Niedrigwasser, Aufholjagd, dann Corona: Der Stuttgarter Hafen erlebte zuletzt ein Wechselbad der Gefühle. Doch entmutigen lässt man sich nicht, Investitionen werden wie geplant umgesetzt, sagt Hafenchef Carsten Strähle
Der Hafen in Stuttgart hat sich mit den Lockerungen in der Coronakrise zur Opernbühne gemausert. Auf dem Wasser brachten Musiker des Staatstheaters auf Pontons und Schleppern die Operetten »Die Blume von Hawaii« und »Trouble in Haiti« zur Aufführung, die 99 zugelassenen Zuschauer folgten der Vorstellung auf Holzpaletten unter dem Dach einer Lagerhalle. Die jeweils drei Vorstellungen waren ausverkauft, das sonst oft am Rande der öffentlichen Wahrnehmung liegende Hafengelände wurde zur großen Bühne. »Das war für uns eine ganz neue, aber schöne Erfahrung«, sagt Hafenchef Carsten Strähle.
So wurde aus der Not, eine Tugend, für die Staatsoper ebenso wie für den kommunalen Hafen. Denn die Coronakrise hat natürlich auch um Baden-Württembergs Landeshauptstadt keinen Bogen gemacht.
Der Hafen in Stuttgart ist unumstritten die führende trimodale Verladeplattform für die Metropolregion und profitierte bislang von den starken Industriekunden im Ländle, vor allem von der Automobilindustrie. Seit mehr als zehn Jahren betreibt Daimler sein zentrales Versandlager auf dem Areal. Etwa ein Drittel der aus den Mercedes-Werken eintreffenden Motoren, Getriebe und Achsen werden per Binnenschiff und Bahn in die Seehäfen Rotterdam, Antwerpen oder Bremerhaven transportiert.
»Gerade in diesem Bereich haben wir starke Verluste«, räumt Stähle ein. Mercedes hat erst dieser Tage eine Verkürzung der Arbeitszeit verkündet, die üblichen Absatzmärkte hatten und haben unter der Coronakrise geschwächelt – mit Folgen für den Umschlag im Hafen.
Das Jahr 2019 war überaus erfolgreich war mit einer geglückten Aufholjagd nach den Niedrigwasser-Einbrüchen des Vorjahres. Es gab einen Rekorderlös in Höhe von 6,5 Mio. € und einen erstarkten Schiffsumschlag. Knapp 1,2 Mio. t an Gütern gingen aufs Binnenschiff, das war eine Steigerung um satte 56% gegenüber 2018. Durch die Coronakrise aber zeigt die Tendenz wieder abwärts.
Zwar konnte die angekündigte Kürzung der Betriebszeiten an den Neckarschleusen verhindert werden, Einschränkungen gab es nur nachts. Im Containerumschlag an den zwei Terminals gibt es bislang einen schmerzhaften Rückgang von -30% gegenüber dem Vorjahr, auf alle Güterarten bezogen waren es -14%. Aufs Gesamtjahr hochgerechnet, würde das über die Kaikanten auf Schiffe verladene Volumen wieder unter die Marke von 1 Mio. t rutschen, bei der Bahn wären bei Einbußen von bislang -10% die zuletzt erzielten 2Mio. t im Jahresumschlag nicht mehr zu schaffen.
»Wir hoffen noch auf starke Monate während des verbleibenden Jahresverlaufs«, sagt Strähle. Die Frage sei, wann die und wie stark die Konjunktur wieder ansteigt. Vor allem dürfe es keinen zweiten flächendeckenden Lockdown geben. Entmutigen lässt er sich nicht. »Wir werden nicht in die Krise reinsparen«, sagt Stuttgarts Hafenchef Carsten Strähle. Zwischen 1 Mio. € und 2 Mio. € investiert die kommunale Gesellschaft, die ihre wesentlichen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus dem Betrieb der Hafenbahn bezieht, jedes Jahr in die Wartung und Erneuerung der Infrastruktur.
In diesem Jahr ist das Geld vornehmlich für einen durchgehend zwei- bis dreigleisigen Ausbau der Schienen entlang der Kaianlagen für 740 m lange Ganzzüge vorgesehen. Für 2020 sind 1,5 Mio. € geplant. »Daran halten wir fest«, so Strähle. Auch das 2015 von DP World übernommene Containerterminal wird weiter nach Plan ausgebaut. Rund 10.000 m2 an Fläche kommen hinzu, um den Umschlag in den kommenden Jahren möglich zu steigern.
Insgesamt haben sich im rund 100 ha großen Hafengebiet mehr als 50 Unternehmen niedergelassen, die insgesamt rund 3.000 Mitarbeiter beschäftigen. Andere Maßnahmen zur Krisenabwehr wie eine Stundung der Mieten und Pachten seien bislang nicht nötig gewesen, berichtet Strähle. Die Hafenverwaltung selbst hat wie viele andere auch das »mobile Arbeiten« ausgebaut. »Damit haben wir aber schon lange vor Corona angefangen«, so der Hafenchef. Auch um Studenten und Auszubildende kümmert man sich weiter, um die Möglichkeiten einer trimodalen Logistik an den Nachwuchs zu vermitteln. Weil Besuche im Hafen nicht möglich waren, geschah vorübergehend vieles »virtuell« in Form von Online-Vorträgen. »Auch das war sehr erfolgreich.«
Krischan Förster