Gewässerkundliche Messungen sollen auomatisiert werden. Eine vierdimensionale Abbildung der Bundeswasserstraßen soll die Grundlage für zahlreiche weiterführende Prozesse zur Digitalisierung der Schifffahrt bieten
Auf nationaler und europäischer Ebene werden derzeit Masterpläne erarbeitet und umgesetzt, die sich mit der digitalen Transformation der Binnenschifffahrt zur künftigen Mobilität beschäftigen: intelligenter als bisher, automatisiert, vernetzt, effizient, umweltfreundlich.
Die Maßnahmen erstrecken sich über die gesamte Bandbreite von den fortzuschreibenden Anforderungen an eine digitale und teilweise virtuelle Wasserstraßeninfrastruktur, über die Unterstützung der Navigation, den (teil-)automatisierten Betrieb von Binnenschiffen, bis hin zur Digitalisierung des Verkehrs- und Transportmanagements mit seinen Logistikketten.
Dabei fallen Stichworte wie virtuelle Schifffahrtszeichen, Assistenzsysteme oder synchro-modale Binnenschifffahrt. Die digitale Abbildung der Wasserstraßen bildet das Fundament dieser Transformation. Digitalisierung und Big Data Analysis führen unmittelbar dazu, Prozesse weitestgehend automatisiert ablaufen zu lassen.
Schlagartig rückte die Bedeutung der Wasserstandsvorhersage und aktueller Tiefeninformationen für die Versorgungssicherheit während der Rheinniedrigwassersituationen 2018 und 2019 ins Bewusstsein von Bevölkerung und Industrie. Dies führte Anfang Juli vergangnene Jahres zur Unterzeichnung des »Aktionsplans Niedrigwasser Rhein« durch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und Vertreter der Industrie.
Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums erarbeitet die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in diesem Zusam-menhang gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung einen Maßnahmenplan zur Automatisierung gewässerkundlicher Messungen.
Außerdem sind die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) beteiligt. Damit reiht sich der Maßnahmenplan nahtlos in den Masterplan Binnenschifffahrt vom Mai 2019 ein, indem er insbesondere die Bereitstellung fachlich und raumzeitlich höherwertiger Messdaten als Basis für zu erwartende optimierte Befahrbarkeitsprognosen forciert.
Mit dem Begriff »Messen« sind synonym die gesamten Mess- und Modellierungsprozesse der quantitativen Gewässerkunde in diesem Maßnahmenplan angesprochen. Langfristiges Ziel ist die Erstellung eines digitalen Zwillings der Bundeswasserstraßen (BWaStr-Zwilling).
Dieser basiert auf Messungen von Tiefeninformationen im Remotebetrieb, der Modellierung von Wasserständen und Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten und -richtungen (Strömungen), morphodynamischen Sohlprozessen (Geschiebetransport, Sedimentverlagerungen), Gelände- und Gewässersohltopographien und deren Veränderungen sowie des Verkehrsaufkommens.
Ein digitaler BWaStr-Zwilling soll über den aktuellen Zustand einer realen Wasserstraßenrelation hinaus auch die digitale Chronologie der Einflussgrößen der quantitativen Gewässerkunde liefern. Die vierdimensionale Abbildung der Bundeswasserstraßen bietet die Grundlage für zahlreiche weiterführende Prozesse zur Digitalisierung der Schifffahrt.
Letztlich wird es neben der Schifffahrt selbst zahlreiche Nutznießer dieses integrierten Datenbestandes geben, da digitalisierten Management- und Ausführungsaufgaben eine völlig neue Grundlage zur Verfügung gestellt wird.
Perspektivisch ermöglicht der digitale BWaStr-Zwilling ein optimiertes und effizientes Unterhaltungs-, Betriebs- und Ausbaumanagement der Wasserstraßen. Auch komplexe Analysen zur Gewässerentwicklung und deren Auswirkungen oder zum Einfluss externer Faktoren wie anthropogener Klimaänderungen werden umfassend möglich sein.
Eine zusätzliche Herausforderung besteht darin, den aktuellen Fokus von Messverfahren der quantitativen Gewässerkunde für die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung ressourcenschonend zu erweitern. Beispielsweise bedeutet dies für die Gewässervermessung die Entwicklung vom aktuellen Schwerpunkt der Verkehrssicherung hin zu einem kontinuierlichen Bathymetrie-Service. Dies kann aber nur gelingen, wenn der Automatisierungsgrad der aktuellen Mess- und Auswerteprozesse deutlich erhöht und bestmöglich durch Modelle ergänzt wird.
Autoren:
Dr.-Ing. Thomas Artz (BfG)
Herbert Brockmann (BfG)
Hendrik Hampe (BMVI)
Dr. Dieter Willersinn (Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung)