Die Regierung in Prag hat den Weg für den Ausbau eines Abschnitts der Oder freigemacht. In etwa zehn Jahren könnte dann der Bau eines Kanals zur Donau begonnen werden. Ob das Vorhaben aber jemals umgesetzt wird, bleibt unklar
Das internationale Projekt zur Schiffbarkeit der Oder im Abschnitt Kozle bis Ostrava hat grünes Licht der Regierung in Tschechien erhalten. Seit einigen Jahren hat Polen Absichten, die Oder von Kosel und Ratibor bis Stettin als leistungsfähigen Wasserweg für Schiffe der WS-Klasse IV auszubauen. Und gleichzeitig wurden auch sowohl von polnischer wie von tschechischer Seite Überlegungen über einen seit mehr als 100 Jahren immer mal wieder im Gespräch gehaltenen Wasserweg Oder-Elbe-Donau angestellt (siehe Bildunterschrift und Text in BS 12/17, Seite 58).
Im Jahr 1990 hatte sich in Prag die »Evropská vodní doprava-Sped. sro« (Europäische Wassertransporte GmbH) gegründet, deren erster und heutiger Geschäftsführer Lucas Hradsky ein Verfechter dieser Absicht ist. Die EVD ist heute sowohl die größte Frachtschiff- wie mit der Prague Boots auch die größte Fahrgastschiffreederei in Tschechien.
Der Stellvertretende Vorsitzende der Kammerunion Elbe/Oder, Jiri Aster, ehemals auch Generaldirektor der CSPL in Decin, nimmt Stellung zur offiziellen Erklärung des Tschechischen Verkehrsministeriums: »In zehn Jahren könnte nach Aussage des Verkehrsministers Karel Havlí ek mit dem Bau eines Teils des Donau-Odra-Kanals zwischen dem polnischen Hafen K dzierzyn-Ko le und Ostrava begonnen werden. Die Regierung setzte den Bau trotz des starken Widerstands von Umweltschützern und einigen Politikern durch.«
Havlí ek sehe in der Genehmigung des Baus eine Möglichkeit, das Wirtschaftswachstum in der Region Mähren-Schlesien zu unterstützen. Die Resolution gäbe grünes Licht für den Ko le-Ostrava-Kanal, der die Leistungen der Wirtschaft, Verkehrsenergie und Erholung befördern werde. Industrie und Logistik in dem betreffenden Ballungsraum mit etwa 5Mio. Einwohnern würden den Zugang zu europäischen und Weltmärkten erleichtern. Freizeitkreuzfahrten und touristische Nutzung seien ebenfalls geplant, so Havlí ek.
Erster Schritt für Kanalbau
Der Bau der ersten Stufe des Wasserkorridors zwischen Ostrava-Svinov und der polnischen Grenze dürfte rund 15 Mrd Kronen (ca. 0,54Mrd. €) kosten. Weitere 10Mrd. würden der polnische Teil von Ko le bis Bohumin (Oderberg) kosten.
Die Absicht der Regierung bedeute jedoch nicht automatisch, dass das Vorhaben tatsächlich verwirklicht werde. Bisher hätte der Ministerrat nur vereinbart, einen Teil des Kanals zwischen der Grenze zu Polen (Bohomin = Oderberg) und Ostrava (Ostrau) zu errichten, wo die künstliche Wasserstraße vorerst bei Ostrava-Svinov enden solle.
Aster weist auch darauf hin, dass sich das Verkehrsministerium mit den Einwänden der Umweltschützer gründlich auseinander gesetzt habe und zitiert Havlí ek: »Es ist möglich, dass der Kanal am Ende nicht gebaut wird, aber es ist unsere Pflicht, dieses Projekt vorzubereiten und spätere Regierungen über die nächsten Schritte entscheiden zu lassen.« Das Projekt sei kein größenwahnsinniges Vorhaben, »sondern ist ein klassisches transnationales Projekt, das größtenteils aus europäischen Quellen umgesetzt werden wird. Wir werden versuchen, es in das Netzwerk der TEN-T-Projekte aufnehmen zu lassen«, so Havlí ek.
Aster monierte aber auch den Beschluss seiner Regierung, sich nicht mit den Polen dazu abgestimmt zu haben. Es müsste erst die Oder durch weitere sieben Staustufen unterhalb von Malczyce (Maltsch) vollschiffig an das europäische Wasserstraßennetz über Deutschland angeschlossen werden.
Dabei konnte Aster noch nicht wissen, dass die PiS-Regierung durch eine Regierungsumbildung am 12. Oktober die Anzahl ihrer Ministerien von 20 auf nur noch 12 reduziert und dabei das Ministerium für maritime Wirtschaft und Binnenschifffahrt abteilungsweise auf andere Ministerien verteilt habe. Konkreteres sollte am 26. Oktober bekanntgegeben werden, was jedoch nicht geschah. Die polnische Wasser- und Schifffahrtsverwaltung durfte sich dazu nicht äußern. Vermutet werde, dass die Corona-Krise die Regierung zu Sparmaßnahmen zwang, um die Bevölkerung durch die Einschränkungen nicht leiden zu lassen, heißt es aus Insiderkreisen. Die PiS liefe Gefahr, bei den nächsten Wahlen ihre Mehrheit im Sejm zu verlieren. Die PiS koaliert mit zwei kleineren Parteien, die jetzt je ein Ministerium verwalten, zuvor waren es je zwei.
Christian Knoll