Der Bund-Länder Koordinierungsausschuss »Ausbildungsordnungen/Rahmenlehrpläne« hat den Projektanträgen zur Neuordnung der Berufsausbildung in der Binnenschifffahrt zugestimmt, so dass das Verfahren nun starten kann.
Begonnen hatten die Überlegungen für eine Neuordnung bereits Anfang 2018. Viel Zeit und Diskussion war erforderlich, um letztendlich mit den beteiligten Gewerkschaftsvertretern von DGB und ver.di zu einem Kompromissvorschlag zu gelangen, auf dessen Basis die Anträge ausgearbeitet werden konnten. Wenn am Ende die Neuordnung wie geplant durchgeführt werden kann, wird Deutschland in der Ausbildung zukunftsorientiert und konkurrenzfähig aufgestellt sein.
Hintergrund der Richtlinie
Die Richtlinie Berufsqualifikationen regelt einheitliche Mindestvoraussetzungen für die Anerkennung der beruflichen Befähigungen in der Binnenschifffahrt. Sie unterscheidet die Betriebsebene (Matrose, Bootsmann, Steuermann) und die Führungsebene (Schiffsführer). Für beide Befähigungsstufen sind in Anhang I der Richtlinie die Anforderungen festgelegt. Sowohl für die Befähigungen der Betriebsebene als auch für den Schiffsführer stehen mehrere Varianten zur Auswahl, wie die Befähigung erlangt werden kann. Dies sind im wesentlichen jeweils ein Ausbildungsprogramm einschließlich Fahrzeit und Prüfung oder Fahrzeit und staatliche Prüfung oder Berufserfahrung und verkürztes Ausbildungsprogramm einschließlich Fahrzeit und Prüfung. Die Variante Ausbildungsprogramm einschließlich Fahrzeit und Prüfung ist diejenige, die in Deutschland derzeit mit der dualen Ausbildung zum Binnenschiffer abgedeckt wird.
Nach der Richtlinie kann mit einem zweijährigen Ausbildungsprogramm auf der Betriebsebene einschließlich 90 Tagen Fahrzeit die Qualifikation Matrose erworben werde. Mit einem dreijährigen Ausbildungsprogramm auf der Betriebsebene einschließlich 270 Tagen Fahrzeit kann die Qualifikation Bootsmann erlangt werden, beziehungsweise einschließlich 360 Tagen Fahrzeit die des Steuermanns. Für die Qualifikation Matrose ist auf jeden Fall eine Prüfung erforderlich, ohne geht es nicht weiter.
Der Schiffsführer braucht ein dreijähriges Ausbildungsprogramm auf der Führungsebene einschließlich 360 Tagen Fahrzeit und Prüfung. Die Anforderungen an die Kompetenzen für die Betriebsebene und die Führungsebene findet man in Anhang II der Richtlinie und in den CESNI – Standards ES QIN.
Die in der Richtlinie geregelten Anforderungen für die Anerkennung der Qualifikationen sind Mindestanforderungen. Sie überlassen es jedem selber, wie er die von ihm angestrebte Qualifikation erwerben will. Wer eine solche Qualifikation besitzt, ist nach der Richtlinie berechtigt, entsprechend seiner Qualifikation am Betrieb eines Fahrzeugs auf Wasserstraßen der EU beteiligt zu sein.
Das ist die rein nautische Seite. Eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBIG) ist dies nicht.
Eine dreijährige duale Ausbildung zum Schiffsführer gibt es in Deutschland derzeit nicht, wohl aber die dreijährige duale Ausbildung mit Berufsabschluss Binnenschiffer, mit der im Schifferdienstbuch die Qualifikation Bootsmann eingetragen wird. Schiffsführer wird man mit weiterer Fahrzeit und Patentprüfung. Das Patent ist insoweit eine Fahrerlaubnis, aber kein Berufsabschluss.
Wir halten es nicht nur im Sinne der Richtlinie für richtig, in Deutschland eine durchgehende Ausbildung zum Schiffsführer anzubieten, sondern auch der Qualifikation entsprechend angemessen, einen dualen Berufsabschluss zu schaffen. Dies wird die Attraktivität der Berufe in der Binnenschifffahrt steigern.
Duale Berufsausbildung
Neben dem Beruf des Schiffsführers soll es eigenständig den Beruf des Steuermanns geben. Die Ausbildung dazu soll drei Jahre dauern, die zum Schiffsführer dreieinhalb Jahre. Beide Bezeichnungen sind zunächst Arbeitstitel im Neuordnungsverfahren. Endgültige Bezeichnungen für diese Berufsabschlüsse müssen noch gefunden werden.
Beide Berufe sollen nach Möglichkeit in den ersten beiden Jahren gemeinsam beschult werden. Danach erfolgt die sogenannte gestreckte Abschlussprüfung Teil eins. Einigkeit besteht, dass diese Prüfung in beiden Berufen angerechnet werden können, so dass nach zwei Jahren ein Wechsel von der einen in die jeweils andere Berufsausbildung möglich wäre. Auch die Qualifizierung zum Matrosen soll »mit gedacht« werden, um nach einen eventuellen Ausstieg nach zwei Jahren ein verwertbares Ergebnis im Sinne der Richtlinie zu haben. Das heißt, es könnte die Qualifikation Matrose nach der Richtlinie anerkannt werden. Dies wäre dann zwar kein dualer Berufsabschluss, aber eine nautische Qualifikation, die die Anforderungen der Richtlinie erfüllt.
Unter welchen Voraussetzungen Einstiege und Anrechnungen zwischen dem dualen System und den Qualifikationen der Richtlinie möglich sein werden, wird im Neuordnungsverfahren geklärt.
Wie geht es jetzt weiter?
Derzeit erfolgt die eigentliche Erarbeitung der neuen Berufe. Am Neuordnungsverfahren werden verschiedene Parteien beteiligt: Das Bundesinstitut für Berufsbildung, die zuständigen Bundesministerien (BMWI, BMBF, BMVI), die Kultusministerkonferenz, die Sachverständigen der Arbeitnehmer mit einem Koordinator und die Sachverständigen der Arbeitgeber mit einem Koordinator. Auf Arbeitgeberseite sind von BDS und BDB jeweils zwei Sachverständige und zwei Stellvertreter sowie der DIHK eingebunden. Die Koordinierung übernimmt das KWB (Kuratorium der deutschen Wirtschaft für Berufsbildung). Der Zeitplan ist ambitioniert, die Neuregelung soll zum August 2022 in Kraft treten.