Wenn vom westdeutschen Kanalnetz die Rede ist, klingen zumeist kritische Töne an. Marode Anlagen, Investitionsstau, desolate Verhältnisse. Es gibt aber auch gute Nachrichten, zumindest am Niederrhein
Zwischen Wesel und Dortmund und zwischen Emmerich und Duisburg ist seit Jahrzehnten ein Strukturwandel festzustellen. Bergwerke und Zechen sind verschwunden, neue Industrie ist entstanden. Zudem ist die Rolle der Logistik nicht zu übersehen. Aus Duisburg wurde der größte Binnenhafen der Welt, mit vor- und nachgelagerten Angeboten. Nur einige Kilometer weiter rheinabwärts machen die unter dem Namen DeltaPort Niederrheinhäfen geführten Häfen Wesel/Voerde, Emmerich und der NIAG-Hafen Rheinberg Orsoy seit längerer Zeit von sich reden.
Nun erlangt der Hafenverbund mit zwei neuen Entwicklungen erneute Aufmerksamkeit. Der Rhein-Lippe-Hafen, ehemals als Ölhafen bekannt, wandelt sich weiter. Auf weiteren 33ha Fläche wird es neue Arbeitsplätze geben. Die Verhandlungen mit ansiedlungswilligen Firmen laufen seit geraumer Zeit. Mit dem vom Stadtrat formell gefassten Beschluss zum entsprechenden Bebauungsplan kann die Erweiterung des Rhein-Lippe-Hafens nun zügig beginnen.
Für die Hafengesellschaft DeltaPort ist das ein »Meilenstein in der Entwicklung«, versichert der technische Leiter Dieter Thurm – und das Interesse ansiedlungswilliger Unternehmen sei bereits groß.
Fast sechs Jahre wurde an den Plänen gearbeitet, die mit einer weiteren Entwicklung eines Universalhafens zusätzliche Wertschöpfung in die Region Wesel bringen sollen. Zugleich wird ein Beitrag zur Verkehrsverlagerung geleistet: das Binnenschiff steht im Fokus der Entwicklungen.
Die ursprünglich im Rhein-Lippe-Hafen vorhandenen Tanklager sind längst zurückgebaut. Mit dem Schwerlastlogistiker Hegmann Transit sowie dem Recyclingunternehmen GSR begann die Umwandlung des Bereiches. Auch der Tiefkühllogistiker Nordfrost entschied sich wegen der optimalen Standortbedingungen für ein Grundstück im Rhein-Lippe-Hafen Wesel. Hier ist die Errichtung einer eigenen Container-Umschlagbrücke geplant.
Gleichwohl gibt es nördlich des Hafenbeckens weitere Flächenreserven. Diese sind nun planungsrechtlich für die Ansiedlung mit hafenaffinen Unternehmen abgesichert, mit dem Binnenschiff als maßgeblichen Teil der Logistikkette.
Thurm ist stolz auf den jüngsten Meilenstein, der die Zukunft des Rhein-Lippe-Hafens ebnet: »Mit dem Ausbau der Kaianlage, die 2017 auf ca. 300m Länge fertig gestellt worden ist, wurde der erste Schritt zur Schaffung des Universalhafens gemacht. Wir freuen uns, dass nun auch Baurecht für die landseitigen Flächen geschaffen worden ist, so dass Unternehmen, die die Hafeninfrastruktur nutzen wollen, angesiedelt werden können.«
DeltaPort und die Stadt Wesel erwarten eine kräftige Grundstücksnachfrage, nicht nur wegen der Lage an der Rheinschiene. Aktuell, so DeltaPort, liefen Verhandlungen mit Unternehmen aus der Lebensmittel- und Konsumgüterbranche. »Bei der Auswahl der potenziellen Kunden steht die Nachhaltigkeit im Fokus«, betont DeltaPort-Geschäftsführer Andreas Stolte. Die aktuelle politische Klimadebatte zeige dies deutlich. Der Hafenverbund werbe daher bei Unternehmen, die die Transporte von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Wasser und Schiene unterstützen würden.
Hafen Emmelsum darf erweitert werden
Fast zeitgleich mit den Plänen für den Rhein-Lippe-Hafen gab es auch für die Westerweiterung des Hafens Voerde-Emmelsum »grünes Licht«. Dort plant DeltaPort als Betreiber eine Hafenerweiterung um 15ha. Grund ist das weiter wachsende Güteraufkommen und die zunehmende Knappheit an Logistikflächen entlang des Rheins. Die Kaianlagen sollen um 130m verlängert und ausgebaut werden. Allerdings ist dafür noch ein Bebauungsplan aufzustellen.
Durch die Ansiedlung neuer Logistikunternehmen auch auf dieser Erweiterungsfläche sollen sowohl innovative Arbeitsplätze in der Region geschaffen als auch die Verlagerung von Warenströmen auf das Binnenschiff und die Bahn erzielt werden.
Der Hafen Voerde-Emmelsum ist direkt am Rhein gelegen und dient vor allem als Umschlaghafen für Container und Stückgut. Drei Containerbrückenkrane verschiedener Betreiber bewegen die Boxen über die Kaikanten. Die vorhandene Kaianlage von derzeit 295m wird im Zuge der Erweiterung um einen zusätzlichen Schiffsanlegeplatz auf dann 425m verlängert. Zudem erfolgt der Ausbau der beiden vorhandenen Gleise um jeweils 130m. Um das Gelände auf hochwasserfreies Niveau zu bringen, sind Aufschüttungen zwischen 4 und 7m erforderlich. Als Baubeginn nennt der Hafenverbund den Herbst 2020, bis 2025 sollen die Erweiterungsarbeiten abgeschlossen sein. Die Vermarktung und Ansiedlung sollen sukzessive mit der Herstellung der Bauflächen ab 2023 erfolgen.
Wie Thurm begrüßt auch Dirk Haarmann, Bürgermeister der Stadt Voerde, die Entwicklung. »Die bereits hohen Standortqualitäten unseres Hafens werden durch diesen Ausbau weiter gestärkt. Durch die zusätzlichen Gewerbeflächen und Umschlagskapazitäten erwarten wir starke Impulse zur gewerblichen Entwicklung. Ein Vorhaben, das ich von der ersten Idee in verschiedenen Funktionen bereits seit über zehn Jahren begleite, kann nun endlich umgesetzt werden.«
Insbesondere lobt Haarmann die konstruktive Zusammenarbeit mit DeltaPort und den Genehmigungsverfahrens- und Fachbehörden. Seit 2013 wurde intensiv an der Planung und Abstimmung gearbeitet. Beispielsweise musste ein Strömungsgutachten zur Beurteilung von Auswirkungen auf die Strömung des Rheins erstellt werden.
Nun gehe es darum, die Hafen- und Bahnlogistik bei den Akteuren zu verankern. »DeltaPort möchte mit der baulichen Umsetzung der Westerweiterung des Hafens Voerde-Emmelsum insbesondere innovativen und nachhaltigen Projekten eine Zukunft geben«, beschreibt Stolte die Ausrichtung der Hafenerweiterung.
Logistik in Emmelsum wächst
Konkrete Ansiedlungserfolge sind am Standort Emmerich zu verzeichnen. Im Gewerbegebiet NettPark hat die Fiege Gruppe aus Greven ein 12,5ha großes Grundstück erworben. Auf weiteren 3,25ha baut das Emmericher Speditionsunternehmen Convent eine Logistikanlage zur Lagerung von Kunststoffgranulat. Für die Stadt Emmerich und den Hafenstandort sind diese Ansiedlungen von großer Bedeutung: »Neben weiteren namhaften Logistikern wie BLG mit einer 15 ha großen Fläche sowie der Spedition Convent, die derzeit ihre zweite Fläche in Emmerich bebaut, stärkt Fiege unseren Logistik-Standort enorm«, sagt Udo Jessner, Geschäftsführer des Emmericher Hafens. Zunächst aber würden die Logistikaktivitäten von Fiege noch nicht über den Hafen laufen. Von der Erweiterung verspricht sich der Hafenbetreiber dennoch die Option auf zusätzliche Fracht im Hafen.
Nicht nur die Logistiker profitieren von der trimodalen Verkehrsanbindung, die dieser Standort am Rhein bietet. Auch für den Hafenverbund der DeltaPort Niederrheinhäfen zählen diese Ansiedlungen als Erfolg. »Wir treten als gemeinsamer Standort nördlich von Duisburg auf, wobei jedes Mitglied seinen Teil zum Angebotsportfolio beisteuert«, betont Jessner.
Zusammen bieten die drei Standorte ein abgerundetes Angebot mit unterschiedlichen Stärken. Während in Emmerich der grenzüberschreitende Containerverkehr dominiert, kann Wesel zusätzlich zum Containerterminal auch einen Schwerlasthafen anbieten. Rheinberg-Orsoy ist mit seinem Massenguthafen auf gänzlich andere Kundenwünsche eingestellt.
WSV schafft 72 zusätzliche Stellen
Unabhängig von Häfen und Logistikzentren gibt es für die Wasserstraßen im Ruhrgebiet positive Nachrichten. Ab diesem Jahr sollen die hier zuständigen Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen über weitere 72 Stellen verfügen, die sich um Infrastrukturprojekte kümmern. Damit soll ein Teil des Investitionsstaus abgearbeitet werden.
Konkret geht es um 54 Stellen für Maßnahmen im Westdeutschen Kanalnetz, insbesondere am Wesel-Datteln-Kanal, zehn Stellen für Infrastrukturmaßnahmen am Rhein und acht Stellen für den Dortmund-Ems-Kanal. Schon in den vergangenen zwei Jahren waren 35 Stellen für prioritäre Maßnahmen im Bereich NRW bereitgestellt worden.
Noch im April 2019 war beim so genannten Schleusengipfel deutlich geworden, wie desolat die Zustände an den Schleusen und Wehranlagen im Ruhrgebiet sind. Dringend notwendige Maßnahme waren wegen fehlender Fachkräfte in den Verwaltungen nicht in Angriff genommen worden. Ihren sichtbaren Ausdruck findet der Investitions- und Sanierungsrückstand im Einsatz von Festmachern an den Schleusen des Wesel-Datteln-Kanales. Diese müssen schleusenden Schiffen Assistenz beim Vertäuen geben, da die vorhandenen Nischenpoller die auftretenden Kräfte von großen Schiffen nicht mehr aufnehmen können.
Die jüngste Meldung aus dem Hafen Duisburg setzt Zeichen für ein weiteres Wachstum. Duisport will auf der ehemaligen Kohleinsel das größte Containerterminal im europäischen Hinterland gestalten. Gemeinsam mit Partnerunternehmen, zu denen auch die schweizerische Hupac sowie die niederländische HTS-Group gehören, soll ein trimodales Containerterminal entstehen. Insbesondere soll hier ein großer Teil des Chinahandels abgewickelt werden, der per Bahn über die »Neue Seidenstraße« aus dem Reich der Mitte in Duisburg ankommt.
Ehre für Duisburgs Hafenchef Staake
Der zentrale europäische Gateway-Hub soll unter »Duisburg Gateway Terminal« firmieren und wöchentlich bis zu 100 Züge abwickeln. Im Endausbau wird hier ein Jahresumschlag vom 850.000 TEU erwartet. »Damit festigen wir unsere Spitzenposition im Chinahandel, schaffen Arbeitsplätze und stärken NRW als wichtigsten Logistikstandort Europas«, sagt duisport-Vorstandsvorsitzender Erich Staake.
Der Duisburger Hafenchef war erst jüngst in die »Hall of Fame« der Logistik aufgenommen worden. Die Logistics Hall of Fame zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich um die Weiterentwicklung von Logistik und Lieferketten-Management außergewöhnlich verdient gemacht haben. Staake wurde als »Modernisierer der Binnenhafenlogistik« aufgenommen. Er habe mit seinem »logport«-Konzept eine neue Ära eröffnet und den Duisburger Regionalhafen zu einer der führenden Logistikdrehscheiben in Europa gemacht. Dazu habe er »die Logistik aufgemischt«, so der ehemalige Bertelsmann-Manager Mark Wössner als Laudator. Staake habe, so die Logistics Hall of Fame, nicht nur den Hafen Duisburg maßgeblich vorangebracht. Er habe zudem gezeigt, wie Logistik die Wirtschaftskraft und Lebensqualität einer ganzen Region stärken könne. In den vergangenen 20 Jahren seien insgesamt 50.000 Arbeitsplätze, davon 7.000 direkt im Hafen entstanden.
Davon beeindruckt zeigte sich auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, der dem Duisburger Hafen vor wenigen Wochen einen Besuch abstattete.
Hermann Garrelmann