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In Dormagen ist eine von einem Frachter angelieferte Gasturbine umgeschlagen worden. Sie ist für ein neues Gas- und Dampfwerk bestimmt, das der Chemiekonzern Ineos im angrenzenden Chempark errichtet

Um den 100t schweren Koloss von Bord des 73m langen und 8,20m breiten Binnenschiffs »Vlaanderen« zu hieven, setzte das Kran- und Schwertransport-Unternehmen HKV Schmitz+Partner aus Köln insgesamt drei 500t-Krane von Liebherr ein. Zunächst wurde die Turbine von zwei Mobilkranen vom Typ LTM 1500-8.1 von dem Frachter im Hafen des Chemparks auf ein Schwertransport-Fahrzeug verbracht. Nach Ankunft im nahe gelegenen Ineos-Werk wurde sie von einem Raupenkran mit der Bezeichnung LR 1500 auf einem Vormontageplatz abgesetzt.

Die beiden LTM 1500-8.1 waren für das Ausheben aus dem Schiff und die Positionierung auf eine Kesselbrücke der Firma Viktor Baumann aus Bornheim mit dem maximalen Ballast von 165t ausgerüstet worden. Die Abstützung der LTM 1500-8.1 am Kai sei eine Herausforderung gewesen, da die Stützen in Richtung des Schiffes über das Gleis eines Hafenkranes positioniert werden mussten, so Liebherr. Deshalb war eine genaue Berechnung der Einleitung der Stützkräfte erforderlich, zudem musste eine spezielle Überbauung des Gleises hergestellt werden.

Beim Einfahren der Turbine in das Ineos-Werk waren darüber hinaus viele Rohrbrücken zu unterfahren. Dafür habe sich die Kesselbrücke als extrem absenkbares Schwertransport-Fahrzeug als ideal erwiesen, hieß es. Die Turbine im Kraftwerk zu positionieren, sei eine weitere Herausforderung für Kran und Fahrer gewesen. Alles habe aber erfolgreich funktioniert.

Die Fertigstellung der neuen Gas- und Dampfanlage ist für 2021 vorgesehen. Der Spatenstich erfolgte bereits im November 2017. Die Anlage soll die eigene Energieversorgung von Ineos flexibler und effektiver machen. Sie sei für den Verbundstandort in Köln eine ideale Ergänzung und habe einen Wirkungsgrad von mehr als 90%, so das Unternehmen.

Die Hauptaufgabe des standorteigenen Industriekraftwerks ist die thermische Verwertung der in den Produktionsanlagen anfallenden Reststoffe, welche einerseits als Prozessenergie den Betrieben zugeführt werden und andererseits die Stromversorgung von Ineos in Köln zu etwa einem Drittel abdecken.

Beim dem neuen Kraftwerk wird die Gasturbine zur Stromerzeugung einem Abhitzekessel vorgeschaltet. Die entstehende Abwärme wird dem Kessel zu-geführt, wo mit Zusatzfeuerung Dampf erzeugt wird. Dieser wird sowohl über eine Dampfturbine zur Stromerzeugung eingesetzt, als auch über Entnahmen in die Prozessnetze abgegeben. Das Konzept der Gas- und Dampfanlage sieht vor, dass das Kraftwerk sowohl mit als auch ohne Gasturbine betrieben werden kann. »Der Strom der Gas- und Dampfanlage spart verglichen mit dem durchschnittlichen Strommix in Deutschland aus Kohle, Erdgas, Kernenergie und erneuerbaren Energien bis zu 400.000t CO2«, so der Betreiber. Das entspreche dem jährlichen CO2-Ausstoß von bis zu 200.000 Mittelklassewagen in Deutschland.

Neue Tankerlöschbrücke im Bau

Im Juli vergangenen Jahres hat Ineos im Chempark Dormagen zudem mit dem Bau einer neuen Tankerlöschbrücke begonnen. Sie wird nördlich der bestehenden auf Kölner Stadtgebiet errichtet. Das Unternehmen will so die Verladekapazität erhöhen und Schiffe schneller abfertigen. Nach Fertigstellung können täglich drei bis vier Schiffsladungen mit einem Volumen von jeweils rund 1.000t gelöscht werden, heißt es. Ineos zufolge entspricht eine Schiffsladung etwa 21 Schienenkesselwagen beziehungsweise 45 Tanklastwagen. Durch die Hafenerweiterung soll die Rohstoffversorgung des Chemiestandortes langfristig gesichert werden, zudem soll sich dadurch die Zahl der Schiffe in Warteposition verringern.

Für die Chemieindustrie sei die Binnenschifffahrt unverzichtbar, so Ineos, denn auf diesem Wege könnten große Gütermengen sicher und umweltschonend transportiert werden.

Die neue Tankerbrücke im Stromhafen wird mit einer Verladeplattform und überirdischen, hochwassersicheren Rohrzuleitungen ausgestattet. Rund 40Mio.€ investiert Ineos in die neue Umschlageinrichtung, die Flüssigkeiten wie Leichtbenzin und Gase umschlägt.

Die Inbetriebnahme der Anlage ist im zweiten Quartal 2020 vorgesehen.