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Die EU-Emissionsrichtline für »Non-Road Mobile Machinery« (NRMM) setzt eine Frist, die – je nach Motorengröße 2019 oder 2020 – nur noch wenige Monate Zeit lässt, um die neuen Grenzwerte für Abgase und Schadstoff-Emissionen zu erfüllen

Kritisch wird es zunächst für alle Schiffseigner, die Neubauten planen oder ihre alten Schiffsmotoren ersetzen wollen. Denn sie müssen ohne Ausnahme die verschärften Vorgaben erfüllen, während für die fahrende Flotte generell ein Bestandsschutz gilt, so lange keine Modernisierung stattfindet.

Da alternative Antriebskonzepte oftmals noch in den Kinderschuhen stecken und teuer sind, gilt absehbar –nach heutigem Stand – bei vielen Binnenschiffern weiter der Dieselmotor als technisches Mittel der Wahl. Innermotorisch sind die neuen Grenzwerte zwar nicht zu erreichen, da gilt die gültige ZKR II-Norm auch von Seiten der Hersteller als Grenze des Machbaren.

Der Ausweg besteht in der Kombination moderner Aggregate mit einer Abgasnachbehandlung. Diese besteht in der Regel aus einer SCR-Anlage (Selektive Katalytische Reduktion), die unter Beimengung von Harnstoff (AdBlue) vor allem Stickoxide aus dem Abgasstrom filtert, und einem Partikelfilter, um den Rußausstoß zu minimieren.

Diese Lösung ist mit den heutigen Euro-VI-Motoren in Lkw tausendfach erprobt und hat sich bewährt. Vor allem zwei Hürden sind dabei zu nehmen: das Platzproblem an Bord vieler Schiffe und, mehr noch, die erheblichen Kosten im fünfstelligen Bereich. Anders als bei den standardisierten Lkw-Motoren sind angesichts der wenig genormten Binnenschiffe vielfach maßgeschneiderte Konzepte nötig.

Einer der Spezialisten auf diesem Gebiet ist das Unternehmen Tehag, das sich seit mehr als 25 Jahren mit der Aus- und Nachrüstung von Dieselmotoren mit Rußpartikelfiltersystemen, SCR-Anlagen und Schalldämpfern beschäftigt. »Wir haben auch passende Lösungen für die Binnenschifffahrt« erklärt Tehag-Geschäftsführer Florian Franken.

Das Platzproblem sieht er keinesfalls. »Das macht ein Projekt vielleicht herausfordernder als andere, aber machbar ist alles.« Eher schwierig zu stemmen seien die Investitionen bei einer Nachrüstung. Seine Faustformel für die anfallenden Kosten: Hubraum in cm3 x Faktor 4. Bei einem 10-Liter-Motor wären das also mindestens 40.000 €. »Selbst bei einer 50%-igen Förderung muss ein Schiffseigner ja dann immer noch die restliche Summe aufbringen.«

In der Liste der erledigten Aufträge stehen bei Tehag inzwischen Hunderte von Baumaschinen und einige Fahrgastschiffe – aber bis heute noch kein einziges Gütermotorschiff. »Vielleicht haben wir bs Ende 2018 einen ersten Auftrag«, sagt Franken. Noch halte sich das Interesse sehr in Grenzen, wohl vor allem geschuldet der allgemeinen Marktsituation mit niedrigen Raten und somit »wenig Geld auf der Kante.«

Doch sorgt nicht nur die EU mit ihrer vom Gewerbe massiv kritisierten NRMM-Richtlinie oder mit Forschungsvorhaben wie dem mit 8 Mio. € ausgestattenden Projekt »CLINSH« (Clean Inland Shipping) für einen wachsenden Druck auf die Branche. Immer mehr gerät die Schifffahrt auch in den Ländern und Kommunen bei den Debatten über Klimaschutz, Emissionen und Luftreinhaltung in den Fokus.

Der politische Druck wächst

Binnenschiffe sind noch immer der umweltfreundlichste Verkehrsträger, ein Umstand, den die Branchenverbände immer wieder betonen. Tatsächlich liegt der CO2-Ausstoß pro transportierter Tonne Fracht erheblich niedriger als bei einem Lkw. Anders sieht es allerdings bei Feinstaub aus.

In Städten wie Düsseldorf oder Köln richtet sich der Blick in der Diskussion um die Luftqualität daher verstärkt aufs Wasser. Naturschutzverbände verschärften den Ton, indem sie den Schiffsverkehr auf dem Rhein mit der Belastung durch eine stark befahrene Autobahn vergleichen. Eine Position, die auch vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) übernommen wurde.

Jüngst wurden in Duisburg und Neuss hat zwei Messcontainer in Rheinnähe in Betrieb genommen, um den Anteil der Binnenschifffahrt auf die Luftqualität genauer zu erfassen. »Bei gleicher Motorleistung entsprechen die aktuellen Abgasanforderungen für neue Schiffsmotoren bei weitem nicht den Standards moderner Lkw«, hieß es. Dass eine Nachrüstung technisch machbar und sinnvoll sei, habe die »Max Prüss«. Das 33 m lange Lanuv-Laborschiff war vor zwei Jahren mit einer Abgasreinigungsanlage nachgerüstet worden. Die jüngsten Vorstöße in Berlin (siehe Seite 12) und in Köln, wo ein Tempolimit auf dem Rhein geprüft wird, sorgen für weiteren Zündstoff. Auch die verpflichtende Abnahme von Landstrom und eine Staffelung von Liegegebühren werden bereits diskutiert.

Wie viel Förderung aus Berlin?

»Für nachvollziehbar und in gewisser Weise konsequent« hält Tehag-Chef Franken die wachsenden Ansprüche in der Politik, nachdem das eine oder andere Pilotprojekt bislang nicht so verfangen habe, auf der anderen Seite aber die technische Machbarkeit erwiesen ist. Und auch Seehäfen wie Rotterdam verschärfen die Anforderungen, wenn demnächst nur noch Schiffe, die wenigstens die ZKR II-Norm erfüllen, die Umschlaganlagen anlaufen dürfen. »Aber ohne Anreizsystem wird es nicht funktionieren«, glaubt Franken.

Experten rechnen einerseits damit, dass noch vor Inkraftreten der Richtlinie etliche Motoren modernisiert oder nach ZKR II-Norm ausgetauscht werden. Bei Investitionen nach 2019/2020 wird davon abhängen, ob andererseits angesichts des schwierigen Marktumfeldes für viele Binnenschiffer in Berlin ein funktionierendes Förder-Instrumentarium geschaffen wird, um eine umweltfreundliche Umrüstung der Flotte zu unterstützen. Das bisherige Motoren-Förderprogramm (2017: 4 Mio. €) gilt dem Gewerbe weder mit Blick auf die Gesamtsumme noch auf die Antragsregularien als wirklich geeignet, um einen echten Schub auszulösen.

Künftig geht es um weit mehr als nur Diesel-Motoren, sondern auch um alternative Antriebskonzepte, die zukunfsträchtig sind. Die Förderung müsse also technologie-offen sein. Spannend wird auch die Frage, welche Förderkriterien angewandt werden, wenn gesetzlich vorgeschrieben Grenzwerte kaum unterboten werden können.

Dem Vernehmen nach sitzt eine Arbeitsgruppe aus Verbandsvertretern seit längerm zusammen, um entsprechende Vorschläge zu entwickeln. Demnächst soll das Konzept präsentiert werden. Und es ist davon auszugehen, dass Schwerpunkte anders gesetzt werden könnten, nachdem so manche Hoffnung zerstoben ist.

Beispiel LNG: Gasmotoren galten einige Jahre lang als naheliegende Alternative zum Diesel. Hersteller wie MAN und MTU haben angekündigt, demnächst geeignete Motoren für die Binnenschifffahrt liefern zu können. Doch gerade zu LNG (verflüssiges Erdgas) als Kraftstoffquelle gehen viele Branchenvertreter inzwischen auf Distanz.

Mit bis zu 2 Mio. € Zusatzkosten pro Schiffsneubau viel zu teuer, viele rechtlichen Fragen noch nicht geklärt, dazu die vielerortes fehlende Infra­struktur. Dazu kommen Probleme mit dem Gasschlupf. In die Luft entweichendes Methan hat ein etwa 30-mal höheres Treibhauspotenzial als CO2.

Hybrid, Elektro, Brennstoffzelle

Selbst »Diesel-Mann« Franken glaubt an einen künftigen Mix verschiedener Antriebskonzepte und Kraftstoffe, je nach Schiffstyp und Einsatzzweck. »Es wird nicht mehr nur um den Verbrennungsmotor gehen.« Die Stichworte lauten hier Elektro mit Batterietechnik, diesel-elektrischer Hybridantrieb oder auch Brennstoffzelle.