Die Autoindustrie hat sich entschieden. Für sie ist die Zukunft elektrisch, was Antriebe betrifft. Für die Binnenschifffahrt scheint das noch längst nicht ausgemacht
Das Dieselbashing ist etwas abgeflacht, erkennt man doch einige tragende Vorteile dieses Kraftstoffs. In Verbindung mit Abgasreinigungsanlagen kann er durchaus eine saubere Zukunft bieten. Ob aber Arie Koedood vom gleichnamigen Dieselhersteller mit seiner Prognose, dass die Binnenschifffahrt den Diesel als Hauptantrieb noch lange gebrauchen werde, richtig liegt,wird sich wohl frühestens in 20 bis 30 Jahren zeigen. Gleichwohl und allerorts wird nach Alternativen geforscht. Am weitesten vorangekommen scheinen hybride Technologien zu sein, die auf eine Kombination von Dieseltechnik und elektrischen Komponenten setzten.
Ein Beispiel ist der »Sendo-Liner«, gebaut bei Concordia Damen. Kern der Energieversorgung sind 52 EST-Floattech-Akkus mit je 10,5 kWh Kapazität. Sie können bis zu 564 kWh speichern und so für maximal drei Stunden Fahrt auf Akkubasis sorgen. Die für die Akkus nötige Energie wird durch zwei Volvo Penta D16 bestückte Gensets erzeugt, sie bringen maximal 430 kW an Leistung. Die Elektromotoren können auch direkt mit dem Strom aus den Gensets betrieben werden. Insofern ist der »Sendo Liner« ein dieselelektrisch angetriebenes Schiff.
Vollständig auf Akkubetrieb ausgerichtet ist das Konzept des Port-Liner. In vier Standardcontainern will der Entwickler Ton van Meegen Lithium-Ionen-Akkus mit einer Kapazität von 6,7 MWh unterbringen. Das soll für 35 Stunden Fahrt ausreichen. Sind die Akkus leer, werden die entsprechenden Container gewechselt.
Vorreiter für autonome Schifffahrt
Komplett elektrisch fährt »Yara Birkeland« in Norwegen. Das 80m-Schiff kann 120 laden. Der Antrieb besteht aus zwei Propellergondeln mit einer Leistung von jeweils 1,2 MW. Die Höchstgeschwindigkeit beläuft sich auf 10 bis 12kn. Ein Akkupaket von 7 bis 8mWh soll eine Reichweite von 120km sichern. Geladen werden die Akkus während der Liegezeiten auf der Halbinsel Herøya. Für eine Vergrößerung der Reichweite wäre ein Range-Extender in Form eines Gensets oder einer Brennstoffzelle erforderlich. Das Schiff soll 2020 in Fahrt gehen und nach einer mehrjährigen Testphase mit Besatzung später autonom verkehren.
Mit einem hybrid-elektrischen Antrieb ist auch der Berliner Ausflugsdampfer »Schwielowsee« ausgerüstet. Der in Akkus gespeicherte Strom wird von zwei unterschiedlich stark ausgelegten Dieselgeneratoren erzeugt. Wie zu hören ist, sind die Berliner sehr zufrieden mit dem »Flüster-Antrieb«.
Brennstoffzelle im Blick
Auf dem Einsatz von Brennstoffzellen basiert das Konzept des Behala-Projektes »Elektra«. Hierüber hat die »Binnenschifffahrt« mehrfach ausführlich berichtet. Über ein weiteres Berliner Projekt namens »A-SWARM« hat die »Binnenschifffahrt« an anderer ebenfalls informiert. Dabei geht es neben dem elektrischen Antrieb auch um das Thema Autonomes Fahren.
Der niederländische Schulungsfrachter »Emeli« verfolgt einen neuen Ansatz. Der 55m x 7,2m große Schiff, das heute zu Trainingszwecken genutzt wird, verfügt über einen dieselelektrischen Antriebsstrang sowie eine Brennstoffzelle, die für eine elektrische Leistung von 30 kW sorgt. Gespeist wird die Brennstoffzelle aus einem Wasserstoffspeicher, der mit 12 kg bei 200 bar bemessen ist und eine Betriebszeit von zehn Stunden bei voller Leistung zulässt. Dafür wird allerdings auf ein bordeigenes Batteriepack zurückgegriffen, in dem 60 kWh gespeichert werden können. Die Emissionen von CO2, Partikeln und NOx sind dabei auf Null reduziert.
Auf Brennstoffzelleneinsatz basiert auch das Antriebskonzept der »Innogy« auf dem Essener Baldeneysee. Jetzt ins vierte Jahr startend, fährt auch dieses Schiff fast geräuschlos. Sieben mit »grünem Methanol« gespeiste Brennstoffzellen produzieren CO2-neutral unter Deck den Strom für die Akkus.
Energie aus Wasserstoff
Eifrig gearbeitet wird auch an Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff als Energielieferant. Erste Beispiele, in denen Brennstoffzellen aus Wasserstoff elektrische Energie erzeugen, sind in der Entwicklung oder, mit dem Beispiel der »Hydroville«, (BS 11/2019, S.20ff) im ersten Einsatz.
Auf europäischer Ebene soll das Projekt H2SHIPS die Machbarkeit von Wasserstoff-Betankungsanlagen und -antrieben in der Binnenschifffahrt demonstrieren. Auch die Bedingungen für einen erfolgreichen Markteinstieg der Wasserstofftechnologie sollen definiert werden. Dazu werden im Projekt zwei Pilotprojekte umgesetzt. In den Niederlanden wird ein mit Wasserstoff betriebenes Hafen- und Binnenschiff gebaut, während in Belgien ein Wasserstoff-Betankungssystem entwickelt und getestet wird. Das soll auch für den Betrieb auf hoher See geeignet sein. Ein Aktionsplan soll ermitteln, wie auf der Seine in Paris Wasserstoff-Lösungen umgesetzt werden können. Das Budget des Projekts beläuft sich auf 6,3Mio. € und läuft bis Juli 2022. Prognosen gehen von einem langfristigen Einsatz von 58 mit Wasserstoff betriebenen Schiffen bis zum Jahr 2032 in der Projektregion aus.
»RiverCell« prüft Brennstoffzelle
Um den hybriden Einsatz von Energiespeichermöglichkeiten in Kombination mit nachhaltiger Energieerzeugung mit Brennstoffzellen geht es auch beim Vorhaben »RiverCell«. RiverCell2 fördert die Entwicklung modularer Hybridkonzepte mit Brennstoffzellen und alternativen Kraftstoffen für Flusskreuzfahrtschiffe im Detail, zunächst in einer Versuchsinstallation an Land, dann mit einer Test-Installation an Bord eines Flusskreuzfahrtschiffes. RiverCell2 baut dabei auf das Vorgängerprojekt RiverCell1 auf. Im Ergebnis sollen weiterführende Erkenntnisse zu Eignung, Anwendung und Wirtschaftlichkeit eines Hybridantriebs gewonnen werden. Auch erwarten die Projektpartner Erfahrungen im Umgang mit neuen Brennstoffen mit niedrigem Flammpunkt. Der sichere Betrieb soll in der konkreten Anwendung demonstriert werden, die gewonnenen Erkenntnisse dienen auch der Entwicklung entsprechender Vorschriften. Das Ende September 2019 ausgelaufene Projekt belief sich auf 4,1Mio. € bei einem Förderbetrag von 2,1Mio. €. Ein kompletter Abschlussbericht liegt noch nicht vor.
In einem kurzen Projektrückblick heißt es, dass »rein elektrisch betriebene Fahrzeuge die beste Option wären, sofern die elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen stammt und insbesondere die Batterien umweltfreundlich hergestellt und rezykliert werden können. Mit Hinblick auf die in RiverCell gewonnenen Erkenntnisse zur Unterbringung von Tanks und Energiespeichern an Bord ist jedoch absehbar, dass für die meisten Schiffstypen der reine batterieelektrische Antrieb auf Grund der Gewicht- bzw. Volumenbeschränkung zusammen mit der erforderlichen Reichweite auch mittelfristig nicht praktikabel sein wird. Entsprechend kann das Konzept der hybriden Energieerzeugung mit chemischen Energieträgern (alternative Brennstoffe) für Binnenschiffe auch mittelfristig als der zukunftsweisendste Ansatz bestätigt werden.«
Verflüssigte Gase als Schiffsbrennstoff für volumenkritische Einheiten seien hinsichtlich der Lagerung, der Handhabung, aus Raum- und Gewichtsgründen kaum praktikabel. Wasserstoff in Reinform wird für die meisten Schiffsanwendungen als ungeeignet eingestuft. Methanol als Wasserstoffträger erweise sich in allen Aspekten als vielversprechendste Alternative zum Diesel. Regulatorische Rahmenbedingungen für die Brennstoffzellentechnologie auf Binnenschiffen oder von Methanol als Brennstoff seien derzeit nicht vorhanden. »Als größte bzw. zeitintensivste Herausforderung für das Projekt stellt sich hierbei der Genehmigungsprozess für diese Innovationen heraus, da solche als fallspezifische Einzelgenehmigungen auf EU-Ebene beim ZKR einzuholen sind«, heißt es in dem Bericht.
Offene Flanke Wirtschaftlichkeit
Im Ergebnis ist festzuhalten: Konzepte mit hybriden Antrieben, beispielsweise dieselelektrische Lösungen, sind bereits in der Praxis angekommen. Reine akkugestützte Lösungen sind für Nischenanwendungen wie Fährschiffe denkbar. Auf langer Strecke scheiden Akkulösungen aus mehreren Gründen derzeit aus. Zur Reichweitenverlängerung sind Generatoren auf fossile Kraftstoffe wie Diesel, LNG, GTL o. ä. angewiesen. Brennstoffzellen-Techniken, ob auf Wasserstoff oder Methan gestützt, müssen weiter optimiert werden. Dabei ist die Frage der Wirtschaftlichkeit bislang nicht beantwortet. Entscheidend wird sein, dass der eingesetzte Wasserstoff mit Strom aus nachhaltiger Erzeugung generiert wird, damit nicht nur auf dem Schiff die Emissionswerte passen. Und Diesel wird es wohl trotzdem noch eine ganze Weile an Bord geben.
Hermann Garrelmann