Wegen baufälliger Schleusen und 50 fehlender Ingenieure im WSA Duisburg-Meiderich sieht der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt die Versorgung der Großindustrie im Ruhrgebiet behindert. Der Verband prangert »Mangelverwaltung in höchster Vollendung« an und fordert, das Planungspersonal aufzustocken.
Allein eine massive Aufstockung des Fachplanungspersonals im Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Meiderich werde das Ruhrgebiet mit seinen Kraftwerken und dem Chemiepark Marl vor dem drohenden Kollaps bewahren, so der BDB alarmiert. Denn nur mit entsprechend qualifizierten Mitarbeitern könne das Amt die dringend notwendige Sanierung des Wesel-Datteln-Kanals und der dortigen Schleusenbauwerke in Angriff nehmen. Das ist das Ergebnis eines Krisengespräches, das am 26. März 2018 in Duisburg stattfand.
Der BDB hatte Vertreter der Großindustrie, des Schifffahrtsgewerbes und der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) eingeladen, um über die aktuelle Situation am Wesel-Datteln-Kanal zu beraten. Der 60 km lange Kanal ist nach dem Rhein die wichtigste Wasserstraße im Bundesgebiet; er stellt die Hauptverkehrsschlagader für die Großindustrie im Ruhrgebiet dar. Auf ihm werden knapp 20 Mio. t Güter pro Jahr transportiert.
70 Anlagen im Amtsbezirk sanierungsbedürftig
Doch zurzeit stockt der Schiffsverkehr im Kanal. Die Bundesverwaltung hat die sogenannten Nischenpoller, die den Schiffen während der Schleusung in den Kammern zum Festmachen dienen, gesperrt. Die Poller stammen ebenso wie die sechs Schleusenbauwerke aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie können die Zugkräfte der heutigen Schiffe nicht mehr aufnehmen und müssen erneuert werden. Die Folge ist laut BDB, dass die Schiffe sich nun an den Schleusen stauen und Wartezeiten von bis zu zwölf Stunden entstehen. Die gesamte Versorgungslogistik werde zu einer unplanbaren Angelegenheit, die massive Mehrkosten produziere.
Die Reparatur bzw. der Ersatz der Poller in den Schleusen sei zwingend erforderlich, um die volle Leistungsfähigkeit des Kanals wieder herzustellen. Das kommt aber auf kurze Sicht nicht in Betracht, denn es fehlt das erforderliche Fachplanungspersonal in der WSV.
Im WSA Duisburg-Meiderich, das für das westdeutsche Kanalgebiet und somit für rund 137 km Wasserstraßen zuständig ist, fehlen offenbar alleine rund 50 Ingenieure. Neben den maroden Pollern sind es 70 weitere Anlagen, die im Amtsbezirk dringend instand gesetzt werden müssten. Die Vertreter der Verwaltung konnten bei dem Gespräch deshalb auch keine Angaben zu einem möglichen Reparaturbeginn in den Schleusen machen. Zunächst müsse ein Sanierungskonzept erarbeitet werden. Die Baumaßnahme könne sich dann – nach einem umfangreichen und komplizierten Ausschreibungsverfahren – durchaus über einen Zeitraum von zehn Jahren erstrecken.
Festmacher sollen erste Hilfe leisten
Eine schnelle »Erste Hilfe« sollen nun sog. Festmacher leisten. Diese vertäuen die Schiffe an den Landpollern oberhalb der Schleusenkammern. Das ist ein probates aber auch recht kostenintensives Mittel, um die Schleusungsvorgänge wieder zu beschleunigen. »Dass aber nun an sämtlichen Kanalschleusen an 365 Tagen im Jahr Festmacher ihren Dienst verrichten sollen, womöglich sogar über Jahre und Jahrzehnte – das ist Mangelverwaltung in höchster Vollendung und kann aus Sicht aller Beteiligten bestenfalls ein weiteres Provisorium sein«, heißt es vonseiten des BDB.
Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung in Berlin seien aufgefordert, dem WSA Duisburg-Meiderich so schnell wie möglich eine ausreichende Zahl an Ingenieurstellen zu gewähren. »Dass das geht, wenn die für den Bundeshaushalt Verantwortlichen es nur wollen, wurde im Norden der Republik in Sachen Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals in der jüngeren Vergangenheit mehrfach vorgemacht«, meint der Verband.
Probleme seit 30 Jahren bekannt
Industrievertreter von Evonik, Trianel und RWE zeigten sich ebenso wie die Reedereien in Duisburg verärgert über den maroden Zustand des Kanals. Denn sowohl der zuständige Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Duisburg-Meiderich, Volker Schlüter, als auch Hermann Poppen, Unterabteilungsleiter Management in der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS), räumten ein, dass die Bauwerksprobleme am Wesel-Datteln-Kanal dem Bund bereits seit knapp drei Jahrzehnten bekannt sind. Anstatt zu planen und zu investieren, sei die Infrastruktur einfach »auf Verschleiß« gefahren worden. Anpassungen an den gewachsenen Schiffsraum haben trotz mehrfacher Mahnungen nicht stattgefunden. Die Lage sei nun mittlerweile »hoch dramatisch«.
Die Wirtschaftsvertreter erklärten, dass in Fragen der Logistik die Planbarkeit und die Verlässlichkeit der Verkehre an oberster Stelle stehen. Die Großindustrie sei auf eine kontinuierliche Versorgung mit Rohstoffen und Produkten angewiesen, damit im Ruhrgebiet nicht im wahrsten Sinne des Wortes »die Lichter ausgehen«. Eine Verlagerung der Gütermengen auf den Lkw würde das bereits heute mit massivem Lkw-Verkehr belastete Straßennetz im Ruhrgebiet zum Kollabieren bringen.