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Die Schiffswerft Bolle in Neuderben am Pareyer Verbindungskanal, der die Elbe mit dem Elbe-Havel-Kanal verbindet, lieferte in der zweiten Oktoberhälfte ein emissionsfreies Fahrgastschiff ab

Der Neubau wird im Frühjahr 2020 zu Saisonbeginn öffentlich in festlichem Rahmen in der tschechischen Hauptstadt Prag auf den Namen »Bella Bohemia« getauft. Er wurde von der Prager Fahrgastschifffahrt in Auftrag gegeben, die heute den Namen Prague Boats hat. Bolle-Geschäftsführer Mario Bolle: »Die ›Bella Bohemia‹ (also »Schöne Böhmin«, die Red.) ist ein Aluminiumkatamaran, welcher rein elektrisch angetrieben wird. Bei Bedarf kann ein Range Extender (Reichweitenverstärker) hinzugeschaltet werden. Dies ist zum Beispiel bei Langstrecken mit fehlender Lademöglichkeit notwendig.«

Die »Bella Bohemia«, so Mario Bolle, sei für touristische Stundenfahrten in Prag konzipiert und könne dort einen ganzen Tag rein elektrisch betrieben werden. Per Ökostrom (Solar oder Windenergie) wird sie über Nacht wieder aufgeladen. »Dadurch bleibt die komplette Dach äche frei von Solarpaneelen und kann von 250 Personen als Sonnendeck genutzt werden«, sagt Bolle.

Völlig neuer Hauptantrieb

»Es wurde ein neu entwickelter Inline Thruster als Hauptantrieb verbaut. Bei einem Inline Thruster dient der Elektromotor gleichzeitig als Propulsionelement. Durch die Anordnung der Flügel von außen nach innen werden, im Gegensatz zur konventionellen Ruder/Propeller Bauweise jegliche Schraubengeräusche (z.B. Kavitation) vermieden«, erläutert Bolle. Bei konventionellen Antrieben gepaart mit einem Elektromotor, ist der Motor zwar weitestgehend geräuschlos, die Geräusche der Schrauben sorgen allerdings dennoch für eine Lärmentwicklung. Die »Bella Bohemia« ist dadurch komplett geräusch- sowie emissionsfrei. »In Verbindung mit dem Sonnendeck, dem Glasgeländer und dem Antriebskonzept ergibt sich so ein völlig neues Fahrerlebnis, bei dem der Fahrgast und die Umgebung im Mittelpunkt stehen.« Es entstehe also ein Gefühl, als würde man Segeln, so der Werftchef.

»Die für uns wahrscheinlich größte Herausforderung war es, weitestgehend die Akkukapazität zu minimieren. Zum einen sollten nicht mehr Kosten als nötig verursacht werden, aber auch, und vor allem um ein wirklich ökologisches Antriebskonzept zu entwickeln«, sagt Bolle Und er fügt hinzu: » Wie wir alle wissen, ist auch die Produktion der Akkus, welcher Bauart auch immer, derzeit mit erheblichen Umweltbelastungen und hohem Rohstoffverbrauch in verschiedenen Regionen der Erde verbunden.« Es gelte also auch, sparsam und verantwortungsvoll mit diesen Ressourcen umzugehen und durch technisches Know-how die Anforderungen der Schifffahrt zu erfüllen. Man sollte nicht mit unangemessen hohen Akkukapazitäten zu reinen Marketingzwecken die ökologische Bilanz der Antriebe weit ins Negative katapultieren.

Im Inneren der »Bella Bohemia«, befindet sich eine Bar, Sanitärräume sowie der Fahrstand. Der Innenraum ist von Glaswänden umgeben und unterstreicht die Verbundenheit zur Umgebung. Sämtliche Glaswände können im Sommer vollständig aufgeschoben werden, wodurch für eine angenehme und energiesparende Klimatisierung des Schiffes gesorgt wird.

Erste im September dieses Jahres hatte die Werft den »Innovationspreis Binnenschifffahrt« für wegweisendes Design und Antriebskonzepte im Schiffbau erhalten.

Die Prager Fahrgastschifffahrt, die heute als Prague Boats firmiert, ist eine 1865 vom damaligen Prager Bürgermeister Frantisek Dittrich, gegründete Gesellschaft, die überwiegend Kurzstreckenverkehre im historischen Stadtzentrum durchführt, aber auch mit Sonderfahrten die Moldau aufwärts bis Slapy oder talwärts bis Melnik ins tschechische Weingebiet fährt (siehe auch BS 07/18. S. 30-33). Prague Boats ist Tochterunternehmen der Evropska Vodni Doprava (Europäischer Wasserstransport – EVD) und betreibt jetzt 33 Fahrgastschiffe. Die Hälfte davon sind ehemalige deutsche oder bei der Schiffswerft Bolle gebaute neue Einheiten.

»Die Schiffswerft Bolle ist die Werft für uns, die alle Anforderungen in höchster Qualität erfüllt. Für Neubauten ist sie unsere Stammwerft. Für Reparaturen nehmen wir tschechische Werften«, so EVD-Vorstandsvorsitzender Lukas Hradsky.


Christian Knoll