtkosten über 22.526,32 € für den Transport von Heilbronn nach Frankreich storniert und der Klägerin gutgeschrieben. Stattdessen berechnete sie der Klägerin die Kosten für die Distanzfracht Heilbronn-Koblenz mit 13.547,70 € gemäß der Rechnung vom 28.6.2016 nebst der Anlage 1 »Berechnung Distanzfracht«. Außerdem stellte die Beklagte zu 1) der Klägerin die Kosten für den Ersatztransport von Koblenz nach Neuves-Maisons mit MS »Tervant 154« mit 18.469,86 € und mit MS »Ralf-Dieter« mit 4.274,83 € in Rechnung …

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 14.179,46 € gemäß der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative BGB.

Dass der von der Klägerin im Hinblick auf den Transport der streitgegenständlichen Ware von Heilbronn nach Neuves-Maisons geleistete Gesamtbetrag in Höhe von 14.179,46 € ohne Rechtsgrund erfolgt ist, steht nicht fest.

1.) Jedenfalls aus Gründen der Beweislast ist davon auszugehen, dass sich ein Anspruch im Hinblick auf die Kosten für die Distanzfracht in Höhe von 13.547,70 € aus § 13 Abs. 4 IVTB ergibt, so dass dahinstehen kann, ob ein entsprechender Anspruch auch aus § 420 Abs. 2 Satz 2 HGB folgen würde.

a) Die IVTB, bei denen es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, sind wirksam in den zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossenen Vertrag einbezogen worden. Maßgeblich ist insoweit das deutsche Recht, da das CMNI selbst keine Regelungen über einen Vertragsschluss enthält (vgl. Koller, Transportrecht, 8. Aufl., 2013, vor Artikel 1 CMNI, Rn. 3).

Auf der Grundlage des deutschen Rechtes sind die IVTB wirksam in den streitgegenständlichen Vertrag einbezogen. Die Klägerin hat auf dieses Regelwerk selbst in ihrer »Abschlussbestätigung« vom 25.5.2016 hingewiesen … Da Entsprechendes … auch für die Beklagte zu 1) zutrifft, sind die §§ 305 ff. von vornherein unanwendbar (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., 2016, § 305, Rn. 13; Staudinger/Schlosser, BGB, Neubearbeitung 2013, § 305 BGB, Rn. 31). Schon vor diesem Hintergrund kann dann aber auch von keiner Unwirksamkeit von § 13 Abs. 4 IVTB nach § 307, 309 BGB ausgegangen werden …

Soweit § 13 Abs. 4 IVTB eine Abweichung von den § 420 HGB enthält, ist dies unerheblich, denn bei dieser Norm handelt es sich um keine AGB-festen Vorschrift im Sinne von § 449 Abs. 1 Satz 1 HGB. Sie betrifft letztlich die Frage eines Vergütungsanspruchs.

b) Die Voraussetzungen von § 13 Abs. 4 IVTB liegen vor.

Nach dieser Vorschrift tritt der Frachtvertrag außer Kraft, wenn nach dem Antritt der Reise die Fortsetzung desselben durch Zufall oder durch Umstände verhindert wird, die der Frachtführer nach diesen Verlade- und Transportbedingungen nicht zu vertreten hat. Die Kosten des Wiederausladens und die Fracht für den zurückgelegten Teil der Reise (Distanzfracht) trägt dann der Absender.

(1) Dass die Voraussetzungen von § 13 Abs. 4 IVTB als Rechtsgrund für die geleistete Distanzfracht nicht vorliegen, hatte dabei die Beklagte zu beweisen … Insoweit hat sie substantiiert unter Vorlage eines Privatgutachtens vorgetragen, dass die MS »Joveante« während der Fahrt am 9.6.2016 gegen 19.30 Uhr in der Schleuse bei Lehmen im Bereich der unteren Mosel in Treibholz geriet, das sich in der Heckschraube verfing; die Schraube sei noch am Abend von einem Taucher, dem als Zeugen benannten Herrn K untersucht worden, der einen Propellerschaden festgestellt habe; von der Schiffsschraube sei ein Schraubenblatt an der Spitze nach hinten gebogen, so dass die Fahrt stromaufwärts habe nicht fortgesetzt werden können.

(c) Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von § 13 Abs. 4 IVTB vorliegen.

(aa) Dass die Fahrt mit der MS »Joveante« stromaufwärts nicht fortgesetzt werden konnte, sondern die Ladung in Koblenz gelöscht wurde, stellt eine Verhinderung der Fortsetzung der streitgegenständlichen Schifffahrt im Sinne dieser AGB dar. Darauf, ob der Ladungstransport nach Neuves-Maisons anderweitig fortgesetzt werden konnte, kommt es nicht an. Dies folgt aus einer Auslegung von § 13 Abs. 4 1 VT B.

Dort ist nämlich gerade nicht von einer dauerhaften Verhinderung im Sinne einer Unmöglichkeit die Rede. Darauf, dass Artikel 3 CMNI selbst bei einem gewählten bestimmten Transportmittel eine Umladung in ein anderes Beförderungsmittel gestattet, wenn ein Beförderungshindernis vorliegt (vgl. Koller, TransportR, 75. Aufl., 2016, Artikel 3 CMNI, Rn. 5) kann es dann aber genauso wenig ankommen wie auf den Umstand, dass der Eintritt der Unmöglichkeit nach den frachtrechtlichen Regelungen gegenüber dem Unmöglichkeitszeitpunkt bei Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen hinausgeschoben ist: Dem Verfügungsberechtigten soll im Fall von Hindernissen vorrangig die Möglichkeit bleiben, die Leistungspflicht des Frachtführers durch Weisungen auszuweiten und die Vertragsbeziehung so durch Umgestaltung »ungestört« zu erhalten, wobei für den Fall des vorzeitigen Beförderungsendes § 420 Abs. 2 zweiter Halbsatz HGB eine Sonderregelung gilt (Staub/Schmidt, HGB, 5. Aufl., 2014, § 420 HGB, Rn. 19). Denn hierauf stellt Artikel 13 Abs. 4 IVTB gerade nicht ab.

Dies zeigt insbesondere auch die Regelung in § 13 Abs. 3 IVTB. Dort ist nämlich bestimmt, dass im Fall einer dauerhaften Verhinderung des Antrittes einer Reise der Frachtvertrag außer Kraft tritt. Als eine dauernde Verhinderung ist es dabei insbesondere anzusehen, wenn das Schiff, mit dem die Beförderung durchgeführt werden soll, derart beschädigt wird, dass die Reise nicht ohne eine umfassende Ausbesserung des Schiffes angetreten werden kann (§ 13 Abs. 3 a IVTB). Wenn danach aber die fehlende Möglichkeit eines Transportes mit dem dafür vorgesehenen Schiff eine dauernde Verhinderung darstellt, so dass der Vertrag außer Kraft tritt, obwohl grundsätzlich auch in diesem Fall, eine Weisung im vorgenannten Sinne möglich wäre, muss § 13 Abs. 4 IVTB in dessen Rahmen die Verhinderung nicht einmal dauernd sein muss, erst recht gelten.

(bb) Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Umstand, dass in der Schleuse Treibholz in die Heckschraube geraten ist und einen Propellerschaden verursachte, um Zufall im Sinne von § 13 Abs. 4 IVTB handelt.

Für eine solche Sichtweise spricht allerdings, dass der BGH in seinem Urteil vom 22.6.2011, Aktenzeichen 1 ZR 108/10 Ausführungen zu von außen wirkenden unvorhersehbaren und nicht beherrschbaren Störungsursachen, die nicht dem Frachtführer zugerechnet werden könnten gemacht hat (ZfB 2012, Sammlung Seite 2163 ff) und als Beispiele sogar Hoch- oder Niedrigwasser, Eisgang oder Sturm genannt hat. Dann spricht nach Auffassung des Gerichts aber viel dafür, dass ein Treibholz, das in eine Schraube gelangt ist, erst recht einen solchen Umstand darstellt. Denn, dass ein solcher Vorfall bei Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages konkret und nicht lediglich abstrakt vorhersehbar war (vgl. OLG Karlsruhe, TransportR, 2002, 348, 450) ist nicht ersichtlich. Besteht aber keine besondere Parteiabsprache und ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles keine Besonderheit, darf ein (Ideal)Absender die vertragliche Erklärung des Frachtführers nicht so verstehen, dass dieser seinem Risikobereich auch solche Hindernisse zugeordnet wissen wollte, auf die er keinen Einfluss hat (vgl. Staub/Schmidt, HGB, 5. Aufl., 2014, § 419 HGB, Rn. 53).

Es liegt aber nahe, nicht dem Risikobereich des Frachtführers zuzuordnende Hindernisse als zufällig im Sinne von § 13 Abs. 4 IVTB anzusehen.

(cc) Jedenfalls steht ein Umstand in Rede, den der Frachtführer nach dem IVTB nicht zu vertreten hat.

Insoweit ergibt sich aus § 15 Nr. 2 a IVTB für eventuelle Navigationsfehler nicht einzustehen hätte. Hierzu zählen sämtliche Schiffsmanöver, Ruder-Maschinenkommandos, das Absetzen des Kurses, die Besetzung des Ausgucks, die Standortbestimmung, das Hinzuziehen von Lotsen, die Beobachtung des Radars, die Signalgebung sowie die Beachtung der Vorschriften des Seestraßenrechts (BGH, NJW-RR, 2007, 321, 324), also auch das Verhalten beim hier streitgegenständlichen Vorgang in der Schleuse.

Für ein sonstiges Verhalten, das die Beklagte zu 1) nach dem IVTB im Hinblick auf den von ihr behaupteten Propellerschaden zu vertreten hätte, ist zudem weder etwas vorgetragen, noch ist dies sonst wie ersichtlich …

2.) Ist gemäß dem Vorgesagten davon auszugehen, dass im Hinblick auf den Propellerschaden an dem Boot MS »Joveante« gemäß § 13 Abs. 4 IVTB der Transportvertrag beendet wurde, hat die Beklagte zu 1) im weiteren Verlauf unstreitig im Auftrag der Klägerin die streitgegenständliche Ladung mit den Schiffen MS »Tervant 154« und MS »Ralf-Dieter« zu dem Zielhafen Neuves-Maisons transportiert. Dann steht ihr aber auch ein entsprechender Frachtlohnanspruch zu …

Eine Kürzung des Anspruchs in analoger Anwendung von Artikel 8 Abs. 1 Satz 2 CMNI unter Berücksichtigung des heranzuziehenden § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. OLG Nürnberg, Urteil vom 14.2.2018, 12 U 1435/17, ZfB 2018, Sammlung Seite 2513 ff) scheidet genauso aus, wie unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruches der Klägerin wegen Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte zu 1) gemäß § 280 BGB, der anwendbar wäre, soweit nicht gerade die in Artikel 21 CMNI geregelten Fälle betroffen sind (vgl. zur Parallelproblematik im Rahmen des CMR Staub/Reuschle, HGB, 5. Aufl., 2017, Artikel 17 CMR, Rn. 259) …