Die Hauptstadt hätte in diesem Jahr ein Jubiläum feiern können. Vor 100 Jahren wurde Groß-Berlin gegründet. Wir erinnern daran, dass die Baustoffe für die Expansion der Stadt übers Wasser kamen
In der Corona-Hektik dieses Jahres ist buchstäblich untergegangen, dass vor genau 100 Jahren das Berliner Stadtgebiet von 66 km² auf 878 km² ausgeweitet wurde. Und vergessen wird auch manchmal, dass der Ausbau zu Groß-Berlin ohne die Wasserstraßen und die Schifffahrt nicht möglich gewesen wäre.
>Die Städte Spandau und Berlin besaßen bereits im Mittelalter am Zusammenfluss von Havel und Spree gute Bedingungen für die Flussschifffahrt. Die Straßen in der Mark Brandenburg waren weitgehend unbefestigte Feldwege, manchmal mit Feldsteinen gepflastert. Mit der Ertüchtigung der Wasserwege ab dem 17. Jahrhundert konnte die Binnenschifffahrt ihre Leistungen für die Entwicklung Berlins bedeutend steigern. Um die wachsende Stadt mit Baustoffen zu versorgen, entstanden in der umliegenden Mark Brandenburg zahlreiche Ziegeleien. 1850 erhielt Berlin 1,6Mio.t Massengüter aus dem Umland: Ziegelsteine, Holz, Sand und Kies. 1873 lieferte die Industrie insgesamt 575Mio. Ziegelsteine nach Berlin. Damals galten Finowmaß-Schiffe (40 m x 4,60 m) und Berliner Maßkähne (46 m x 6,50 m) als Standardfahrzeuge für die Transporte. 1910 waren es bereits 625 Mio. Ziegel. Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 entwickelte sich ein Bauboom sondergleichen. Berlin hatte 1905 einen Güterumschlag aus dem Binnenschiff von 10,9 Mio t und erreichte 1928 die Höchstzahl von 11,1 Mio. t. Im hundertsten Jahr seit der Gründung von Groß-Berlin sind es übrigens nicht einmal mehr 2 Mio. t.
Schon seit 1820 soll darüber diskutiert worden sein, das Berliner Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Dörfern und Städten im Umfeld zu vergrößern. Doch den reichen Ortschaften wären die Berlin-Steuern zu hoch gewesen, das Berliner Abgeordnetenhaus wollte die Arbeitervororte Wedding und Moabit wiederum nicht haben, weil deren Steuerzahlungen zu niedrig waren. Erst der heute noch verehrte Oberbürgermeister Arthur Johnson Hobrecht schlug 1875 vor, aus den Städten Berlin, Charlottenburg-Spandau und Köpenick sowie den Landkreisen Teltow und Niederbarnim eine neue »Provinz Berlin« zu gründen. Zunächst hatte die preußische Regierung kein Interesse daran, die Hauptstadtregion aus ihrer Kernprovinz Brandenburg zu entlassen. Aber 1920 war es dann soweit. Berlin war damals bereits die drittgrößte Hauptstadt der Welt und musste sich und das Umland effektiver verwalten.
Inzwischen war die Eisenbahn für die Binnenschifffahrt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum ernstzunehmenden Konkurrenten geworden, und im 20. Jahrhundert kam noch der Lkw hinzu, die Transporte übers Wasser nahmen ab. Die Losung »Berlin ist aus dem Kahn gebaut« wird aber bis heute gepflegt, unter anderem vom Förderverein Historischer Hafen Berlin und der Berlin-Brandenburger Schifffahrtsgesellschaft e.V. Bemühungen, den Schiffspark gegenüber dem Osthafen zu verlegen und museal auszubauen, konnten bislang nicht umgesetzt werden, trotz bewilligter Fördermittel des Berliner Senats. Es hat sich ausgebaut.