Das Niedrigwasser von 2018 hat gezeigt, wie anfällig die Wasserstraßen und die Versorgung der Industrie bei extremen Wetterereignissen sind. Der VBW hat jetzt Maßnahmen zusammengestellt, wie dem begegnet werden kann.
Beim Niedrigwasser 2018 mussten Schlüsselindustrien ihre Produktion drosseln, es kam zu Versorgungsengpässen, z.B. an Tankstellen. Insgesamt entstand ein volkswirtschaftlicher Schaden von mehr als 2 Mrd. €. Laut wissenschaftlicher Prognosen ist damit zu rechnen, dass derartige Niedrigwasserphasen zukünftig häufiger vorkommen werden.
Ein Jahr haben Experten aus Fachbehörden des Bundes, der Binnenhäfen, von Industrie- und Energieunternehmen, aus der Schifffahrtsforschung sowie von Verkehrs- und Logistikwirtschaft in der VBW-Arbeitsgruppe Lösungsmöglichkeiten zu dieser Fragestellung erarbeitet. Dabei fokussierte sich die Arbeitsgruppe vor allem auf den Rheinkorridor, der güterverkehrlich bedeutendsten Wasserstraße Deutschlands.
Im Kern geht es um einen Gewinn an Wassertiefe, bessere Informationen und Vorhersagen zu Wasserständen, vorbeugende Maßnahmen der Verladerschaft und um die Potenziale der Digitalisierung und einer künftig autonomen Schifffahrt.
Die Arbeitsgruppe hat mehrere Ansätze identifiziert, die bereits kurz- bis mittelfristig wirken. Dazu gehören sogenannte »smarte« Wasserbaumaßnahmen, die ohne große Umwelteingriffe in überschaubaren Zeiträumen umgesetzt werden könnten. So könnten durch die von der Bundesanstalt für Wasserbau entwickelte Niedrigwasserrinne oder temporäre Leitwerke zwischen 10 cm und 30 cm mehr Tiefe erreicht werden. Beide Konzepte sollten zeitnah in Form von Pilot-Vorhaben getestet werden.
Auch der flachwasseroptimierte Um- oder Neubau von Schiffen könne zusätzliche Spielräume eröffnen, heißt es im VBW-Bericht. Um die Versorgungssicherheit der Schlüsselindustrien am Rhein sicherzustellen, hat die Arbeitsgruppe einen Bedarf von mindestens 300 solcher Schiffe errechnet. Das Investitionsvolumen für deren Umrüstung beläuft sich auf rund 1 Mrd. €. Aufgrund der geringen Kapitaldecke vieler Schifffahrtsunternehmen, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich angegriffen wurde, wird die Umrüstung ohne finanzielle Unterstützung des Bundes allerdings mittelfristig nicht zu realisieren sein.
Vorbeugende Wirkung können auch die im Aktionsplan »Niedrigwasser Rhein« angelegten Angebote zur besseren Information und Vorhersage von Wasserständen, eine entsprechende Wissensplattform sowie regelmäßige Ausbildung und Beratung der Logistikverantwortlichen entfalten. Diese Maßnahmen befinden sich zum Teil bereits in der Umsetzung, sollten jedoch weiter forciert werden.
Intensiv geprüft wurde auch die nach den Ereignissen von 2018 von vielen Verantwortlichen geforderte Staustufenlösung. Langfristig ließen sich mit Staustufen und Speicherlösungen zwischen 20 cm und 50 cm mehr Tiefe gewinnen. Realisierungszeiträume von mehreren Jahrzehnten, Investitionen in Milliardenhöhe, erhebliche Eingriffe in die Flusslandschaft und die Notwendigkeit zur Konsensfindung über die Wasserhaushaltung mit den Niederlanden verdeutlichen aber, dass Staustufen derzeit keine realistische Chance auf Umsetzung haben.
»Wir empfehlen, dass insbesondere die kurz- bis mittelfristig wirksamen Maßnahmen schnellstmöglich und prioritär realisiert bzw. getestet werden«, sagt der Vorsitzende der Arbeitsgruppe und des VBW-Fachausschusses »Binnenwasserstraßen und Häfen«, Michael Heinz.