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Rijkswaterstaat, das niederländische Gegenstück zur deutschen Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, stellt sich auf neue und nachhaltige Technik ein. Beim Bau von drei Mehrzweckschiffen setzt man neben herkömmlichen Antrieben auch auf Akkupakete

Die als MPV 30 bezeichneten Wasserfahrzeuge kombinieren mehrere Einsatzzwecke. Fahrwegmarkierungen, Patrouillenfahrten, Messfahrten und Fischereiaufsicht und -kontrollen gehören zu den Aufgabenbereichen. Dem Trend folgend setzt der niederländische Staat zum ersten Mal in diesem Bereich auf Energieeinsparung und Emissionsreduzierung mit neuen Technikkonzepten.

Die ersten drei neuen »Multi Purpose Vessel« (MPV) werden so ausgerüstet, dass die Energie für die täglichen Arbeiten ausschließlich aus Akkus kommt. Lediglich für die Fortbewegung steht eine herkömmliche Motorenausstattung im Maschinenraum. Für die Versorgung der Bordunterkünfte und Mannschaftsräume werden Fotovoltaik-Elemente eingebaut.

Nutzung von Restwärme

In den kommenden Jahren muss Rijkswaterstaat rund 20 Schiffe im Bestand austauschen, weil sie ihr technisches Lebensalter erreicht haben. Die ersten drei MPV wurden im März dieses Jahres nach einem öffentlichen Bieterverfahren bei einer Arbeitsgemeinschaft in Auftrag gegeben, die aus der Werft Bijlsma Wartena in Warten und dem Maritimen Cluster Friesland besteht. Schon vor der offiziellen Kiellegung Anfang September arbeitete die Werft zunächst an einer Optimierung der hydrodynamischen Eigenschaften des Rumpfes. Daraus resultierte bereits ein geringerer Wasserwiderstand und ein reduzierter Energieverbrauch. Zum Konzept gehört auch, dass die Restwärme der Motoren für die Beheizung, für Warmwasser und die Fußbodenheizung genutzt wird.

Die um 360° drehbaren Propeller lassen schnelle Fahrtrichtungswechsel zu. Auch soll das MPV unabhängig von den Wellenhöhen seine Arbeiten verrichten können, die sich auf größere Binnengewässer, das Wattenmeer und die Nordsee bis zu 30sm vor der niederländischen Küste erstrecken.

Die rund 40m langen Mehrzweckschiffe erhalten nicht nur zwei herkömmliche Hauptmotoren (CAT C18 mit je 550 kW). Im Rumpf stehen zudem Akkupacks aus Lithium-Ionen Polymer-Akkus (Lithium MMC) vom Typ Green Orca 1050. Die von der EST-Floattech aus Medemblik (NL) gelieferten und einschließlich der gesamten Energiesteuerung eingebauten Akkupacks bestehen aus 84 einzelnen Akkus und bringen 6,3t an Gewicht mit. Sie geben den Schiffen eine Leistung von je 882 kWh. Das Energieangebot aus den Akkus ist so bemessen, dass alle Aktivitäten an Bord, außer dem Antrieb, für einen Arbeitstag hieraus gespeist werden können. Die einzelnen Akkus liefern bei 52 V 200 Ah und haben sich bereits bei vollständig elektrisch betriebenen Schiffen sowie bei hybriden Elektro-Antrieben bewährt. EST garantiert für die Akkus 5.000 Ladezyklen mit 80% der Kapazität oder alternativ zehn Jahre.

Tjeerd Wiebe Bijlsma, Managing Director von Bijlsma Wartena, sagte anlässlich der Kliellegung: »Das MPV 30 ist das erste Arbeitsschiff in den Niederlanden, was ausschließlich elektrisch arbeiten kann. Das ist beispiellos für ein derart großes seegängiges Schiff.«

Nachhaltigkeit, so Bijlsma, sei ein wichtiger Aspekt für jede maritime Organisation. »Es ist toll zu sehen, wie eng die Partner bei diesem Projekt zusammenarbeiten, die gleiche Sprache sprechen und so Rijkswaterstaat eine derart innovative und umweltfreundliche Lösung anbieten können«, so der Manager.

Steigerung der Effizenz

Mit dem hybrid ausgelegten Power-System kann das Schiff komplett elektrisch fahren, oder den Diesel nutzen, auch um Elektrizität zu erzeugen. Dabei laufen die Motoren im optimalen Bereich und präzise auf das Energiemanagement abgestimmt. Das reduziert den Ausstoß an Feinstaub wie auch an CO2 und NOx und senkt den Kraftstoffverbrauch. Insgesamt resultiert daraus auch ein verringerter Unterhaltungsaufwand.

Die ersten beiden Neubauten werden im kommenden Jahr ausgeliefert, das dritte MPV kommt 2019 in Fahrt. Als nächstes sollen dann die Schiffe ausgetauscht werden, die für die Fahrwegmarkierung benötigt werden. Hierfür ist das »MPV Midden« entwickelt worden, für das im kommenden Jahr die Ausschreibungen vorgesehen sind.

Die MPV-Neubauten werden zur »Rijksrederij« gehören. Dort sind alle Schiffe des Zolls, der Küstenwache und des Ministeriums für Wirtschaft sowie für Rijkswaterstaat zusammengefasst. Die Flotte besteht derzeit aus 122 Schiffen mit insgesamt 277 Besatzungsmitgliedern.
Hermann Garrelmann