Tankschiffstransporte, Ladungsschäden und CDNI

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Tankschiffstransporte sind ein außerordentlich bedeutender, vielleicht der wirtschaftlich bedeutendste Teil der europäischen Binnenschifffahrt. Transportiert werden Produkte der unterschiedlichsten Art, von Lebensmitteln über Chemikalien, wie Säuren oder Flüssigdünger, bis hin zu Mineralölprodukten oder Schwerölen, die erst bei Temperaturen von über 200° C flüssig werden und deshalb während des Transportes geheizt werden müssen.

Abgesehen von Spezialschiffen, die nur für ganz bestimmte Produkte eingesetzt werden, wird allgemein inzwischen »weißen« Produkten und »schwarzen« Produkten unterschieden. Ersteres sind in erster Linie Produkte für die chemische Industrie oder Landwirtschaft, letzteres sind im Wesentlichen Mineralölprodukte.

1.

Tankmotorschiffe sind sehr häufig auf höchstem technischem Niveau ausgerüstet und unterliegen einer sehr strengen Kontrolle unter anderem im Rahmen des ADN. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich Doppelhüllenschiffe zum Standard entwickelt, während früher Einhüllenschiffe die Regel waren. Durch das hohe technische Niveau der Tankschifffahrt sind Gewässerverunreinigungen verursacht durch Tankmotorschiffe außerordentlich selten geworden.

In aller Regel sind Tankmotorschiffe geeignet und dafür vorgesehen, im Rahmen der weißen oder schwarzen Produkte die unterschiedlichsten Stoffe zu transportieren. Deshalb kommt es bei Tankschifftransporten regelmäßig zu Produktwechseln. Produktwechsel sind deshalb grundsätzlich zunächst unproblematisch, weil erstens sehr viele Flüssigprodukte untereinander kompatibel sind und zweitens weil die Tanks von Tankmotorschiffen ein so großes Volumen haben, dass die benetzte Fläche an den Tankwänden, Boden und Decken sowie Leitungen im Verhältnis zum transportierten Volumen verhältnismäßig klein ist. Dennoch birgt natürlich grundsätzlich jeder Produktwechsel das Risiko einer schädlichen Produktveränderung im Obhutszeitraum, wofür der Frachtführer im Rahmen der nationalen transportrechtlichen Vorschriften und im Rahmen des CMNI bei internationalen Transporten (bei Vermeidbarkeit) haftet, nach deutschem Recht (§ 426 HGB) für größtmögliche Sorgfalt, bei internationalen Transporten (Art. 16 I CMNI) für die einfache Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers.

Während der Frachtführer grundsätzlich nur für eine betriebssichere Verladung zu sorgen hat, also für eine Verladung, die die Sicherheit des Schiffes nicht beeinträchtigt, hat der Absender als Warenfachmann die Verpflichtung, für eine beförderungssichere Verladung zu sorgen, also für eine Verladung, die keine Gefahr für das zu transportierende Produkt verursacht (dazu v.Waldstein/Holland, Binnenschiffahrtsrecht, 5. Auflage, § 412 HGB RN 2).

2.

Kommt es zu Produktwechseln mit nicht oder nicht vollständig kompatiblen Produkten, müssen die Tanks eines Schiffes für den Transport vorbereitet sein. Die einfachste Form der Vorbereitung ist die Gestellung eines leeren Schiffes. »Leer« ist aber ein auslegungsbedürftiger Begriff. Leer bedeutet im umgangssprachlichen Sinne, dass ein Behältnis den Stoff nicht enthält, für dessen Aufnahme es bestimmt ist. Wird ein Tankschiff gelöscht, also die zu transportierende Ladung an den Empfänger übergeben, ist es nicht mehr beladen, sondern »leer«. Es verbleiben im leeren Schiff umschlagstechnisch zwingend regelmäßig Restmengen. Um diese zu reduzieren, hat man Effizienz-Stripping-Systeme entwickelt, die selbst bei sehr großen Tankvolumen nur wenige Liter Produkt im Tank zurücklassen. Dennoch sind natürlich Boden und Wände in der Regel noch mit Ladungsrückständen behaftet, die auch bei einem sorgfältigen Löschen unter Effizienz-Stripping im Tank zurückbleiben. Der Reinheitsgrad (Entladungstandard) ist dann »Ladetank nachgelenzt« iSd Art. 7.02 I Satz 2 iVm 5.01 lit. g CDNI Anlage 2 Die Umschlagleitungen und Pumpen im Schiff werden durch das sogenannte »Luft-Geben« möglichst effizient leergestellt. Dazu wird in den Leitungen ein Unterdruck erzeugt. Beim plötzlichen Öffnen der Leitung wird die in den Leitungen befindliche Luft schnell herausgesaugt und reißt Anhaftungen an den Wänden mit. Dennoch ist ein leeres oder nachgelenztes Tankschiff nicht frei von Ladungsrückständen. Auch in den Umschlagseinrichtungen an Land und im Schiff bleiben naturgemäß Ladungsrückstände haften.

3.

Um einen höheren Reinheitsgrad zu erreichen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Es gibt spezialisierte Fachbetriebe, die in der Lage sind, die Tanks von Schiffen mit heißem Wasser oder Dampf auszuspritzen. Dieser Vorgang wird in der Schifffahrt »Buttern« genannt, da der Entwickler dieser Technik Butterworth Inc. in Texas ist. Diese Spezialbetriebe sind auch ausgerüstet und in der Lage, das naturgemäß kontaminierte Waschwasser umweltgerecht zu entsorgen. Das Buttern eines Tankschiffes kann leicht Kosten von 5.000,00 bis 6.000,00 zuzüglich Anfahrtskosten verursachen.

Eine weitere zulässige Reinigungsmethode ist das Entgasen. Wird zum Beispiel nach Benzin-Diesel transportiert, dann besteht die Gefahr eine Flammpunktveränderung, wenn Benzinreste im Schiff vorhanden sind. Dem kann man entgegenwirken, in dem die Räume eines Tankschiffes durch große aufgesetzte Lüfter entgast werden. Dieser Vorgang führt naturgemäß dazu, dass Kohlenwasserstoffe in die Atmosphäre gelangen.

4.

Es ist ein bemerkenswerter und erfreulicher Teil der Vereinheitlichung des Binnenschifffahrtsrechtes in Europa, dass im Jahre 1996 in Straßburg von den Rheinanliegerstaaten das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) unterzeichnet wurde, das durch die Zentralkommission der Rheinschifffahrt vorbereitet worden war. Dieses Übereinkommen ist am 1. November 2009 in Kraft getreten und im Jahre 2018 das letzte Mal revidiert worden.

Das Übereinkommen dient erklärtermaßen der Abfallvermeidung und umweltgerechten Beseitigung oder Verwertung von Ladungsresten und Abfällen im Interesse des Umweltschutzes. Man kann sich bei Produktresten durchaus die Frage stellen, ob es sich zwangsläufig um Abfall handelt. Unvermeidbar an Bord zurückbleibende Reste von Diesel oder Gasöl sind in der Regel noch brauchbare und werthaltige Produkte, so dass es auch unter Umweltgesichtspunkten sinnvoller erscheint, dass der Schiffsführer den Diesel in sein Auto gibt oder das Gasöl in den Tank seines Schiffes, statt es kostenpflichtig entsorgen zu lassen (dazu Fischer, Wem gehört der Rest der Ladung? Probleme des Binnenschifffahrtsrechts X, 2004). Unbeschadet dessen haben die Bestimmungen des CDNI jedoch (mindestens mittelbar) auch Bedeutung für die vertraglichen Beziehungen zwischen Absender und Frachtführer beim Transport von flüssigen Produkten. Die wechselseitigen Pflichten des Frachtführers einerseits und des »Befrachters« (besser wäre: Absender) und Ladungsempfänger andererseits beim Laden und Löschen sind in den Artikeln 7.01-7.07 (der Anlage 2 zum) CDNI geregelt. Die oben exemplarisch beschriebenen Verfahren zur Reinigung von Tanks haben zwangsläufig immer auch die Konsequenz, dass Stoffe emittiert werden oder anfallen, die umweltgerecht zu entsorgen sind. Daneben dürfte auch für frachtvertragliche Beziehungen von Bedeutung sein, dass es im allgemeinen Interesse liegt, das Entstehen von Abfällen zu vermeiden.

Aus diesem Gesichtspunkt heraus kann man die Bestimmungen des CDNI durchaus heranziehen für die Beurteilung der frachtrechtlichen Pflichtenverteilung und der Haftung für Güterschäden zum Beispiel durch Verunreinigung des Produktes bei Tankschiffstransporten und in zweiter Ebene für die Frage, wer gegebenenfalls für die Kosten der Restmengen- und Abfallvermeidung und/oder notwendige Reinigungskosten beim Produktwechsel aufzukommen hat. Ausdrücklich schränkt das CDNI in Artikel 7.07 f die Vertragsautonomie unter den Parteien des Transportvertrages hinsichtlich der Pflichten beim Umschlag ein. Insbesondere ist eine Verlagerung der Absenderverpflichtungen auf den Frachtführer unzulässig.

5.

Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers ist der Absender eines Frachtvertrages als Warenfachmann dafür verantwortlich, ein Transportmittel für seine Produkte auszuwählen, das den spezifischen Eigenschaften des Produktes gerecht wird. Der Frachtführer als Transportfachmann dagegen hat in der Regel keine spezifischen Kenntnisse über die Produkteigenschaften. Grundsätzlich ist es ihm egal, welche Produkte in seinem Schiff transportiert werden, solange das Schiff oder zum Beispiel das Coating seiner Tanks nicht gefährdet werden.

Um die Unversehrtheit des zu transportierenden Produktes sicherzustellen, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Handelt es sich um Einheitstransporte i.S.d. Artikels 5.01 a) Anlage 2 CDNI, also um den aufeinanderfolgenden Transport von uneingeschränkt kompatiblen Produkten, reicht es, wenn ein leeres Schiff vorgelegt wird. Reinigungsmaßnahmen oder gar Entgasungsmaßnahmen sind nicht notwendig, noch nicht einmal efficient stripping. Deshalb ist es in der Tankschifffahrt üblich, dass der Frachtführer bei Abschluss des Frachtvertrages angibt, welche Produkte er auf den Vorreisen, in der Regel den letzten drei Vorreisen, transportiert hat. Der Absender überprüft, ob diese Produkte mit dem von ihm anzudienenden Produkt kompatibel sind oder nicht. Will der Absender aggressive Produkte zum Transport geben, dann hat er den Frachtführer darauf hinzuweisen, dass das Schiff bestimmte Eigenschaften aufweisen muss. So gibt es zum Beispiel Produkte, die sich nur in Edelstahltanks transportieren lassen, da gecoatete Tanks durch die Aggressivität des Produktes geschädigt werden. Es gibt aber auch Produkte, die schon bei minimalen Einträgen von Fremdstoffen Schaden erleiden können. Am spektakulärsten ist dies bei Ethanol. Es gibt Ethanol in Industriequalität und in Lebensmittelqualität. Alkohole haben die Eigenschaft, dass sie sehr effizient Aromastoffe aufnehmen, was Auswirkungen auf die Farbe, die Klarheit und vor allem den Geruch des Produktes haben kann. Bei Lebensmittelalkohol zum Beispiel gibt es daher einen sogenannten olfaktorischen Test. Es gibt Experten, Surveyor, die in der Lage sind, durch eine Geruchsprobe oder den Vergleich mehrerer Produktproben festzustellen, ob sich der Geruch des zu transportierenden Lebensmittelethanols verändert hat in einer Weise, die die Vermarktung als Lebensmittelalkohol unmöglich macht. Das Besondere ist hier, dass der Eintrag von Fremdstoffen so geringfügig ist, dass er sich häufig chemisch nicht nachweisen lässt. In einer chemischen Analyse können zwei Proben absolut identisch sein, dennoch kann eine der beiden Proben einen Fremdgeruch aufweisen, der die Verwertung des Ethanol für Lebensmittelzwecke unmöglich macht.

Beim Transport von inkompatiblen Produkten (Artikel 5.01 a) aa) Anlage 2 zum CDNI) werden deshalb die Tanks eines zur Beladung vorgelegten Tankmotorschiffes häufig durch einen Surveyor im Auftrag des Absenders überprüft und gegebenenfalls freigegeben oder beanstandet. Dazu gehört auch die sogenannte first-foot-Probe, dabei wird eine kleinere Menge Produktes durch die Leitungen in den Tank gespült, dann wird dieses Produkt beprobt und erst freigegeben, falls die Probe unauffällig ist. Bei hochsensiblen Produkten, wie zum Beispiel Ethanol in Lebensmittelqualität kann es auch notwendig sein, die Tanks zu begehen. In Extremfällen kann auch ein sogenannter Wall-Wash-Test durchgeführt werden. Dazu wird Ethanol in Lebensmittelqualität an die Innenwand des Tanks gespritzt und olfaktorisch beprobt, ob von der Wand Fremdgeruch ausgeht.

6.

In Verkennung der oben geschilderten Tatsachen hat es – insbesondere in Deutschland – Gerichtsurteile gegeben, die es auch für die Tankschifffahrt zur Kardinalverpflichtung des Frachtführers gemacht haben, ein Schiff zur Verfügung zu stellen, das so sauber ist, dass Produktveränderungen in jedem Falle ausgeschlossen sind. Ist es nachweislich während des Obhutszeitraumes zu einer Produktveränderung gekommen, dann haben diese Gerichte das Schiff oder den Frachtführer dafür haftbar gehalten. Aus den oben dargelegten Gründen, greift diese Argumentation zu kurz und ist unsachgerecht.

Es dürfte wohl außer Frage stehen, dass die Vermeidung von Abfällen und der damit verbundenen Entsorgungslast im wirtschaftlichen und umweltpolitischen Interesse aller Transportbeteiligten steht. Deshalb haben unnötige Reinigungsmaßnahmen zu unterbleiben. Dieser Aspekt hat auch eine ökonomische Seite für die Vertragsparteien des Frachtvertrages, da der Transport in Einheitstransporten oder in der Folge von kompatiblen Produkten deshalb viel günstiger ist, weil keine Reinigungskosten oder Entgasungskosten entfallen. Ist ein Produktwechsel aber umgänglich, so ist genau zu überlegen, welche Maßnahmen tatsächlich notwendig sind und wer sie bezahlt. Da der Frachtführer in der Regel keine Kenntnisse über die chemische Beschaffenheit der ihm angedienten Produkte hat, hat der Gesetzgeber im HGB, CMNI und CDNI zur Recht die Produktverantwortung insoweit auf den Absender als Warenfachmann verlagert. Deshalb ist es Sache des Absenders, selbst zu entscheiden, welche Anforderungen er an den Reinheitsgrad eines Schiffes, die in CDNI Anlage 2 Artikel 5.01 b) bis k) legaldefiniert sind, stellt. Gegebenenfalls hat er vor oder im Vertragsabschluss deutlich zu machen, respektive zu vereinbaren, welche Reinigungsmaßnahmen für den Transport des Produktes erforderlich sind. Dabei werden die Vertragsparteien bei der Bemessung der Fracht oder bei der Vereinbarung der Vertragskonditionen auch die anfallenden Reinigungskosten berücksichtigen.

Kommt es zu einem Ladungsschaden, dann liegt nach richtiger Auffassung die Nachweispflicht für die Produktveränderung im Obhutszeitraum beim Absender. Liegt nachweisbar der Grund für die Veränderung in der Beschaffenheit und dem Reinheitsgrad des Tankschiffes, dann führt dies nicht per se zu einer Haftung des Frachtführers. Ob der Frachtführer wusste, welchen Reinheitsgrad sein Schiff haben muss und was er tun muss, um Kontamination zu vermeiden, hängt davon ab, welche Produktinformationen der Absender als Warenfachmann geliefert hat und welche Anforderungen er an die Reinheit des Schiffes stellt. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist nach (nationalem deutschen) Recht zu beurteilen, ob für den Frachtführer angesichts der oben beschriebenen Pflichtenverteilung auch bei größtmöglicher Sorgfalt iSd § 426 HGB der Schadenseintritt vermeidbar war oder nicht. Bei internationalen Transporten nach CMNI wird nur nach einfacher Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers iSd Artikels 16 I CMNI zu urteilen sein. (Es ist bedauerlich, dass es insoweit einen deutschen Sonderweg gibt, es wäre zu begrüßen, wenn die nationalen und die internationalen Vorschriften hier den gleichen Maßstab anlegen würden.)

Die im letzten Heft wiedergegebene Entscheidung des Handelsgerichts in Rotterdam (ZfB 2020, Sammlung Seite 2671 ff) ist ein gutes Beispiel für die Schwierigkeiten, die tatsächlichen Umstände im Zusammenhang mit einer Produktveränderung aufzuklären und die wechselseitigen Pflichten der Transportbeteiligten sachgerecht zu definieren.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main