Für die Wehranlage Geesthacht ist nach einer Nutzungszeit von 60 Jahren eine Grundinstandsetzung erforderlich. Durch die erforderlichen Arbeiten bietet sich gleichzeitig die Chance zur Behebung von bisherigen Anlagendefiziten und Risiken
Für die Durchführung der Grundinstandsetzung muss eine trockene Baugrube in der Elbe hergestellt werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich hierbei aus der Aufrechterhaltung des Wehrbetriebs während der Instandsetzungsarbeiten und aus der Andienung der Baustelle.
Die Wehranlage Geesthacht befindet sich etwa 140km oberhalb der Elbmündung und wurde in den Jahren 1957 bis 1960 als Bestandteil der Staustufe Geesthacht als 4-feldriges Sektorenwehr mit je 50m Feldweite errichtet. Sie staut den Oberlauf der Elbe auf das für die Schifffahrt erforderliche Niveau und bildet die Grenze der Tideelbe.
Aufgrund der zentralen Lage im Netz der Bundeswasserstraßen ist die Verfügbarkeit der Wehranlage von entscheidender Bedeutung für die Binnenschifffahrt, unter anderem auch für die Verbindung vom Hamburger Hafen zum Elbe-Seitenkanal (ESK). Auf den Wehrpfeilern ist eine Straßenbrücke gegründet, die die Bundesstraße B404 über die Elbe führt.
Als Grundlage für die Planung der Grundinstandsetzung der Wehranlage Geesthacht ist eine Feststellung des Ist-Zustands des Massivbaus und des Stahlwasserbaus erforderlich. Hierfür erfolgte die Erfassung der Schäden, die Durchführung von Prüfungen am Bauwerk, die Entnahme von Baustoffproben und die Durchführung weitergehender Baustoffuntersuchungen im Labor.
Taucher im Einsatz
Die Zustandsuntersuchung mit anschließender Ausarbeitung eines Zustandsgutachtens und die Planung der Grundinstandsetzung erfolgen durch WTM Engineers, Hamburg, als Generalplaner im Auftrag der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV). Der Sektor und die angrenzenden Bereiche des Massivbaus konnten im Schutze der Revisionsverschlüsse im Trockenen von WTM Engineers untersucht werden. In den weiteren Bereichen erfolgte die Schadensaufnahme und Probenentnahme mittels Tauchereinsatz.
Die Massivbaukonstruktion kann demnach für eine langfristige weitere Nutzung instandgesetzt werden. Eine Instandsetzung der Sektorverschlüsse ist dagegen aufgrund der festgestellten starken Schädigung nicht möglich. Im Zuge der Planungen zur Grundinstandsetzung sind bekannte und festgestellte Anlagendefizite zwingend zu berücksichtigen und wenn möglich zu beseitigen. Als Planungsanforderung ergibt sich hieraus insbesondere die Verbesserung der Energieumwandlung, da derzeitig bei mittleren und höheren Abflüssen und gleichzeitig auftretenden niedrigen Unterwasserständen keine ausreichende Energieumwandlung im Tosbecken erfolgt und die Deckwalze in das Unterwasser abwandert. Dies führt zu Überbeanspruchungen der an das Bauwerk anschließenden flexiblen Sohle.
Außerdem ist derzeitig eine Trockenlegung auf den Bereich des Sektors eingeschränkt, sodass die Inspektion weiteren Bauwerkskonstruktionen für die unter Wasser liegenden Bereiche nur mit Tauchereinsatz möglich ist.
Daraus ergibt sich eine komplexe Planungsaufgabe, die neben der Instandsetzung vorhandener baulicher Mängel eine in Teilen angepasste Konzeption beziehungsweise Modernisierung der Gesamtanlage berücksichtigt. Angestrebt werden die für Neubauten üblichen Nutzungsdauern von 100 Jahren für den Massivbau und 70 Jahre für die Bauteile des Stahlwasserbaus.
Wehrverschluss und Stahlbau
Die Sektorverschlüsse haben sich an der Staustufe Geesthacht insgesamt gut bewährt, sie sind jedoch statisch unterdimensioniert. Die im Zuge der Planung durchgeführte Variantenuntersuchung hat ergeben, dass an anderen Anlagen gebräuchliche Verschlussarten hier insbesondere aufgrund der beizubehaltenden lichten Weite von 50m zwischen den Wehrpfeilern nicht geeignet sind. Dies gilt auch für die besonderen Anforderungen hinsichtlich Eisabfuhr. Aufgrund der erheblichen Schädigung der vorhandenen Sektorverschlüsse scheidet eine Instandsetzung allerdings aus.
Mit dem Neubau ergeben sich weitergehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Konstruktion. So kann z. B. aufgrund der wasserwirtschaftlichen Randbedingungen die Oberkante des Sektors von bisher NHN + 5,85m auf NHN + 4,30m reduziert werden. Dadurch kann die neue Konstruktion robuster ausgeführt werden, ohne dass bisherige Gesamtgewicht wesentlich zu erhöhen. Außerdem kann durch eine veränderte Verriegelungskonstruktion die Anlagensicherheit verbessert werden.
Revisionsverschlüsse
Die Revisionsverschlüsse müssen insbesondere für die enorme Wehrfeldbreite von 50m geeignet und unter Aufrechterhaltung des Wehrbetriebs für mindestens zwei Felder einbaubar sein. Außerdem müssen die Anforderungen an die Standsicherheit bei Überflutung, an die Robustheit gegenüber Beanspruchung durch Eis sowie an die Einbaubarkeit mit örtlich vorhandenen Geräten erfüllt sein.
Im Unterwasser bestehen besondere Anforderungen aus dem Tideeinfluss. Im Oberwasser ist die Ausbildung des Revisionsverschlusses als Kragträger mit Tafeln am vorteilhaftesten. Unterwasserseitig ist die Ausbildung des Revisionsverschlusses als Stützbock mit Tafeln am günstigsten.
Die Anordnung der Druckstrebe erfolgt hierbei auf der »Trockenen Seite«, um die Inspizierbarkeit der wesentlichen Bauteile im Trockenen zu ermöglichen.
Massivbauinstandsetzung
Im Bereich des Bestandsbauwerks ist der Massivbau an den neuen Sektor und die neuen oberwasserseitigen Revisionsverschlüsse anzupassen. Die Instandsetzung des Massivbaus erfolgt mit einer bewehrten und verankerten Vorsatzschale nach ZTV-W LB 219 mit einer Mindestdicke von 40cm.
Im Anschluss an die bestehende Wehranlage wird ein neues Tosbecken in Massivbauweise nach ZTV-W LB 215 errichtet. Die geometrische Ausbildung wurde projektbegleitend durch die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in einer numerischen Simulation betrachtet und anschließend in einem hydraulischen Modell verifiziert. Die Wehrpfeiler werden bis zum Ende des Tosbeckens geführt und bilden den seitlichen Anschluss für die unterwasserseitigen Revisionsverschlüsse. Für die spätere Trockenlegung der gesamten Massivbaukonstruktion im Schutze der neuen Revisionsverschlüsse ist eine Rückverankerung zur Aufnahme der Auftriebskräfte erforderlich.
Für die Instandsetzung und die Bauwerkserweiterung wird eine trockene Baugrube erforderlich. Aufgrund der Lage im tidebeeinflussten Gewässer und der mehrjährigen Standzeit hat die Robustheit der Baugrubenumschließung besondere Bedeutung. Am vorteilhaftesten ist die Ausbildung der Baugrubenumschließung mit Kastenfangedämmen in Spundwandbauweise. Hierbei bietet sich die Möglichkeit, auf den Fangedämmen die erforderlichen Arbeits- und Lagerflächen einzurichten sowie Anlegemöglichkeiten für Schuten usw. einzurichten. Für den Baugrubenabschluss nach unten wird eine rückverankerte Unterwasserbetonsohle geplant.
Ausblick
Derzeitig erfolgt die Entwurfsplanung als Grundlage für die Ausschreibung der Grundinstandsetzung des Wehrfeldes 3 einschließlich Uferwand Süd und Hauptzulauf als erste Maßnahme. Die Wehrfelder 1, 2 und 4 folgen bei Auswertung gewonnener Erfahrung aus der ersten Maßnahme zu einem späteren Zeitpunkt.
Autoren: Harald von Thaden und Ulrich Jäppelt, WTM Engineers, Hamburg