Pandemie, Dekarbonisierung, hohe Frachtkosten – das sind nur Herausforderungen, die mittelständische Betriebe laut Bundesverband für Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) aktuell zu bewältigen haben.
»Besonders mittelständische Betriebe drohen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie zerrissen zu werden oder auf dem steinigen Weg zur vollständigen Dekarbonisierung des Verkehrssektors auf der Strecke zu bleiben. Enorme Probleme beim Transport auf dem Seeweg werden unsere Unternehmen auch in den kommenden Monaten unter Druck setzen. Die Linienverkehre der großen Reedereien sind nach wie vor mit enormen Unsicherheiten behaftet. Immer wieder wird angemeldete Fracht nicht mitgenommen und kommt nicht rechtzeitig an. Hinzukommen die immensen Frachtkosten pro Seefrachtcontainer«, sagte Carsten Taucke, Vorsitzender des BGA-Verkehrsausschusses und CEO der Nagel-Group anlässlich der BGA-Verkehrspressekonferenz in Berlin.
Häufig bekomme man Transporte nur noch für sogenannte Priority-Raten, die dann noch einmal um ca. 2.000 US-$ höher lägen. Zu diesen Preisen sei es in einigen Bereichen kaum noch möglich, die Ware kostendeckend zu verschiffen. Es sei unerlässlich, dass die Reedereien fair mit ihren Kunden umgingen und einen möglichen Wettbewerbsvorteil nicht einseitig ausnutzten, mahnte Taucke.
Bahn muss zuverlässiger werden
»Die Verkehrsleistung wird auch noch in den kommenden Jahren weiter erheblich zunehmen. Haupttreiber dieser Entwicklung sind eine deutliche Zunahme des grenzüberschreitenden Verkehrs und des Online-Handels. Trotz aller Bemühungen um Verkehrsverlagerung wird die Straße auch in den kommenden Jahren der Hauptträger des gesamten Transportaufkommens sein. Es gibt jedoch auch Großhandelsbranchen, die lieber die Schiene als die Straße nutzen würden. Damit die Kunden die Bahn nutzen, muss diese planbarer und zuverlässiger werden. Um dies zu erreichen, muss zunächst an der maroden Schieneninfrastruktur gearbeitet und das Bahnnetz ausgebaut werden. Mit den bisherigen Mitteln kann die Schrumpfung des Schienennetzes jedoch lediglich gestoppt, nicht aber umgekehrt werden«, erklärt Taucke.
Stärkung der Binnenwasserstraßen notwendig
Die im Rahmen des europäischen Green Deals beabsichtigte Reduzierung der Treibhausgasemissionen auf Null bis 2050 erhöhe den Druck zur schnellen Realisierung von CO2-Einsparungen. »Für die Erreichung dieses Ziels sind im Bereich der Mobilität neben neuer Antriebstechnologien und einer Stärkung der Verkehrsträger Schienennetz und Binnenwasserstraßen auch weitere Maßnahmen notwendig, da beides erst mittel- bis längerfristig realisierbar sein wird. Eine schnell wirksame Maßnahme wäre z.B. die Anhebung des zulässigen Lkw-Gesamtgewichts auf das heute im kombinierten Verkehr erlaubte Niveau von 44 t. Dies könnte die CO2-Emissionen des Verkehrssektors ohne lange Vorlaufzeiten und ohne zusätzliche Kosten für die öffentliche Hand um geschätzt ein bis zwei Millionen Tonnen pro Jahr senken«, betonte Taucke. Das in Deutschland maximal zulässige Lkw-Gesamtgewicht von 40 t sei im europäischen Vergleich niedrig. In Europa seien teilweise deutlich höhere Lkw-Gewichte weitverbreitet. »Damit hat die deutsche Wirtschaft auch erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Konkurrenten.«
Klimaschutz stellt Unternehmen vor Herausforderungen
»Die Einhaltung von Klimaschutzzielen wird die Verkehrspolitik in Deutschland künftig maßgeblich bestimmen. Der Verkehr soll durch drastische Reglementierungen einen gewichtigen Beitrag leisten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Bei der Stärkung des Klimaschutzes, die auch der BGA unterstützt, darf nicht vergessen werden, dass dies gerade kleine und mittlere Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellt«, so Taucke, und weiter: »Die Unternehmen des Groß- und Außenhandels sowie die unternehmensnahen Dienstleister sind sich ihrer Verantwortung bewusst und bereit, ihren Beitrag für mehr Klimaschutz zu leisten. Dies wird nur mit Technologieoffenheit in der Diskussion um alternative Antriebstechnologien gelingen. Technologieverbote, wie z.B. die Verteufelung von Dieselkraftstoff oder einseitige Bevorzugungen von E-Mobilität, sind nicht zielführend. Im Gegenteil: Der Diesel muss weiterentwickelt werden, um die CO2-Bilanz fortwährend zu verbessern.«
»Es gibt neben den coronabedingten Herausforderungen auch zahlreiche hausgemachte Probleme, die es dringend anzupacken gilt, wie beispielsweise die marode Infrastruktur. Hinzu kommt die Zukunftsaufgabe Dekarbonisierung. Derzeit befinden sich die meisten Technologien noch in den Kinderschuhen. Die Tankinfrastruktur muss aufgebaut und um Wasserstofftankstellen sowie E-Ladesäulen, insbesondere Mega-Charger für schwere Lkw, erweitert werden. Die Politik hat eine Menge Hausaufgaben zu erledigen. Wir brauchen dringend mehr Gestaltungswillen in der Verkehrspolitik, andernfalls gerät Deutschlands Wohlstand mittel- und langfristig ins Hintertreffen«, so Taucke abschließend.