Energietransporte sollen vorübergehend Vorrang auf der Schiene bekommen. Das hat die Bundesregierung heute in einer Rechtsverordnung festgelegt.
Der Vorschlag war vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zusammen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) erarbeitet worden. Ziel sei es, den Betrieb von Kraftwerken, Raffinerien und Stromnetzen bei drohenden Engpässen sicherzustellen, heißt es.
Wir wollen uns so schnell wie möglich aus der Klammer der russischen Energieimporte befreien. Vorübergehend heißt das, dass wir russisches Gas im Stromsektor auch durch Kraftwerkskohle und Mineralöl ersetzen müssen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müssen wir dafür auch die Lieferwege umstellen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck
Die DB Netz AG wird zusätzlich kurzfristig die Nutzungsbedingungen des Schienennetzes anpassen, um Mineralöl- und Kohletransporte auf der Ebene der Disposition, also bei der betrieblichen Abwicklung der Züge, zu priorisieren. Mit der Rechtsverordnung kann künftig dann auch die Bevorzugung von Mineralöl- und Kohletransporten auf Ebene der Trassenzuweisung verfügt werden.
Hintergrund für die Verordnung ist die durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verursachte Energiekrise. Dadurch haben sich grundlegende Veränderungen im deutschen Energiesystem ergeben. So arbeitet Deutschland daran, unabhängig von russischen Energieträgern (Kohle, Gas und Öl) zu werden und die Lieferungen zu diversifizieren. Entsprechend wurden und werden Lieferketten und -wege umgestellt.
Die Binnenschifffahrt kann bedingt durch das Niedrigwasser nur reduzierte Lasten transportieren, die wichtigen Bahntrassen sind auch ohne zusätzliche Energietransporte teilweise bereits über-, zumindest aber stark ausgelastet. Wir müssen deshalb überlegt und in sorgfältiger Abwägung Transporte priorisieren. Umso wichtiger ist es, bereits heute klare Regeln zu schaffen, bevor der Energiebedarf und damit die Nachfrage nach Energietransporten in Herbst und Winter steigt.
Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr:
Die Rechtsverordnung basiert auf der Grundlage des novellierten Energiesicherungsgesetzes (§ 30) und wird auf sechs Monate befristet. Dabei geht es um Transporte von Erdöl und Erdölerzeugnissen sowie von festen, flüssigen und gasförmigen Energieträgern sowie von Großtransformatoren.
Die Eingriffe in den Schienenverkehr sollen so gering wie möglich gehalten werden, um auch andere Güterarten weiterhin den Bedarfen entsprechend transportieren zu können und Ausfälle bzw. Verspätungen im Personenverkehr weitestgehend zu vermeiden. Die Priorisierung erfolgt innerhalb eines klar definierten Energiekorridor-Netzes. Diesem liegen die Transportbedarfe der Energie- und Mineralölwirtschaft zugrunde (zum Beispiel vom Hafen zum Kraftwerk). Sollte eine Beschränkung anderer Schienenverkehre nötig sein, wird ein abgestuftes Priorisierungsverfahren vorgesehen, um den betrieblichen Vorrang von Energieträgertransporten und Großtransformatoren zu gewährleisten. Entschädigungen richten sich nach dem Energiesicherungsgesetz.
Zur Gewährleistung einer stabilen Energieversorgung und aufgrund bestehender Kapazitätsengpässe auch beim Wagenmaterial kann es erforderlich sein, auch solche Güterwagen einzusetzen, die nicht mehr den geltenden Lärmschutzstandards entsprechen. Die Vorschriften des Schienenlärmschutzgesetzes werden daher in diesem besonderen Ausnahmefall von der Anwendung ausgeschlossen.
Regulierungsbehörde ist die Bundesnetzagentur. Sie überprüft, ob die Priorisierung rechtmäßig ist. Um eine Verzögerung des Zuweisungsverfahrens und also der Transporte auszuschließen, geschieht die Prüfung nachträglich.