Im Gegensatz zu den Seeschiffwerften in Mecklenburg-Vorpommern, die durchweg in Kurzarbeit getreten sind und gegenwärtig nicht produzieren, geht es den Binnenwerften und ihren Dienstleistern im Osten Deutschlands deutlich besser
Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind die Binnenwerften von Elbe bis Oder fast alle bis zum Jahresende mit Aufträgen ausgelastet. »Ein Teil unserer Tangermünder Belegschaft stellt in Bremen das Fischereiaufsichtsschiff ›Neptun‹ fertig, das wir wegen des im April einsetzenden Niedrigwassers schnell zu Wasser lassen mussten, damit wir das Schiff noch übers Kanalgebiet nach Bremen bringen konnten. Hier in Tangermünde bauen wir das Schwimmgreiferschiff ›Wesergrun‹ fertig, das wir im Oktober vorigen Jahres auf Kiel legten«, berichtet Olaf Deter, Geschäftsführer der SET-Werften. In Genthin, sagt Deter, gebe es durch die günstige Lage der Werft am Elbe-Havel-Kanal ein hohes Reparaturaufkommen, weshalb einige Kollegen aus Tangermünde dort arbeiten. Ebenso seien die Leiharbeiter, die in Genthin beschäftigt sind, bisher nicht von Kurzarbeit betroffen, und es habe auch keine Entlassungen gegeben. Für neue Aufträge habe man Angebote auf Ausschreibungen abgegeben.
Schiffbau im Jerichower Land läuft
Der Landkreis Jerichower Land (Kreisstadt Burg bei Magdeburg) beherbergt die Schiffswerften SET Genthin, Schiffswerft Hermann Barthel an der Elbe und die Schiffswerft Bolle am Pareyer Verbindungskanal sowie als Dienstleister in Roßdorf bei Genthin die Industrieelektronik und -automation (IEA).
Alle drei Werften und auch die IEA sind private Ausgliederungen aus den ehemaligen Deutschen Binnenwerften, Werft Genthin, und haben sich erfolgreich in der Marktwirtschaft etabliert.
»Wir haben Vollbeschäftigung. Das Hauptaugenmerk gehört der ›Elektra‹, dem ersten wasserstoffbetriebenen Schubschiff, das im kommenden Jahr in Dienst gehen wird«, sagt Hermann Barthel, Chef der gleichnamigen Schiffswerft.
Seine weiteren Aufträge sind als Neubauten ein Trainingsboot für die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) an der Ostsee und ein Boot für die Wasserschutzpolizei Sachsen-Anhalt.
Sein Nachbar ist die Schiffswerft Bolle. Geschäftsführer Mario Bolle berichtet davon, dass das Arbeits- und Aufsichtsschiff »Emmerich« kurz vor der Abnahme steht und dann die Überführungsfahrt in die gleichnamige Stadt Richtung Rhein antreten soll.
Ein weiterer Elektro-Katamaran befindet sich im Bau. Es ist ein Prototyp der »Bella Bohemia« (siehe BS 12/19, S. 36-37), die in Prag so gut angenommen wurde, dass der Kunde »Prague Boots« einen weiteren, aber größeren Elektro-Katamaran beauftragt hat.
»Zu Corona-Zeiten haben wir keine Kurzarbeit angemeldet und arbeiten unsere Aufträge ab, fiebern aber natürlich mit unseren Kunden und Partnern mit und versuchen sie auf allen uns möglichen Wegen zu unterstützen«, so Bolle. »Es befinden sich einige Aufträge im Vorlauf, so dass wir positiv in die Zukunft schauen.« Darüber hinaus sei die neue Schiffbauhalle kurz vor der Fertigstellung, Mitte August soll die Produktion dort beginnen. Die Halle ist voll isoliert und beheizbar.
Die Kiebitzberg Schiffswerft in Havelberg hatte nach den beiden Solarschiffen für die Berliner Stern und Kreisschiffahrt ein ähnliches für eine österreichische Reederei begonnen, dessen Bau wegen Covid-19 aber eingestellt werden musste, da die Schiffe der Reederei stillgelegt worden waren und keine Einnahmen mehr brachten. Werftchef Andreas Lewerken bleibt aber weiter optimistisch, hat er doch den Auftrag erhalten, die Elbfähre von Sandau für 0,5Mio. € einer Grundsanierung und Neumotorisierung zu unterziehen. Außerdem liegt das Fahrgastschiff »Poseidon« eines privaten Reeders an der Werft, das ebenfalls eine Auffrischung bekommt. Mit diesen Aufträgen werde er über das Jahr kommen und derweilen neue einwerben.
Die Hegemann-Werft in Berlin-Spandau hat ein auskömmliches Reparaturgeschäft und ist selbst damit beschäftigt, ihre Werft auf das künftige Umbau- und Modernisierungsprogramm für die Elektrifizierung der Stern- und-Kreis-Flotte herzurichten.
Die Werft Malz am Oder-Havel-Kanal bei Oranienburg hat sich hauptsächlich auf die Modernisierung und den dafür erforderlichen Umbau von Arbeits- und Behördenschiffen spezialisiert.
»Wir sind mit öffentlichen Aufträgen von Wasser- und Schifffahrtsämtern erstmal bis zum Jahresende ausgelastet und beteiligen uns an deren Ausschreibungen, so Werft-Geschäftsführer Ralf Loerke. »Wir rechnen auch damit, dass wir einige Partikuliere über den Winter bekommen, die Reparaturen ausführen lassen.« Sorge bereite ihm aber, dass vermutlich – im Vergleich zu vorherigen Wintern – weniger Fahrgastschiffe kommen werden. Loerke begründet dies mit der verkürzten Saison, da die Schiffe lange Zeit wegen der Coronapandemie nicht fahren durften. Deshalb seien kaum Reparaturen zu erwarten. Kurzarbeit habe er bisher nicht anmelden müssen. Er hofft, »dass wir es auch künftig nicht nötig haben werden, wenn die öffentliche Hand uns mit Aufträgen unterstützt.«
NOW liefert Schwimmgreifer ab
Die Neue Oderwerft (NOW) in Eisenhüttenstadt hat in der 30. Kalenderwoche ein Schwimmgreiferschiff für die Weser fertiggestellt und es mit einem Schubboot der Wasserbaufirma Kulle aus Eisenhüttenstadt zur Weser bringen lassen. Auch bei NOW gibt es nach Auskunft von Werftchefin Elke Ruchatz keine Kurzarbeit, weil die Aufträge bis über den Jahreswechsel reichen. Dazu gehören eine Klappschute für das WSA Lauenburg und eine weitere Bauhütte. Für die Vorbereitung auf einen eventuellen Eisbruch auf der Oder im Winter sind die Oder-Eisbrecher »Hohensaaten«, »Usedom« und »Kietz« bereits auf der Werft und werden winterbereit gemacht. Auf Reparaturen an anderen Schiffen sei man ebenfalls gut eingerichtet, heißt es.
Auch Dienstleister sind ausgelastet
Wichtige Dienstleister für die ostdeutschen Werften sind im Bereich der Schiffselektrik und –elektronik Engel und Meier, Mohrs und Hoppe (beide in Berlin) und die bereits erwähnte IEA in Roßdorf bei Genthin. E+M-Geschäftsführer Uwe Borchert verrät, dass sein Unternehmen zu Anfang der Coronakrise Umsatzeinbußen gehabt habe. Weil aber immer noch genügend Arbeit anfalle, habe auch er keine verkürzten Arbeitszeiten anmelden müssen. Obendrein erhole sich langsam die Konjunktur wieder. Es seien aber Überstunden abgebaut worden.
Auch der Service laufe inzwischen wieder besser. Man merke eine Erholung in der Branche. Borchert hofft, dass es weiter aufwärts geht. Ähnlich sieht das auch die Firma Mohrs und Hoppe. Ihre Auftragslage ist gut, aber man sieht einen Auftragsrückgang bei der Fahrgastschifffahrt, weil die Schiffe stillliegen.
Ähnlich wie E+M hatte auch die IEA anfänglich einen Umsatzeinbruch, weil ZF-Getriebe seine Brandenburger Niederlassung zu Beginn der Coronakrise geschlossen hatte und IEA als deren Dienstleister keine Aufträge mehr hatte. Geschäftsführer Andreas Plancke sagt, dass man sich bereits aus der Kurzarbeit durch Fördermittel befreit habe und alles wieder aufwärts gehe. Hilfreich sei auch, dass er bei den Werften Bolle, Barthel und Kiebitzberg eine gesicherte Auftragslage habe.
Christian Knoll