Aus dem »Scheepsmotoren Event 2020« ist wegen der Coronapandemie ein auf drei Tage verteiltes Webinar geworden. Trotz Corona-Beschränkungen konnte so eine Übersicht über den Stand der Dinge bei Motoren geben werden
Erst vor wenigen Wochen war Dirk van der Meulen, langjähriger Chefredakteur der Zeitung Schuttevaer, in den Ruhestand gegangen. Für das Webinar Mitte Juni wurde er reaktiviert, um gemeinsam mit Tobias Pieffers, Redakteur von Schuttevaer, die Moderation des »Scheepsmotoren Events 2020« zu übernehmen. Ursprünglich war die Veranstaltung im März von Schuttevaer und SWZ, beides maritime Fachorgane in den Niederlanden, als kleiner Kongress mit Ausstellung geplant gewesen.
Mit Gesprächspartnern im virtuellen Studio und weiteren Experten, die online zugeschaltet wurden, konnten sich die mehr als 100 Teilnehmer umfassend über aktuelle Entwicklungen der Motorenwelt informieren. Fragen zum »Green Deal«, den die niederländische Regierung mit der Binnenschifffahrt vereinbart hat, Aspekte von Emissionsminderungen im Bestand und bei neuen Motoren sowie Entwicklungen bei den Kraftstoffen standen dabei im Mittelpunkt.
Die Auftaktfrage, wie Akteure in der Binnenschifffahrt die Bemühungen um mehr »vergroening« sehen, überraschte mit ihren Antworten nicht. Mehr als 91% der Befragten sahen das als Chance, der Rest als Verpflichtung oder gar Bedrohung. Selbst wenn die Antworten nicht repräsentativ sind, geben sie doch ein Signal an die gesamte Branche.
Die kommenden Jahre der niederländischen Binnenschifffahrt dürften von dem mit dem Staat vereinbarten »Green Deal« geprägt sein. In dieser Vereinbarung, die Dominic Schrijer als Vorsitzender von BLN-Schuttevaer vorstellte, geht es um signifikante Emissionsreduzierungen. Demnach sollen die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 bis 50% gesenkt werden. Die NOx- und Partikelemissionen sollen bis 2035 um 35 bis 50% reduziert werden. Bis 2050 soll die Binnenschifffahrt klimaneutral sein.
Schrijer betonte, dazu müsse es die passenden Finanzierungen geben. Erforderlich sei zudem eine Einbeziehung der Verlader und Befrachter. Mit welchen Technologien die Ziele des Green Deal erreicht werden sollen, ist offen.
Die Binnenschifffahrt »grüner« zu machen, wird viel Geld kosten«, ist sich Ruud Verbeek, Senior Technical Consultant bei TNO, sicher. Verbeek betrachtete die Eigenschaften verschiedener Kraftstoffe und Energieträger. Ob ein »alternativer« Kraftstoff eine praktikable Option sei, hänge nicht nur von der Wirtschaftlichkeit ab, sondern auch von den Umweltauswirkungen, der praktischen Anwendung und der Sicherheit.
Alles in allem könne man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ein Wechsel zu einem anderen Kraftstoff nicht billig sei. Zusätzliche Kosten dafür könnten jedoch aus einem europäischen Engagement bezahlt werden. Ein großer Teil der Kosten sei dann auf den gesamten Dieselpool umzulegen. Für den Straßenverkehr sei dies bereits der Fall, für die Binnenschifffahrt jedoch noch nicht. Nach der Richtlinie über erneuerbare Energien seien die Ölgesellschaften verpflichtet, eine bestimmte Menge Biokraftstoff zu liefern. »Alle neuen, alternativen Kraftstoffe könnten unter eine solche Verpflichtung fallen«, sagt Verbeek.
Er fügte hinzu, dass sich das niederländische Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft bereits damit befasse. Es sollte jedoch eine europäische Lösung geben, um gleiche Wettbewerbsbedingungen in den verschiedenen europäischen Ländern zu gewährleisten.
Engpass für Biokraftstoffe?
Verbeek erwartet, dass es ab 2030 einen Mangel an Biokraftstoffen geben wird, da »auch andere Industrien wie die Chemiebranche Biomasse als Ressource nutzen wollen.« Man stehe daher vor der großen Herausforderung, alle Sektoren ausreichend mit Biokraftstoffen zu versorgen. »Deshalb müssen wir zu E-Kraftstoffen oder synthetischen Kraftstoffen übergehen. Dies wird jedoch Jahrzehnte dauern, denn sie werden eine enorme Kapazität aufbauen müssen«, klärt Verbeek.
»Die Klimaziele der Motorenhersteller ändern sich durch die Korona-Krise nicht, sie verzögern sich«, war das Mantra von Michel Voorwinde, dem Direktor des Verbandes der Importeure von Verbrennungsmotoren (VIV).
Die Einführung der Stufe V gehe weiter. Die Übergangsregelung laufe nächstes Jahr aus, so Voorwinde, der die Entwicklungen im Zusammenhang mit der Zertifizierung der Stufe V erörterte. Unter 560 kW seien bereits verschiedene Motoren der Stufe V verfügbar. In den meisten Fällen handele es sich um marinisierte Industrie- oder Lkw-Motoren. Oft aber seien schwerere Motoren nötig.
»Um hier voranzukommen, arbeitet Caterpillar an der Zertifizierung seiner Motoren nach Stufe V. Koedood treibt die Zertifizierung von Mitsubishi-Motoren voran. In Belgien ist ABC dabei, die Zertifizierung der Stufe V abzuschließen«, skizzierte Voorwinde den Entwicklungsstand. »Aber es endet nicht mit Phase V«, warnte er.
Stufe V biete eine Lösung für Feinstaub und NOx, aber nicht für CO2. »Wenn man fossilen Brennstoff in einen Verbrennungsmotor gibt, wird CO2 freigesetzt. Da müssen wir etwas anderes finden, dann brauchen wir einen anderen Brennstoff«, heiße die Erkenntnis.
Längerfristig sei der Umstieg auf synthetische Kraftstoffe eine Option. Sie führten der Atmosphäre kein CO2 zu und würden mit Hilfe von Elektrizität aus CO2 und Wasserstoff hergestellt. Kurzfristig, so sein Plazet, seien pflanzliche Brennstoffe, insbesondere HVO (hydrierte Pflanzenöle), eine Möglichkeit. Die könnten bis zu 50% mit Gasöl gemischt werden. Diese Mischung entspreche nahezu den E590-Spezifikationen und werde von jedem Motor akzeptiert.
Wenn die Produktion von synthetischem Kraftstoff und grünem Wasserstoff in Betrieb gehe, könne man darauf umsteigen. Die Idee sei, dann Methanol und/oder DME als Brennstoff zu verwenden. Beide können, mit geringfügigen Modifikationen bei den derzeitigen Dieselmotoren, verwendet werden. »Dann kann der Schiffsführer seinen Dieselmotor behalten und mit einem Motor der Stufe V alle Klimaziele und Umweltstandards erfüllen«, so der Motoren-Spezialist.
Elektroantrieb und Wasserstoff seien in vielen Fällen keine gute Alternative für die Schifffahrt. Methanol gelte derzeit noch als gefährlicher Kraftstoff und müsse daher in doppelwandigen Tanks gelagert werden. Aber ein Binnenschifffahrtsunternehmen arbeite daran und betreibe einen Motor mit Methanol.
Wasserstoffbasierte Lösungen
Ein Durchbruch, LNG mit einem weiteren Schritt zu Bio-LNG zu entwickeln, sei in der Binnenschifffahrt nicht mehr zu erwarten. LNG werde sich in der Seeschifffahrt weiter durchsetzen, wo es direkt von Schiff zu Schiff gebunkert werden könne. In der Binnenschifffahrt seien die Kosten für eine LNG-Anlage zu hoch, der Preisunterschied zum Dieselöl zu gering. Die Binnenschifffahrt scheine bereit für Lösungen auf Wasserstoff-Basis.
Welcher Stand der Technik sich erreichen lässt, machte Sebastian van der Meer, Direktor von Sendo Shipping, deutlich. Der von Concordia Damen gebaute Sendo Liner basiert auf einem modularen System. »Niedriger Kraftstoffverbrauch in Kombination mit einer leicht anpassbaren modularen Struktur machen diese elektrisch angetriebenen Schiffe zukunftssicher«, so van der Meer: »Wasserstoff, Batterien, Generatoren, alles ist möglich.«
Die »Sendo Mare« (122,75m x 14,20m, 5.120t) ist mit zwei 600 kW-Generatoren ausgestattet, was einem Drittel der durchschnittlichen installierten Leistung von Schiffen dieser Größe entspricht. »Wir haben diesen Entwurf und das Konzept von Anfang an überprüft und sind vom Prinzip ausgegangen, was nicht da ist, muss man nicht nachhaltiger machen und verbraucht keine Energie«, so der Firmenchef. Dies führe zu Energieeinsparungen von 35 bis 40% pro Tonnenkilometer. Darüber hinaus spiele die verbesserte Rumpfform in Kombination mit den auf elektrischen Antrieb und Entwurfsgeschwindigkeit optimierten Propellern eine wichtige Rolle. »Der CO2-Fußabdruck erfüllt somit bereits die Ziele für die Zeit nach 2030«, konstatiert van der Meer. Ein eingebautes Ballastsystem ermögliche es, mit der »Sendo Mare« mit vier Containerlagen über den Amsterdam-Rijn-Kanal zu fahren. In 14 Ballasttanks könnten 1.800m³ Wasser untergebracht werden.
Der Entwurfsprozess habe drei Jahre gedauert, herausgekommen sei ein teures Schiff, so van de Meer. Aber wenn man den geringen Kraftstoffverbrauch, die lange Lebensdauer, die langfristige Zusammenarbeit mit den Kunden und den Rabatt auf die Hafengebühren (ca. 10.000€ pro Jahr) betrachte, werde daraus ein realisierbares Konzept.
Dieses eigne sich auch für den Oberlauf von Flüssen. »Vielleicht müssen Sie dann stärkere Elektromotoren nehmen, aber mit dem modularen Konzept ist das kein Problem. Und selbst mit der derzeitigen Konfiguration kommen wir bei starker Gegenströmung gut voran, zudem ist das Schiff für Niedrigwasser geeignet«, so der Entwickler.
Riemer und Géke Kingma haben im vergangenen Jahr ihren Koppelverband »Maranta/Maranta 2« (172 x 11,40m, 5.000t) mit neuen 3512E Caterpillars mit SCR-Katalysatoren und Rußfiltern von Fischer Abgastechnik ausgestattet. Auf dem Webinar teilte Kingma seine Erfahrungen mit den neuen Stufe-V-kompatiblen Motoren per Videoschalte von seinem Schiff aus mit.
Die von Dolderman installierten EPA Tier IV-zertifizierten Motoren ersetzten zwei CCR 0-Motoren von Caterpillar desselben Typs, die 120.000 Betriebsstunden auf dem Zähler hatten und noch immer liefen. »Wir sind mit den neuen Motoren zufrieden. Wir sind jetzt 3.500 Stunden mit ihnen gefahren, der Auspuff ist innen noch völlig sauber«, sagte Kingma. Wenn genügend Harnstoff im Urea-Tank vorhanden sei, funktioniere es gut. Nach 4.000 bis 5.000 Stunden müssten die Harnstoffblöcke einmal gereinigt werden, der Abgasgegendruck liege immer noch weit innerhalb der Vorgaben. Während in den Niederlanden Harnstoff leicht zu bekommen sei, gebe es in Deutschland bislang nur eine Bunkerstation, die Harnstoff verkaufe und manchmal müsse man 1.000km fahren um ihn zu besorgen, klagte der Binnenschiffer.
Obwohl die CCR-2-Motoren wesentlich billiger gewesen wären, hätten sich die Kingmas für Stufe V-kompatible Motoren entschieden. »Ich denke, man muss vorausschauen und saubere Techniken wählen, sobald es möglich ist«, so Kingma.
Die Kingmas haben das Repowering vollkommen selbst finanziert, ohne Zuschüsse oder Subventionen. Auch die Verlader oder Befrachter für die sie fahren, würden für den saubereren Transport nichts extra zahlen. »Wir sind in dieser Hinsicht auf dem falschen Markt. Wir fahren Kohle und Getreide, und in diesem Bereich geht die Arbeit an den billigsten Anbieter«, klagt der Schiffer ein wenig.
Für das Repowering hätten sie sich auch nach elektrischen Antrieben umgesehen. Das sei aber keine wirkliche Option gewesen. »Das führte zu noch höheren Kosten. Elektrisch oder diesel-elektrisch ist schön für Schiffe, die eine feste Route fahren, aber für längere Strecken bergauf mit hohem Gasölverbrauch ist es keine Option. Dann ist unsere Lösung die sauberste mögliche Technologie«, ist Kingma überzeugt.
Ein Minuspunkt sei allenfalls die lange Dauer des Repowerings gewesen. Aus den geplanten acht Wochen seien 14 geworden. »Das war ein Rückschlag. Wir waren das erste Schiff, das die neuen Caterpillars installierte, und dann noch mit Rußfiltern. Aber wir haben uns gut geschlagen«, so sein Fazit. Man habe die eigenen Verluste hingenommen, ebenso wie die Installateure, die ebenfalls Mehrkosten auf sich genommen hätten, jeder für seinen Teil. »Alle haben eine Menge daraus gelernt«, bekannte Kingma.
In weiteren Präsentationen ging es um die Herausforderungen der Stage-V-Zertifizierung, die insofern nicht mehr als unüberwindbare Hürde angesehen wird. Stenn Hertgers von NPS Diesel erläuterte, wie die Marinisierung von Lkw-Motoren erfolgt und welcher Erfolg bei der Verwendung in Binnenschiffen daraus resultierte.
Zusammenfassend zeigt sich derzeit eine äußerst vielfältige Situation in der Entwicklung. Klare Tendenzen sind weder in der Entwicklung der Motorentechnik mit den Nachbehandlungssystemen noch in der Verwendung alternativer Kraftstoffe erkennbar. Insofern bleibt, die Entwicklungen abzuwarten.
Hermann Garrelmann