Sorge um die Oder-Schifffahrt

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Die Teilnehmer des 24. Oder/Havel-Colloquiums fordern eine Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen durch den Bau von Staustufen. Wasserwirtschaftliche Ziele sind nicht zwangsläufig gefährdet, wie Polen mit dem geplanten Flussausbau zeigt

Vor 35 Teilnehmern, die sich in Eberswalde eingefunden hatten, bekräftigte Ralf Behrens, Geschäftsführender Gesellschafter von Wagener & Herbst Management Consultants, seine Sorgen um die Schiffbarkeit der Wasserstraßen.

Nach drei Jahren fast dauerhaften Niedrigwassers stehe man mit der Binnenschifffahrt und den Flussauen am Scheideweg. Der Klimawandel lasse sich nicht schönreden. Zuschusswasser aus den Mittelgebirgen werde weniger, weil die Stauseen durch mangelnde Niederschläge im Winter und Frühjahr nicht ausreichend gefüllt würden.

Polen mache es mit dem geplanten Oder-Ausbau vor, wie man neben dem Erreichen wasserwirtschaftlicher Ziele auch der Binnenschifffahrt helfen könne. Ohne Staustufen auf Elbe und Oder sei die Binnenschifffahrt auch in Deutschland auf Dauer als Verkehrszweig nicht lebensfähig. Durch Staustufen könnten die Grundwasserstände im Einzug der Ströme auch wieder angehoben und die Flussauen vor der Austrocknung geschützt werden, so Behrens.

Staustufen sollten kein Tabu sein

Unterstützung bekam er von Ralf Maeh­mel, Mit-Geschäftsführer der Reederei Ed Line. Auch er forderte, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) die Schifffahrt mehr unterstützen müsse. Wenn beispielsweise in der Saison die Schleuse Wusterwitz für vier Wochen gesperrt werde, nutze der Schifffahrt auch die Umfahrung über die Untere-HavelWasserstraße wenig, wenn gleichzeitig auch die Elbe zu wenig Wasser führe.

Auch Maehmel sieht es daher als notwendig an, die Schifffahrtsbedingungen und die Flussauen durch den Bau von Staustufen auf Elbe und Oder zu ertüchtigen, sonst könne die Binnenschifffahrt auf Dauer nicht mit Lkw und Bahn konkurrieren.

Ferner schilderte Maehmel, wie sich sein Unternehmen in den 21 Jahren seiner Existenz von einem kleinen Bugsierschubboot für Wasserbautransporte zu einer Reederei entwickelte, die sich einen guten Namen für Binnenschiffstransporte aller Art gemacht hat. Man verfüge nun über eine Flotte von 18 leistungsfähigen Schubschiffen sowie zahlreichen Schubleichtern. Außerdem wird eine größere Anzahl an Partikulieren beschäftigt. Neben dem Transport von Massengütern hat sich die Reederei Ed Line zu einem Spezialisten für verschiedene Sondertransporte entwickelt wie Schwerlasten, Projektladungen oder für die Überführung von Kaskos von größeren Tankern und Küstenmotorschiffen.

Auch das Einschwimmen von großen Brücken auf der Elbe oder im Kanalgebiet gehöre zum Portfolio. Bei Bedarf gebe es noch polnische Reedereien und Partikuliere, mit denen man vertrauensvoll zusammenarbeite.

Was den eigenen Flottenpark betreffe, so Maehmel, müsse man bedenken, dass die aus DDR-Zeiten stammenden Einheiten teilweise 50 und mehr Jahre alt seien, was einen hohen Erhaltungsaufwand erfordere, der überwiegend in einer eigenen Schiffbauhalle am Standort in Berlin-Köpenick erfolge. Hier habe man auch das Schubschiff »Edda« mit einem auf 9m Sichthöhe ausfahrbaren Ruderhaus ausgerüstet, um spezielle Großraumtransporte sicher ausführen zu können.

Rolf Dietrich, Leiter des Wasserstraßen-Neubauamtes (WNA) Berlin, informierte über den Stand der Dinge beim neuen Schiffshebewerk Niederfinow. Weil es wegen seiner Größe wesentlich schwerer sei als das alte, habe besonderes Augenmerk auf seine Gründung gelegt werden müssen, um keine Probleme mit der Statik zu bekommen. Insgesamt seien Konstruktion und Bau bisher auf höchstem Niveau erfolgt, weshalb für die Erbauer auch die Vergabe des Ingenieurbaupreises beantragt worden sei.

Keine Eile in Niederfinow

Dass das Bauwerk später in Betrieb gehen werde als vorgesehen, erklärte Dietrich damit, dass es wenig nütze, ein SHW für größere Schiffe zu eröffnen, wenn die zulaufende Wasserstraße den Verkehr dieser Einheiten noch nicht ermögliche. Die Wasserbaufirmen Johann Bunte Bauunternehmung und Strabag seien aber intensiv an den letzten 7km des Oder-Havel-Kanals zwischen Eberswalde und Niederfinow tätig.

Deshalb habe man sich Zeit genommen, alle elektronischen und mechanischen Systeme des neuen SHW auf Herz und Nieren zu testen. Diese Prozesse liefen derzeit noch.

»Natürlich freuen wir uns auf die Verkehrsfreigabe für das neue Schiffshebewerk im nächsten Jahr«, so Dietrich. Es ermögliche Großmotorgüterschiffen, aber auch Schubeinheiten, Container und Großraum- und Schwergüter zwischen Szczecin/Stettin und Berlin und darüber hinaus zu transportieren. Damit werde die Straße entlastet. »Die Schiene ist derzeit auf dieser Relation keine Alternative«, sagt Gerhard Ostwald, Vorsitzender des Odervereins.

Behrens meint, dass es sich sicherlich rechnen könnte, Containerverkehre mit 104 TEU pro Großmotorschiff über das neue Schiffshebewerk Niederfinow abzuwickeln. Dietrich verwies darauf, dass nach der Eröffnung Einheiten von 110 m x 11,45m bei maximal 2,8m Tiefgang zweilagig 104 Standardboxen das neue Schiffshebewerk passieren könnten.

Horst Linde von der TU Berlin, stellvertretender Vorsitzender des Odervereins, erörterte, dass Studenten an seinem Lehrstuhl an dem Entwurf von Schubverbänden arbeiteten, die mit zwei optimal containergeeigneten Leichtern von 55m Länge zweilagig sogar 128 Container tragen könnten.

Am alten Schiffshebewerk habe es Seilzüge zum Verholen von Fahrzeugen in und aus dem Trog gegeben. Linde wünscht sich stattdessen eine Lösung mit einem zweiten Schubschiff am neuen Bauwerk, um die Durchfahrt eines Verbandes mit zwei Leichtern ohne Schubschiff in einer Schütz zu ermöglichen. Dietrich sagte zu, die Sache prüfen und bei entsprechender Nachfrage ein zweites Schubschiff am Hebewerk vorhalten zu wollen.

Der ehemalige Präsident der WSD Würzburg, Detlef Aster, merkte an, dass auf dem Main-Donau-Kanal auch zweilagig Containerverkehre stattfinden könnten, wenn die Bahn die Preise der Binnenschifffahrt nicht so stark unterbieten würde, bis diese keine Container ohne Verluste fahren könne.

Weiter führte Behrens aus, dass die Häfen Schwedt, Eberswalde und Velten von dem neuen SHW Niederfinow profitieren könnten, wenn neben dem Oder-Havel-Kanal auch die Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße (HoFriWa) in ihren kritischen Bereichen – zum Beispiel an der Schleuse Hohensaaten West – ertüchtigt werde.

Nach Ansicht von Martin Bock, Geschäftsführer der FGL Fürstenwalder Futtermittel-Getreide-Landhandel, ist die HoFriWa vor allem im Bereich der Schleuse Hohensaaten West und der Spree-Oder-Wasserstraße allerdings nur noch unwirtschaftlich zu befahren. Als Gründe nannte er die Unberechenbarkeit der Wasserstände und den fehlenden Ausbau der Schleuse Fürstenwalde.

Lob fand Ed Line-Chef Maehmel für die Bestrebungen, die Citylogistik in Berlin durch die Elektrifizierung von Fahrgast- und Frachtschiffen ökologischer zu gestalten. Gespannt warte man auf das BEHALA-Schubschiff »Elektra«. Auch dem autonomen Fahren stehe die Ed Line aufgeschlossen gegenüber, denn die Personaldecke werde trotz eigener Berufsausbildung immer knapper.

Juliusz Grabowski von der Port Authority Szczecin-Swinoujscie erläuterte die Ausbauvorhaben zur Ertüchtigung der Häfen Stettin und Swinemünde. Die Zufahrt von Swinemünde nach Stettin werde auf 12,50m vertieft. Die Containerkapazität werde in beiden Häfen in mehreren Jahren auf 2 Mio. TEU ausgebaut. In Swinemünde werde zudem das bestehende LNG-Terminal erweitert, auch sollen die Transitverkehre nach Berlin und Westeuropa über die Oder-Havel-Wasserstraße ausgeweitet werden.

Wassermanagement erforderlich

Ostwald richtete den Blick in seinem Schlusswort noch einmal auf den Klimawandel und die damit zu erwartenden geringeren Niederschläge: »Die Binnenschifffahrt ist nur ein Teilaspekt für wasserwirtschaftliche Entwicklungen. Hoch- und Niedrigwasserphasen müssen in Zukunft noch stärker als bisher durch Eingriffe an den Fließgewässern wie beispielsweise auch der Oder im Interesse von Mensch und Natur ausgeglichen werden.«

In seinem Gutachten, dessen Ergebnisse während des Colloquiums vorgestellt wurden, bestätigte Wagener & Herbst aus Potsdam, dass »die Regulierung von Fließgewässern aus wasserwirtschaftlichen und aus Hochwasserschutzgründen ebenso wie zur Wasserspeicherung erforderlich ist.« Um den Auswirkungen des Klimawandels erfolgreich zu begegnen, sei ein effektives Wassermanagement von größter Bedeutung. »Und daher müssen ein neues Schiffshebewerk für die Binnenschifffahrt ebenso wie die wasserbauliche Regulierung der Oder in Form von Buhnen und Leitwerken oder auch eine Stauregulierung Teil eines übergeordneten Wassermanagements werden«, schloss Ostwald.


Christian Knoll