Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl abgelieferter Neubauten im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Allerdings wurden weniger Schiffe in Auftrag gegeben. Ein wesentlicher Grund sind schärfere Umweltbestimmungen, die die Zahl zulässiger Motoren einschränken
Im vergangenen Jahr griff erstmals die neue Richtlinie NRMM (Non-Road Mobile Machinery) für Motoren mit Leistungen bis 300 kW, die für diese Antriebe schärfere Emissionsgrenzwerte bei Neubauten vorschreibt. Mit Beginn dieses Jahres gelten die Bestimmungen nun auch für Motoren über 300 kW in neuen Schiffseinheiten.
Einige Motorenhersteller arbeiten zwar daran, dass ihre Maschinen die nun geltenden Richtwerte nicht überschreiten und haben angekündigt, entsprechende reine Schiffsmotoren auf den Markt zu bringen, doch noch sind sie nicht erhältlich.
Das wirkt sich auch auf Neubauprojekte aus, denn Werften konnten ihren Kunden lange Zeit keine passenden Antriebe anbieten. Dem Vernehmen nach mussten deswegen sogar gewisse Neubauaufträge abgelehnt werden.
Mit der Zulässigkeit, marinisierter Lkw-Motoren in der Schifffahrt, die im November 2018 beschlossen worden war, konnte ein Teil dieses Problems behoben werden. Einige Kunden würden ihre Einheiten aber dennoch lieber mit reinen Schiffsmotoren betreiben und entschlossen sich anstelle eines Neubaus deshalb dazu, ihre bestehenden Anlagen zu modernisieren.
Viele Werften berichteten entsprechend von einer hohen Nachfrage nach Neumotorisierungen. Im Umkehrschluss sank dadurch der Eingang für neue Aufträge.
Da die NRMM-Richtlinie für Neubauten mit Motoren über 300 kW erst in diesem Jahr in Kraft tritt, hatten viele der Neubauablieferungen des vergangenen Jahres noch keinen Einfluss darauf.
Sechs weitere Longships für Viking
Nach einem Jahr ohne Flottenzuwachs hat Viking River Cruises, der größte Kunde der Neptun Werft, im vergangenen Jahr wieder sechs Einheiten der sogenannten Longship-Klasse von dem zur Werftgruppe Meyer gehörenden Schiffbaubetrieb aus Rostock-Warnemünde erhalten. Nach dem Abschluss der Viererserie für Crystal River im Jahr 2018 und des damit verbundenen Rückzugs von MV Werften aus dem Bau von Flusskreuzfahrtschiffen, ist die Neptun Werft nun wieder das einzige Unternehmen in Deutschland, das die Fertigung von Flusskreuzern anbietet.
Allgemein ist der Bau von Personenschiffen eine Stärke der deutschen Werften. Die Kiebitzberg Schiffswerft hat Ende des 1. Quartals 2019 die Solarfähre »Island« übergeben. Mehr als dreimal so lang sind die Solarkatamarane »SunCat120« und »SunCat121«, die der Betrieb für die SolarCircleLine herstellt. Das erste Schiff ist Ende 2019 zu seinem Bestimmungsort nach Berlin-Teltow gefahren, die Schwester folgt in Kürze. Das Duo wird am 8. April in der Bundeshauptstadt offiziell getauft.
Die Schiffswerft Bolle stellte die Fahrgastschiffe »Bella Bohemia« und »Schwielowsee« fertig. Für den Bau der »Schwielowsee«, dem ersten vollhybriden Fahrgastschiff Europas, erhielt der Betrieb aus Derben an der Elbe im vergangenen Jahr den »Innovationspreis Binnenschifffahrt« von den Magazinen »Binnenschifffahrt« und Schiffahrt und Technik (SUT). Geschäftsführer Mario Bolle nahm die bereits zum siebten Mal von der Allianz Esa EuroShip gestiftete Auszeichnung auf der Messe Shipping-Technics-Logistics (STL) in Kalkar entgegen. Daneben lieferte Bolle ein Schubboot, einen offenen Prahm und ein Wohnschiff ab.
Von der Hamburger Feltz-Werft wurde die »Ennstal« an Barkassen-Meyer übergeben und von Stahlbau Müller stammt die Autofähre »Posching«.
Wie 2018 Jahr hat auch die Lux-Werft aus Mondorf im vergangenen Jahr drei Neubauten abgeliefert. Zu den beiden Fahrgastschiffen »Rostocker 7« und »Staffelseerin« kam das Arbeitsschiff »Viking Orvar« hinzu. Im Oktober wurde es Viking Cruises übergeben. Der Neubau wird zur Verlegung und Wartung von Landebrücken eingesetzt.
Neben Personenschiffen zählt auch die Fertigung von Spezial-, Arbeits- und Behördenschiffen weiterhin zu einer Kernkompetenz der deutschen Schiffbauer. Die größten Auftraggeber sind verschiedene Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter die jährlich mehrere dieser Einheiten erhalten. Die Schiffwerft Hermann Barthel lieferte insgesamt drei Neubauten ab: der Schwimmbagger »Wittenberg«, das Taucherschiff »Rán« und das Polizeiboot »Schwanenwerder«.
Von SET Schiffbau und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde stammt das Injektionsschiff »Trischen«, von Lübeck Yacht Trave Schiff das Vermessungsboot »DVocean«. Neckar Bootsbau Ebert tat sich mit zwei Hilfeleistungslöschbooten sowie einem Polizeiboot hervor.
Unterdessen haben Tamsen Maritim und die Neue Ruhrorter Schiffswerft ihre Serien von Rettungsschiffen für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) beziehungsweise Schubleichtern für ThyssenKrupp Veerhaven fortgesetzt.
Die Fertigung von Wahrschauflößen stand im vergangenen Jahr bei der Neuen Oderwerft aus Eisenhüttenstadt hoch im Kurs. Zehn dieser Seezeichen wurden zu Wasserstraßen- und Schifffahrtämtern im Westen und Süden Deutschlands verbracht.
Ausblick verspricht Innovationen
Wegen der angesprochenen Motorenproblematik haben die deutschen Werften 2019 weniger Aufträge erhalten als in den Vorjahren. Die Zahl der abgelieferten Schiffe dürfte demnach 2020 zurückgehen.
Wegen der nun geltenden schärferen Emissionen für sämtliche Neumotoren, steht der Umweltschutz bei Neuprojekten mehr denn je auf der Agenda. Entsprechend wird es künftig mehr Einheiten geben, die auf alternative Antriebsarten setzen. Ein Beispiel dafür ist das Schubboot »Elektra«, das die Schiffswerft Hermann Barthel für das Berliner Unternehmen Behala baut. Die Energiebereitstellung auf dem Kanalschubboot wird erstmalig alleine mittels gasförmigen Wasserstoffs, NT-PEM-Brennstoffzellen und Akkumulatoren erfolgen. Damit ist der Neubau emissionsfrei. Die »Elektra« soll vorrangig im Gütertransport auf der Relation Berlin–Hamburg und im innerstädtischen Verkehr in Berlin eingesetzt werden. Darüber hinaus fertigt das Schiffbauunternehmen ein 22m langes Trainingsschiff für die DGzRS, das im vergangenen Jahr auf Kiel gelegt worden ist. Neben einem weiteren Schubboot und einem Klappprahm sollen in diesem Jahr drei Polizeiboote für die Wasserschutzpolizei Magdeburg abgeliefert werden.
Die Stadtwerke Konstanz freuen sich auf ihr neues Fahrgastschiff für den Bodensee. Erstmals werden zwei MTU4000-Motoren von MTU installiert, die mit Gas betrieben werden. Das Schiff wird bei Pella Sietas in einer Sektionsbauweise gefertigt. Zusammengesetzt werden die Teile in Österreich. Zudem erwartet Norden Frisia von dem Schiffbauunternehmen aus Hamburg eine neue Doppelendfähre.
Die Neptun Werft will in diesem Jahr sechs weitere Flusskreuzer für Viking River Cruises fertigstellen. Da vier davon auf der Seine in Frankreich eingesetzt werden sollen, werden diese mit 125m etwa 10m kürzer als die übrigen Schiffe der Longship-Klasse, zu der die beiden übrigen Neubauten zählen.
Mehrere Prahme unterschiedlicher Ausführungen sind in diesem Jahr von der Schiffswerft Bolle zu erwarten, während die Neue Oderwerft eine Klappschute und ein Bauhüttenschiff fertigt.
Ein Müllsammelschiff steht im Orderbuch von Lübeck Yacht Trave Schiff. Es hat ähnliche Ausmaße wie sein Vorgänger »Seekuh«, der ebenfalls von den Lübeckern hergestellt worden ist.
Die Bayerische Seenschifffahrt hat ein Fahrgastschiff mit einer Kapazität von 200 Personen bei der Lux-Werft in Auftrag gegeben. Neckar Bootsbau Ebert steht kurz vor der Ablieferung eines Arbeitsbootes für die Fischereiaufsicht und plant im vierten Quartal die Übergabe zweier Polizeiboote.
Die Neue Ruhrorter Schiffswerft hat derweil die nächsten Aufträge von ThyssenKrupp Veerhaven für vier weitere Schubleichter erhalten, die im Abstand von rund drei Monaten abgeliefert werden sollen.
Zwei Hydraulik-Schiffbagger und ein Aufsichtsschiff stehen in der Ablieferungsliste von SET Schiffbau und Entwicklungsgesellschaft Tangermünde, während Tamsen Maritim in diesem Jahr die Serie der Rettungsboote für die DGzRS abschließt. Die Kiellegung der letzten Einheit mit der Bezeichnung »SRB 80« ist im November 2019 erfolgt.
In der folgenden Übersicht sind die Ablieferungen sowie die Orderbücher der Werften aufgeführt. Größtenteils stammen die Angaben von den Schiffbauunternehmen, oder wurden durch Eigenrecherche ermittelt.
Thomas Wägener